Hippies. Eat them, so you don’t have to feed them. Unter gewissen Umständen mache ich gerne eine Ausnahme von dieser Aussage. COMETS ON FIRE sind so ein Fall. Die aus Santa Cruz stammende Band hat bisher drei Alben irgendwo zwischen Garagepunk, Progrock und Wahnsinn veröffentlicht, und gerade das vor kurzem auf Sub Pop erschienene Album „Blue Cathedral“, das durch bloßes Anhören glasige Augen und eine trockene Kehle macht, sollte jedem halbwegs an „anderer“ Musik interessierten Menschen gefallen. Ich stellte ein paar Fragen und „savage analog electronicist and vocal echoplex player“ Noel Harmonson antwortete.
Angesichts der teils ellenlangen, verspielten und auf den ersten oberflächlichen Blick etwas dudeligen Songs auf „Blue Cathedral“ drängt sich ja so ein gewisser Hippie-Verdacht auf, was die musikalischen Einflüsse von COMETS ON FIRE angeht. Noel versucht gar nicht erst diesen Verdacht zu entkräften und nennt Bands wie BLUE CHEER, HIGH RISE, PROCOL HARUM und HAWKWIND sowie Jimi Hendrix, Neil Young und Morton Subotnik als wesentliche Einflüsse. Abgesehen davon, dass mir ignorantem Menschen letzterer genauso wenig sagt wie HIGH RISE und PROCOL HARUM kann ich mit den anderen genannten gut leben, stehen sie doch zum Teil für die schönste je gemachte Musik. Da das Ox aber nun mal ein verdammtes Punkrock-Heft ist, will ich auch wissen, wie es in dieser Richtung aussieht. „Die erste COMETS ON FIRE-Platte klingt für mich schon ziemlich nach Punkrock“, meint Noel und erwähnt, dass Sänger und Gitarrist Ethan Miller mal in einer Band war, die sich HEROIN GLOWBUGS nannte und „ziemlich Punkrock war“, und dass der zweite Gitarrist Ben Chasney sowie Schlagzeuger Utrillo Belcher eine Band namens TONAL SHRINE hatten, „die um einiges mehr Punk war als das, was sich heutzutage so Punk nennt.“
Der für dieses Heft nötige Punkrock-Faktor scheint also vorhanden, was zum Teufel ist aber das von Noel bediente und für den Sound der COMETS ON FIRE nicht unerhebliche Echoplex? „ Es manipuliert die Zeit ... es ist eine ‚Delay Box‘ mit einem eingebauten Tonband. Ich kann allerlei Dinge einstöpseln und dann die Lebensspanne ihres Sounds beeinflussen.“ Echo-Elektronik nennt er das, und als Kenner der COMETS ON FIRE-Platten kann ich mir ungefähr vorstellen, was er meint. Eine Maschine, die hübsche Töne aufnimmt und Wahnsinn ausspuckt. Wahnsinnig klangen sie ja schon immer, aber während sie auf ihrem ersten Album noch wie eine außer Kontrolle geratene Garageband klangen, ist „Blue Cathedral“ psychedelischer, beinahe sogar prog-rockig. War das geplant oder ist das einfach passiert? „Es war eine natürliche Entwicklung, aber auch geplant.“ Aha. „Erstens haben wir einen neuen Schlagzeuger und außerdem noch einen zweiten Gitarristen, also gab es genug Einflüsse, die unseren Sound veränderen konnten.“ Noch mal: Aha. „Als Kollektiv erforschen wir einfach die musikalische Landschaft, die uns umgibt.“ Und noch einmal: Aha. „Für uns sind die eher etwas „mellow“ gehaltenen Jams auf „Blue Cathedral“ genauso heavy wie alles auf unserer ersten Platte.“
Das will ich auch gar nicht bezweifeln, aber man kann in den COMETS ON FIRE Parallelen zu KING CRIMSON und sogar GRATEFULL DEAD sehen, was Noel aber überhaupt nicht nachvollziehen kann. „Der Vergleich mit KING CRIMSON kommt sicherlich daher, weil die Jams auf ‚Blue Cathedral‘ oft etwas kompliziert klingen, aber nichts auf der Platte klingt nach KING CRIMSON. Es mag einige Sekunden geben, die ein wenig an GRATEFUL DEAD erinnern, aber auch dieser Vergleich ist dubios. Ich frage mich, ob dein Freund wirklich KING CRIMSON oder die DEAD hört oder ob das nur eingeworfen wurde, um die Platte als ‚jammig‘ und ‚proggy‘ zu bezeichnen. Beides halte ich für falsch. Wir mögen KING CRIMSON und auch GRATEFUL DEAD, aber sie sind keine großen Einflüsse für uns.“
Unzweifelhaft ist aber, dass COMETS ON FIRE alle ihre Platten auf verschiedenen Labels veröffentlicht haben. Die erste – die dann via Alternative Tentacles rereleast wurde – haben sie sogar selbst gemacht, die zweite kam bei Ba Da Bing raus und wurde dann von Sweet Nothing nochmals aufgelegt, und „Blue Cathedral“ erschien bei Sub Pop. Wie kommt‘s? „Wir haben für jede Platte eben eine Vereinbarung mit einem bestimmten Label getroffen“ Es waren auch nie irgendwelche Schwierigkeiten, die COMETS ON FIRE gezwungen hätten, das Label zu wechseln; allen Menschen, die ihre Platten rausgebracht haben, sind sie sehr dankbar dafür. Außerdem klingt jede Platte auch so, „wie die Umstände eben waren, seien es die Menschen, mit denen wir gearbeitet haben oder in welchem Jahr wir uns gerade befanden oder was immer in unserem Leben und in der Welt vor sich ging. Wobei ich zugeben muss, dass ‚Blue Cathedral‘ eventuell anders geklungen hätte, wenn wir die Platte nicht für Sub Pop gemacht hätten.“
Julian Cope als Presseinfo-Schreiber zu bekommen, ist keine alltägliche Sache. Aber irgendetwas muss ihn an den COMETS ON FIRE fasziniert haben. „Julian hat uns unheimlich unterstützt. Er ist ein ‚Cosmic Brother‘, ein Seelenverwandter. Wir können es kaum erwarten, ihn persönlich zu treffen und wir werden eine Split-Single mit ihm machen.“ Wenn er so auf die Band steht, sollte sich das auch machen lassen, ich drücke schon mal die Daumen. Ein Satz, den Cope schrieb, hat gerade für Menschen, die – freiwillig oder auch nicht –mit deutschem Hardrock vertraut sind, eine ganz prekäre Bedeutung: „Rocks like SCORPIONS with no cliché and no stupid Klaus Meine“ Wie er auf diesen Vergleich gekommen sein mag, ist eine Sache, die andere aber, ob Noel Sympathien für die Hardrocker empfindet. „Virgin Killer“ und „Lonesome Crow“ hat er gelegentlich schon mal gehört, „ihre frühen Platten sind ja auch etwas völlig anders als das, was sie später gemacht haben. Vielleicht ist es hilfreich, dass ich kein Deutscher bin um diese Siebziger-Exzentrizität aus weiter Entfernung anerkennen zu können, aber ‚Wind of change‘ ist eine ganz andere Geschichte.“ Egal, SCORPIONS sind „Wetten, dass ...“ und COMETS ON FIRE live sicherlich noch um einiges beeindruckender als auf Platte und da freut es doch, dass die Band Anfang 2005 für eine Tour herkommen will. Da einige Bandmitglieder noch nie auf diesem Kontinent waren, freuen sie sich fast noch mehr als ich.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #57 November 2004/Januar/Februar 2005 und André Bohnensack
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