CLOX

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Deutschlands älteste Punkband?

CLOX sind neben THE NEAT und IDIOTS eine der ersten Punkbands aus Dortmund. Anfang 2021 haben sie ihre ersten drei Alben in Eigenregie auf CD wiederveröffentlicht. Da bei der schicken 3CD-Metallbox mit dem Titel „The Early Years 1980-1985“ leider ein Beiheft fehlt, versuchen wir hier, diese Lücke zu schließen. Wir sprechen mit Martin, Gitarre und Gründungsmitglied, und Bernd, ebenfalls Gitarre, über vergangene Zeiten und CLOX im Jahr 2021. CLOX sind außerdem Steve, Gesang, Roman, Bass, und Ralf am Schlagzeug.

Was war der Grund für den Rerelease und dafür, das ohne Label zu tun?

Martin: Bei unseren Konzerten haben uns viele Leute darauf angesprochen, dass unsere alten LPs nur sehr schwer zu bekommen wären, und wenn, dann nur zu sehr hohen Preisen zum Beispiel auf eBay oder so. Probleme mit den Rechten gab es nicht.

Wer hatte die Idee zu der Metallbox? Und wäre es nicht die Gelegenheit gewesen, in Form eines Booklets einen Rückblick auf eure Bandvergangenheit zu werfen?
Martin: Die Idee hatte unser guter Freund Gerald von GMan-Productions. Ein Booklet wäre mit Sicherheit eine gute Idee gewesen, das ist uns irgendwie durchgegangen.

Dann würden wir das jetzt mit euch machen. Zurück in die Siebziger Jahre, wie seid ihr damals auf Punk aufmerksam geworden?
Bernd: Im WDR lief damals spät abends die Albrecht-Metzger-Show. Der spürte neuen Trends nach und stellte irgendwann 1977 oder so das erste CLASH-Album vor. Das war mein Erweckungserlebnis. Ich spielte zu dem Zeitpunkt in einer Pennäler-Band, und wie sich das für Oberschüler gehörte, waren wir alle von den Art-Rock-Bands wie YES, GENESIS, KING CRIMSON, PINK FLOYD und anderen inspiriert. Nachdem ich das CLASH-Album gehört hatte, war ich fertig mit Art-Rock. Ich verließ die Band und wollte eine Punkband gründen.

Was machte die Faszination von Punk aus?
Bernd: Die Power im Sound, die Klarheit der Komposition und die Ehrlichkeit, mit der politische Fragen angesprochen wurden. Ich habe Punk auch immer als gesellschaftliche Bewegung gesehen.

Gab es von deiner Seite aus von Anfang an die Idee, Musik zu machen? Und wann habt ihr euch jetzt wirklich gegründet? 1977? Seid ihr wirklich eine der ältesten Punkbands Deutschlands?
Bernd: Musik machen wollte ich schon mit vier Jahren. Ich war und bin ein großer Fan von Louis Armstrong und wollte Trompete spielen – das tue ich jetzt auch. Das Gründungsjahr 1977 müsste stimmen. Damit dürften wir nicht nur in Deutschland, sondern auch weltweit zu den ältesten Punkbands gehören.

Wer hatte die Idee zu eurem Namen? Ich hatte, als ich ihn zum ersten Mal hörte, die Assoziation mit diesen fürchterlichen Holzschuhen ...
Bernd: Das hatte unser damaliges Bandmitglied Uwe Pless zu verantworten. Im Musikkeller in der Schwanenstraße fiel ihm das ein – unabhängig von den grausigen Schuhen.

Im Gegensatz zu anderen Bands aus Dortmund dieser Zeit wie THE NEAT, IDIOTS oder MODERN HEREOS klingt ihr sehr britisch. Welche Einflüsse hattet ihr?
Bernd: Das liegt vielleicht daran, dass wir einen englischen Sänger haben ... Jedenfalls waren meine großen Einflüsse CLASH, STIFF LITTLE FINGERS, Tom Robinson, RUTS, DAMNED, um nur einige zu nennen. Die SEX PISTOLS gehörten komischerweise nicht dazu. Wahrscheinlich wegen Sid Vicious, den ich nie mochte.

Wo habt ihr geprobt und wie oft?
Bernd: Das war lange Zeit im Keller einer Schulturnhalle. Ein- bis zweimal die Woche waren wir da.

Wie sah die Punk-Szene in Dortmund aus, welche Treffpunkte gab es?
Es gab in Dortmund einige Treffs, in denen auch viele britische Soldaten verkehrten, wie zum Beispiel das Masterpiece, Old Daddy, das Che Coolala – da fanden auch die Konzerte statt. Mit den meisten „Normalos“ hatten wir eigentlich keine Probleme.

Seid ihr oft in andere Städte gefahren, wie etwa nach Düsseldorf in den Ratinger Hof?
Bernd: Wir sind an den Wochenenden oft in den Ratinger Hof gefahren, außerdem nach Neuss ins Okie Dokie oder nach Herne in den Bunker.

Wart ihr 1979 auch beim Punkfestival in Grevenbroich dabei, wo die Dortmunder Punks, allen voran die Briten, zum ersten Mal die angreifenden Rocker aufmischten?
Bernd: Wir spielten damals mit ZK, der alten Band von Campino, und DER KFC in Grevenbroich. Da waren dann diese Rocker, die die ganze Zeit Stunk machten. Ihr Pech war, dass in unserem Gefolge Crazy George, ein Squaddie – ein britischer Soldat –, der eigentlich Nick hieß, und einige andere Leute, die solche Provokationen liebten, dabei waren. Nachdem diese Typen mehrfach vor insbesondere George gewarnt worden waren und diese Warnungen in den Wind schlugen, gab es richtig was auf die Jacke. Ergebnis: nach wenigen Minuten lagen die Rocker weinend am Boden, und das Konzert konnte weitergehen. Ich glaube fast, da sind strafbare Handlungen begangen worden.

Exzessiver Alkohol- und Drogenkonsum – gab es den bei euch/in eurer Szene? Auf den ersten beiden LPs grüßt ihr immer „Kronen Export“.
Bernd: Drogen waren irgendwie nie unser Ding, natürlich wurde hier und da mal gekifft, das war’s aber auch schon. Alkohol wurde schon eher getrunken – vornehmlich Kronen Export. Aber wir haben schon versucht, unsere Konzerte halbwegs nüchtern über die Bühnen zu bringen.

Ihr habt 1983 und 1984 zusammen mit DIE TOTEN HOSEN getourt. Wie sind eure Erinnerungen daran?
Martin: Wir kannten DIE TOTEN HOSEN ja bereits von früher, als sie noch ZK hießen ... Bei einem Konzert von uns in Düsseldorf sprach Campino uns an, ob wir sie nicht bei ihrer Tournee als Vorband unterstützen könnten. Der Kontakt ist leider nicht mehr da, aber alles, was DIE TOTEN HOSEN erreicht haben, haben sie sich auch verdient.

Welche Aktionen, Peinlichkeiten, Konzerte sind euch noch in besonderer Erinnerung geblieben?
Martin: Eine lustige Aktion gab es bei einem gemeinsamen Konzert mit DIE TOTEN HOSEN in Altena ... Trini, der damalige Drummer der Hosen, stand mit seinem Auto in einer Vollsperrung und hatte es nicht geschafft, zum Konzert zu kommen. Also musste unser Drummer Manne – nachdem er mit uns das komplette Set gespielt hatte – dann auch noch, ohne vorher jeweils mit den Jungs geprobt zu haben, bei den Hosen trommeln. Der war danach fix und fertig.

Hast du das Gefühl, dass eure Texte immer noch aktuell sind? Habt ihr euch auch als politische Band verstanden? Ihr hattet ja auch durchaus politische Aussagen wie beim SPECIALS-Cover „Doesn’t make it alright“ oder „Panic in the world“?
Martin: Viele unserer Texte sind heutzutage sicherlich immer noch aktuell. Ich glaube, dass die meisten Punkbands auch politisch sind, manche mehr, manche weniger. Wir haben ja auch auf unserem letzten Album „N.S.A.“ einige Songs, die man als „politisch“ bezeichnen könnte wie „The greenback anthem“ oder „Throwing bombs“.

Wie ist der Kontakt zum Label Schallmauer zustande gekommen?
Bernd: Mit dem Schallmauer-Sampler war es so: Es gab in Düsseldorf einen Plattenladen, der „Schallmauer“ hieß. An den Namen des Eigentümers kann ich mich nicht mehr erinnern. Der hatte jedenfalls ein Faible für Punkrock und wollte einen Sampler in diesem Genre veröffentlichen. Jetzt wird meine Erinnerung undeutlich ... Wenn ich mich recht entsinne, sprach er uns bei einem Konzert im Okie Dokie in Neuss an, ob wir mitmachen wollten. Das Studio war das von den KRUPPS.

Und warum wart ihr nachher bei JA! Music?
Martin: Ich habe, bevor ich 1982 zu den CLOX kam, mit meinem alten Kumpel Uli Figgen bereits in diversen Bands Musik gemacht – unter anderem bei den FLEISCHERGESELLEN in Hagen. Der Sänger dieser Band war Thomas Hermann, der in der Hagener Szene recht bekannt war. Der hat 1983 ein eigenes Plattenlabel namens JA! Music gegründet und uns dann unter Vertrag genommen.

Punktreffen waren in den Achtziger Jahren in vielen Orten gang und gäbe, wie etwa die Chaostage in Hannover. Wart ihr selber mal da?
Martin: Wir waren nie mit dabei ... Warum nicht, kann ich dir heute beim besten Willen nicht mehr beantworten.

Ihr grüßt auf der zweiten LP „Probably One Of The Longest LP-Titles In The World“ Dynamo Doppelkorn, die Thekenmannschaft der IDIOTS, dies ausdrücklich mit der Ergänzung „who are not fascist“. Was war der Anlass?
Martin: Dynamo Doppelkorn waren eine Truppe von 20 bis 25 Leuten aus der Dortmunder Punk- und Oi!-Skin-Szene, die jeden Sonntag im Westpark zusammen Fußball gespielt haben und ab und zu bei Freizeitturnieren mitmachten. Bei Dynamo spielten Mitglieder verschiedener Dortmunder Bands wie CLOX, IDIOTS, RIM SHOUT ... Bei einem Auftritt von uns in Hagen haben die Jungs vor der Bühne mal mächtig die Sau rausgelassen, und irgendein Schreiberling einer Hagener Zeitung war der Meinung, wer kurze Haare und Doc Martens trägt, ist ein Fascho, und hat diesen Schwachsinn dann auch veröffentlicht – das konnten und wollten wir nicht so stehen lassen.

Weiter grüßt ihr die Monty Python-Crew. Ist das eure Art von Humor? Stellenweise erinnert ihr mich an ZK wie beim Cover „Auf der Alm“ ...
Martin: Wir waren schon immer große Fans von Monty Python. Ich glaube, „Das Leben des Brian“ konnten wir auswendig mitsprechen. „Auf der Alm“ war aus einer Bierlaune entstanden. Bei diversen Partys hatte unser Freund Hagen Rydzy diesen Song zum Besten gegeben – und der Mann kann ja wirklich toll jodeln ... Es hat auf jeden Fall riesig Spaß gemacht – wir haben den Song sogar ein- bis zweimal live gespielt.

Diese LP hat Phillip Boa produziert. Wie ist das zustande gekommen? Wie war die Zusammenarbeit?
Martin: Ich hatte ja schon vorher erwähnt, dass ich vor meiner Zeit bei den CLOX mit meinem alten Kumpel Uli Figgen in diversen Bands gespielt hatte, Uli wurde hinterher unter seinem Pseudonym Phillip Boa ja recht bekannt. Ich habe auf seinen ersten beiden Platten ja auch noch mitgespielt. So hatte es sich angeboten, dass er uns produziert.

Was waren die Gründe für die Auflösung 1986 und dann die für die Reunion 2008?
Martin: Die Gründe für die Auflösung waren recht einfach ... Von der Musik konnten wir nicht leben, also haben wir uns in das Arbeits- und Familienleben gestürzt und dann war einfach keine Zeit mehr für die Band. 2008 hatte man uns angesprochen, ob wir im alten Dortmunder FZW bei einem Benefizkonzert, bei dem Dortmunder Punkbands spielen sollten, für dieses eine Konzert eine Reunion machen würden. Wir haben bei den Proben und bei dem Gig so viel Spaß gehabt, dass wir beschlossen haben weiterzumachen ... Und wir haben immer noch jede Menge Spaß.

Der Tod eures Drummers Manfred Furche im Jahr 2015 war ein herber Verlust. Eure bisher letzte Veröffentlichung, die CD „No Secrets Anymore“ habt ihr noch mit ihm eingespielt. Wird es demnächst wieder etwas Neues von euch geben?
Martin: Der Tod von Manne hat uns natürlich schwer getroffen, aber es war sein Wunsch, dass wir weitermachen. Wir haben mit unserem neuen Drummer Ralf Mannchen einen tollen Ersatzmann gefunden. Leider konnten wir Corona-bedingt in den letzten zwölf Monaten nicht viel proben, wir haben jedoch jede Menge neues Material, und wenn es klappt, nehmen wir in diesem Jahr eine neue Platte auf.

Wie sind die Reaktionen auf die neuen Songs?
Martin: Wir waren schon überrascht, dass unsere Songs speziell bei dem jungen Publikum sehr gut ankommen, ich habe jede Menge Neffen, die Anfang zwanzig sind und die CLOX richtig gut finden.

Im Rückblick, wie war es, in den Achtzigern in einer Punkband gespielt zu haben?
Martin: Es ist natürlich ein Unterschied, ob man mit Anfang zwanzig oder mit Ende fünfzig auf der Bühne steht – alleine schon wegen der Kondition. Viel hat sich aber eigentlich nicht verändert, da wir immer noch Vollgas geben und bei jedem Gig einen Heidenspaß haben. Was sich bei uns am meisten verändert hat, ist, dass wir an uns selber einen höheren Anspruch haben und wir uns technisch in den letzten vierzig Jahren doch verbessert haben.

Heute wird der Status von Musikerinnen stark diskutiert. Wie männlich/machistisch oder emanzipatorisch hast du die damalige Szene wahrgenommen?
Martin: Ich habe ich mir ehrlich gesagt überhaupt keine Gedanken darüber gemacht, uns war es ziemlich egal, ob die Musik, die man mag, von einer Frau oder einem Mann gemacht wurde. Gerade in der Punk-Szene gab es ja jede Menge Frauenpower.