Cover-Ikonen: JOHN MAYALL - Blues Breakers With Eric Clapton (LP,Decca, 1966)

Foto

Vier relativ junge Männer sitzen vor einer mit Farbe und Graffiti beschmierten grauen, verwitterten Betonwand auf einer Stufe. Zu ihren Füßen ragt ein wenig verschwommen ein Löwenzahn ins Bild. Man sieht Stoffturnschuhe, Jeansjacke, Lederjacke, Streifenhemd und düstere bis gleichgültige Mienen. Die zweite Person von links ist in die Lektüre eines Beano-Comics vertieft, Heimat von Dennis the Menace und seit 1938 (und bis heute) erste Wahl unter Großbritanniens aufmüpfigen Kindern. Punkrock? Weit gefehlt. Britblues. Zu sehen sind hier John Mayall, Eric Clapton, John McVie und Hughie Flint, die die Londoner Clubszene nach der Popifizierung von ROLLING STONES, PRETTY THINGS und Konsorten weiterhin mit Hammondorgel und Mundharmonika beglücken.

Wer die Band aus welchem Grund vor diese Wand gesetzt hat, ist nicht überliefert. Lediglich die Einbringung des Beano-Comics reklamiert Clapton für sich: „Am Tag an dem sie das Foto für das Cover schossen, beschloss ich, total unkooperativ zu sein, weil ich es hasste, fotografiert zu werden. Um alle zu ärgern, kaufte ich eine Ausgabe des Beanos und las es mürrisch, während der Fotograf seine Bilder aufnahm.“ Ganz mürrisch war er dann doch nicht, wie weitere Aufnahme aus der von David Wedgbury aufgenommenen Fotoserie zeigen, auf denen zwar ebenfalls der Comic zu sehen ist, Clapton aber auch lacht. Wedgbury könnte die Szenerie gewählt haben. Dass er die Attitüde und Essenz einer Band auf Bild bannen kann, hatte der Decca-Hausfotograf u.a. mit dem Frontcover des THE WHO Debüt-Albums „My Generation“, für das er die vier notorischen Querulanten von oben auf den Surrey Docks im Süden Londons ablichtete, bereits unter Beweis gestellt.

Auf dem ursprünglichen „Blues Breakers“-Bild sind außerdem die Schriftzüge „Labour up“ und „Tories down“ oberhalb der Band zu sehen. 1966 gab es Wahlen in Großbritannien, die die Labour-Party unter der Führung von Harold Wilson zum zweiten Mal in Folge gewann. Bandleader Mayall, der nach einem zweijährigen Studium an der Kunsthochschule in Manchester schon für die Dekoabteilung eines Kaufhauses, Werbeagenturen und als Illustrator von Science Fiction-Büchern gearbeitet hatte, übernahm die Gestaltungen des Coverlayouts (wie bei den meisten seiner Veröffentlichungen) selbst. Hat er den Bildausschnitt um seine politische Botschaft beschnitten oder geht das auf Deccas Kappe?

Hinsichtlich seiner politischen Ambitionen hält Mayall sich damals jedenfalls bedeckt. Textlich dominieren hier Frauengeschichten, die Mehrheit der Songs besteht ohnehin aus Covern von Songs amerikanischer Bluesmusiker, die Clapton und Mayall sich nach ausgiebigem Studium aus Mayalls üppiger Plattensammlung herausgepickt haben. In „Double crossing time“ lässt sich mit viel Fantasie noch eine politische Note hineinlesen, wahrscheinlich bezieht sich das „Double crossing“ aber lediglich auf Jack Bruces unangekündigten Wechsel von den BLUESBREAKERS zu Manfred Mann. „Der Blues passt zu den frühen 60ern und dem sozialen Leben der Zeit. Die Dinge änderten sich“, sagte Mayall später, „in der Mode, der Kunst, politischen Ansichten.“

Mayall trank zwar schon damals nicht und war Vegetarier, von seiner Lebenseinstellung ist in seinen Texten aber nichts zu spüren, obwohl er dem Blues gerade diese Eigenschaft immer wieder zuschreibt: „diese ungeschönte Ehrlichkeit, mit dem der Blues unsere Erfahrungen im Leben ausdrückt, etwas, das in der Musik und in den Worten zusammenkommt.“ Um dann wieder zurück zu rudern und seine Bluesbesessenheit auf rein musikalischer Ebene zu erklären: „Um ehrlich zu sein, ich glaube nicht, das irgendjemand weiß, was er [der Blues] ist. Ich kann einfach nicht aufhören, ihn zu spielen.“ Das wird es wohl sein.

Nur um die Musik ging es wahrscheinlich auch den anderen Bandmitgliedern. John McVie vielleicht auch um den Alkohol. Und Clapton machte sich seit der Feier zu seinem 21. Geburtstag im März 1966 erst einmal mit dem pausenlosen Konsum von Zigaretten warm. Und eine Sache hat das Album dann doch auch auf musikalischer Ebene mit Punkrock gemein: Seine Direktheit. Ursprünglich sollte es, wie schon das erste Mayall-Album, komplett live auf der Bühne aufgenommen werden. Weil die Qualität der gemachten Aufnahmen zu schlecht war, ging man doch ins Studio, wollte alles aber so ungefiltert wie möglich einspielen, um einen möglichst authentischen Livesound zu erzeugen. Clapton begründete darin sogar die Entstehung des spezifischen Klangs, der zu seinem Markenzeichen wurde: „Weil das Album so zügig aufgenommen wurde, hatte es eine ungeschliffene, kantige Seite, die es zu etwas besonderem machten [...] Ich bestand darauf, das Mikrofon [...] nicht zu nah an meinem Verstärker zu platzieren, damit ich über ihn spielen konnte und denselben Sound wie auf der Bühne hatte [...]. Ich verwendete das Bridge-Pickup mit komplett aufgedrehtem Bass, damit der Sound möglichst dicht und an der Schwelle zur Verzerrung war. Außerdem benutzte ich ausschließlich Verstärker, die übersteuerten. Ich drehte den Verstärker voll auf, die Lautstärke der Gitarre auch [...]. Ich spielte einen Ton, hielt ihn und gab ihm ein wenig Vibrato mit meinen Fingern bis er nachhallte und dann wurde aus der Verzerrung ein Feedback. Das alles [...] hat wohl zu dem geführt, was man meinen Sound nennen kann“.

Was lernen wir also daraus? Don’t judge a book by its cover vielleicht. Oder aber, und das liegt zumindest bei den älteren Mitgliedern der ersten britischen Punkwelle nahe, waren Punk und Bluesrock genau genommen eigentlich nur ein Pub weit voneinander entfernt.

Anke Kalau