COP AN ATTITUDE

Foto© by Marc Linkenheil

Momentaufnahmen von Wut und Ohnmacht

Kein Metal, kein NYHC, kein melodisches Zeug, sondern Hardcore-Punk – so die Selbstbeschreibung von COP AN ATTITUDE. Obwohl eine sehr junge Band, steht hier viel Erfahrung auf der Bühne. Andy (dr), Maciej (gt), Micha (voc), Ralf (gt), und Stef (bs) waren oder sind in Bands wie BLACK SHAPE OF NEXUS, EVOLUTION ENDS?, BELLROPE, SUBORDINATE oder DIAVOLO ROSSO aktiv und beantworteten meine Fragen kurz nach Erscheinen ihres Demotapes.

Erste Reviews eures Demos waren sehr gut. Ich zitiere: „One of those rare finds that gets better with each listen“. Überrascht über das Interesse und die positive Resonanz?

Micha: Ja, irgendwie ist das tatsächlich schon sehr krass. Innerhalb von knapp vier Wochen war fast die komplette erste Auflage der Tapes weg. Diese breite Reaktion macht tatsächlich etwas sprachlos, im positiven Sinne.

Ihr macht ja zum Teil schon mehr als 25 Jahre Musik. Wo seht ihr die größten Veränderungen für euch als Musiker und im subkulturellen Kontext?
Maciej: Ich veranstalte seit vielen Jahren Konzerte und mache Sound im Juz Mannheim. Es wird diverser, es spielen immer mehr Bands zusammen, die man musikalisch nicht in einen Topf werfen würde. Auch das Publikum wird diverser, es überschneidet sich viel mehr. Das macht alles interessanter und es entstehen dadurch neue Bands und Projekte, die nicht nur die zehnte Kopie von Band XY sind.

Das Cover des Tapes ziert eine Abbildung des Acrylgemäldes „Stiller Schrei“ von Lizzie Vanilli. Aus meiner Sicht das perfekte Artwork zur Musik. Wie kam der Kontakt zustande?
Micha: Das war nicht schwer, die Künstlerin ist Lisa Qamili, meine Freundin. Sie hat tatsächlich ein wahnsinniges Talent für morbide Kunst. Das Original hängt hier im Esszimmer. Es gab schon wilde Assoziationen, von SLAYER-Vibes bis ALIEN SEX FIEND. Ich habe das Motiv direkt gefeiert und wusste, das will ich für die Band.

Ihr habt euch nach einem Titel vom POISON IDEA-Album „Kings Of Punk“ benannt. Wie würdet ihr eure Musik beschreiben und was sind die größten Einflüsse?
Micha: Hardcore-Punk ... ich denke, damit ist tatsächlich eine große Bandbreite abgedeckt, weil wirklich ganz viele Menschen andere Dinge bei uns hören. Richtig spannend, das reicht von „crusty“ bis hin zu Dischord-Einflüssen. An Bandvergleichen wurde bisher von POISON IDEA, KAFKA PROSESS, ECONOCHRIST, CHRIST ON PARADE, VERBAL ASSAULT so ziemlich alles ausgepackt, was drei Akkorde spielen kann, was natürlich trotzdem sehr schmeichelhaft ist, wenn die eigene Band mit den persönlichen Helden seit Kidpunk-Tagen verglichen wird. Dass es wütend klingen wird, war klar, allerdings wollen wir uns auch nicht beispielsweise auf die Schublade „D-Beat“ limitieren. Inspirierende Bands aufzuzählen, würde hier den Rahmen sprengen. Ich sage mal, von ACCÜSED bis ZYGOTE und quer durch den Garten. Allerdings sind die anderen da sehr viel breiter aufgestellt als ich.

Ihr arbeitet auf dem Tape und live mit cineastischen Einspielern. Der Song „Everything’s fine“ wird mit dem Klassiker „Westworld“ von 1973 eingeleitet. Hat dies ein Bezug zum nachfolgenden Song?
Ralf: Ich denke, jeder kennt das Gefühl der Entfremdung, das uns durch die herrschenden Verhältnisse aufgezwängt wird. Die beiden Protagonisten im Film haben ja auch das Gefühl, nicht wirklich am Leben teilzunehmen. Um trotzdem mal einen Kick zu erleben, gehen sie in den Freizeitpark mit Wildwestsimulation, inklusive sicherer Schießerei mit einem Gunman, da der Android sie nicht töten kann. Dank Internet ist diese Entfremdung von der eigenen Existenz noch viel krasser geworden und viele vegetieren nur noch in einer Simulation vom Leben. Der einfältige Glaube, dass mit dem Internet die Demokratisierung vorangetrieben wird, erweist sich als Trugschluss, da mittels asozialer Hetzwerke und Desinformation die Freiheit bedroht wird. All das macht die Menschen gleichgültig und empathielos und das ist eine beängstigende Entwicklung.

Das eigentliche Intro des Demotapes konnte ich nicht identifizieren. Klärt uns auf.
Ralf: Das stammt aus einer alten Verfilmung von Orwells „1984“. Seine Beobachtungen und Erkenntnisse aus dem spanischen Bürgerkrieg, der russischen Revolution und der Entwicklung des Faschismus in Europa sind heute leider aktueller denn je. Es ist grotesk zu beobachten, wie im Umgang mit rechten Umtrieben wieder die gleichen Fehler begangen werden, als hätte es das nicht schon mal gegeben. Wir haben offensichtlich nichts aus der Geschichte gelernt und schlittern, wie vor hundert Jahren, sehenden Auges in die gleiche braune Scheiße.

Texte stellt ihr auf Bandcamp nur auszugsweise zur Verfügung. Ist das immer die eigentliche Botschaft des jeweiligen Songs?
Micha: Ja, das siehst du richtig. Ich halte mich auch nicht für einen begnadeten Texter. Zudem: Was soll ich den Menschen nach fast fünfzig Jahren Punkrock noch Neues erzählen? In erster Linie ist das ein Ventil für mich, wenn ich das, was mich anpisst, auch herausschreien darf; und im besten Fall hört jemand zu.

Irgendwelche Pläne für die nahe Zukunft?
Micha: Im April steht ein Besuch in Hamburg auf dem Dräschfest an. Es gibt tatsächlich auch Gespräche über eine Split-LP mit ENTER THE GATES aus dem hohen Norden mit meiner alten Freundin Tati am Mikro, ihrem Mann Davide an der Gitarre und Ballo von KILLBITE/Break the Silence Records, aber das ist bisher nur eine Idee unter Freunden.