Eine Band, die sich nach einer Echse benennt, die (kurzzeitig) über das Wasser laufen kann, weckt schon eine gewisse Grunderwartungshaltung. Die die 1987 in Austin, Texas gegründeten und mit dem Umzug nach Chicago, Illinois 1989 zum Quartett mit echtem Drummer angewachsenen JESUS LIZARD dann auch locker erfüllen: „So since the surgery, how’s that ghost limb? Hey man, say man, have you been rubbin’ your nub?“
Herumreiben an den Stümpfen amputierter Gliedmaßen? Uff, schwer verstörend, diese Lyrics. Und damit ist nicht nur dieser kleine Zitatfetzen gemeint. Brutaler Pennälerhumor mit schlüpfrigen Anspielungen galore. Oder, um es ein wenig positiver auszudrücken, ein heftig dadaistisches Noise-Powerplay, zu diversen Seiten hin interpretationsoffen. Wer es darauf anlegt, kann sich hier natürlich auch etwas gänzlich anderes, vielleicht sogar Sinnhaftes, hineinlesen. Ähnliches gilt auch für das von Bassist David William Sims gestaltete Coverartwork des zweiten JESUS LIZARD-Longplayers. Denn was auf den ersten Blick nach einem leicht stilisierten lodernden Feuer aussieht, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als eine orange-rot ausgeleuchtete Projektion auf einem nackten Frauenkörper. Das Motiv wiederholt sich in ähnlicher Form im Booklet, lässt sich dort aber ziemlich eindeutig als verschiedene Projektionen von Nägeln und Kabelgewirr identifizieren. Das Ausgangsmotiv auf dem Frontcover ist allerdings nicht ganz klar auszumachen. Kabel? Nägel? Beides plus diverse Schatten? Verworren.
Eindeutig ist hier nur die recht groß dimensionierte weiße Konturschrift von Bandname und Albumtitel, die ein wenig wie eine Fusion aus Sub Pop/Lisa Orth-Artworks Ende der 1980er Jahre und dem Cover von „Kick Out The Jams“ von MC5 anmutet. Sonst wirkt das gesamte Album wie eine Blaupause für juvenile Rebellion: Laut, unangepasst, provokant, roh, wild, vulgär, streitbar. Welcher Produzent hätte genau das besser auf Platte bannen können als Noise-Legende Steve Albini? Aufgenommen und abgemischt wurde das Ende 1990, also kurz vor dem ganz großen Grunge-Hype. Und der hat immerhin auch ein paar willkommene Nebeneffekte hervorgerufen, zum Beispiel manche Post-Hardcore-Band kurzzeitig in das Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit katapultiert. Zwar kam der große „Nevermind“-Paukenschlag erst im September 1991, aber auch das schon im Frühjahr 1991 veröffentlichte „Goat“ dürfte rückwirkend noch von dessen Sogwirkung profitiert haben. Für MTV war das dann allerdings doch eine ganze Nummer zu schräg und abgedreht, der exzentrische Clip zu „Nub“ wurde dort nie gespielt. „GOAT“, „Greatest Of All Time“? Haha! Oder so. Du entscheidest.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #175 August/September 2024 und Anke Kalau