Ich bin verliebt. In diese Band. Ich habe das hemmungslose Bedürfnis, diese Band zu feiern. Ich möchte die Texte vorm Spiegel einüben. Ich möchte einfach wieder Fan sein. Ich möchte alle, die HOT SNAKES und BLACK FLAG mögen, darauf hinweisen, dass es noch CLOAK/DAGGER gibt. Deswegen dieses Interview, das in Bremen stattfand und an dem alle Bandmitglieder teilnahmen.
Viele Interviews fangen mit der Frage nach dem Grund für den Bandnamen an. Ich wollte sie mir dieses Mal nicht sparen. Denn bei CLOAK/DAGGER mag der eine oder andere Comicfan an die Superhelden aus dem Hause Marvel denken, mein Gedanke wird aber von Schlagzeuger Colin umgehend verneint: „Das denken viele Leute, aber wir dachten einfach, dass das gut klingt. Da steckt nicht mehr hinter.“ Jason, der Sänger, sagt viel eher war es so: „Bei unserem ersten Auftritt spielte eine Band namens CLOAK AND DAGGER, deswegen heißen wir jetzt CLOAK/DAGGER mit einem Slash-Zeichen.“ Okay, also keine gute Geschichte hinter dem Bandnamen.
Bei meinen Recherchen stieß ich immer wieder auf Reviews zur neuen Platte, die betonen, wie außerordentlich „true“ und ehrlich die Musik sei, die diese Band spielt. Für mich sind das nur Floskeln, ehrliche Musik? In meiner Schule fand ein Mädchen, dass die KELLY FAMILY auch ehrliche Musik machen würden. Ich frage Bands gerne, was sie darunter verstehen. Jason dazu: „Ich glaube, was die meinen, ist, dass es zur Zeit sehr viele Bands gibt, deren Ziel es ist, auf MTV gespielt zu werden, oder die Geld damit verdienen wollen. Das heißt, dass es wenige Bands gibt, die Musik machen, allein weil sie Lust haben, Musik zu machen, die das spielen, was sie spielen wollen und die es schätzen, kleine Shows zu spielen. Zumindest werden diese Bands normalerweise nicht von größeren Magazinen oder Internetseiten gefeaturet. Ich denke, für viele Menschen kommt es überraschend, dass eine Band, die so klingt wie wir, öffentlich bekannt gemacht wird. Klang das gut?“ Ja, in meinen Ohren klingt das überzeugend genug für ein Interview. Als relativ unmusikalische Person will ich wissen, ob es sich wirklich so verhält, dass im Hardcore die Stimme meist im Vordergrund steht und dies bei CLOAK/DAGGER anders ist, nämlich die Musik wichtiger sei. Jason bejaht das: „Ich für meinen Teil mag das nicht, wenn die Stimme zu sehr im Vordergrund steht. Wir sind eine Band. Ich möchte nicht die Gitarrenarbeit oder das Schlagzeugspiel übertönen.“
Wir sitzen im Backstagebereich des Schlachthofs und vor uns steht viel leckeres veganes Essen. Da sich ab und an immer wieder Unmut bei Bands bemerkbar macht, die kein Fleisch bekommen, frage ich, wie es sich bei ihnen verhält, ob sie lieber Fleisch auf dem Tisch haben wollen. Colin: „Hm, vielleicht. Keiner von uns ist Veganer. Aber wir mögen es, verpflegt zu werden. In Amerika bekommst du gar nichts. Wir wissen das schon zu schätzen.“ Man einigt sich schnell, dass das Bier eigentlich noch wichtiger ist. Wichtiger für mich ist allerdings die Frage, ob die neue CD auch noch als Vinylversion herauskommt. Nicht nur ich habe lieber eine Platte als eine CD und alle Plattensammler haben Glück, so Jason: „Ja, Alex von Grave Mistake wird sie zwar nicht pressen, aber er wird uns helfen, auch beim Vertrieb. Ich denke, sie wird so im Februar, März da sein. Sie wird auf Collins Label rauskommen.“ Wie sieht es mit weiteren Szeneaktivitäten der Band aus, meist machen einige ja mehr als „nur“ in einer Band zu spielen. So auch hier - Gitarrist Collin: „Ja, ich bringe halt die Platte raus.“ Und der andere Colin: „Ich mache das Artwork für andere Bands.“
Ich konzentriere mich bei meinen Fragen auch immer gerne auf die Lyrics einer Band, also frage ich auch hier nach der Bedeutung der Zeile „We love when we hate “. Ist das eine Bestandsaufnahme? Wäre es nicht besser, wenn man mit sich im Reinen ist? Jason, verantwortlich für die Lyrics, erklärt: „Ich möchte den Blickwinkel nicht verengen, aber es geht dabei um One-Night-Stands und wenn Menschen sich jemanden mit nach Hause nehmen, weil sie jemanden für diese Freitagnacht brauchen. Und nächste Woche wieder jemanden mitnehmen und darauf die Woche wieder.“ Interessant, hier wird deutlich, dass jemand mit dem ganzen ONS-Ding überhaupt nichts anfangen kann beziehungsweise darin vielleicht auch nur eine unnötige Kompensation sieht.
Aber dass niemand ONS hat, will man mir auch nicht erzählen, Colin: „Wenn so was passiert, dann sicherlich nicht auf Tour.“ Man ist sich eben einig, dass so etwas nicht zum Tourleben gehört, denn daheim hat der eine oder andere seine Freundin.
Bei „Bended knee“ heißt es: „We got to save ourselves / No religion, no romance give meanings in a life as hell“. In diesem Statement steckt viel Wahres drin und Jason sagt zum Beziehungsaspekt noch Folgendes: „Viele Leute brauchen eine Beziehung, eine Freundin oder einen Freund. Aber was nützt dir das auf lange Sicht, wenn du selber mit dir unglücklich bist?“ Nachdem ich bemerke, dass ich mit 16 Jahren aber unbedingt für mein Seelenheil eine Beziehung brauchte, wirft Colin ein: „Aber Lyrics müssen nicht auf jeden passen. Das ist manchmal das Problem, dass Leute versuchen, sie auf ihre Situation zu münzen.“ Scharfsinnig stellt Adam fest: „Wir müssen uns auch keine Gedanken machen, solche Lyrics zu schreiben, denn diese Band ist definitiv nicht 16 Jahre alt.“
Aber was hat sich in den letzten Jahren verändert für diese Band? Immerhin machen alle schon sehr lange Musik, Jason: „Zu touren wird auch härter.“ Adam sieht das ähnlich: „Es war auch nicht so schlimm, wenn du deinen Job gekündigt hast, um auf Tour gehen zu können. Nicht, dass das jetzt schwer wäre, aber wie bezahle ich die Rechnungen, wenn ich zurückkomme?“ Wie viele Jobs und Apartments mussten sie denn überhaupt kündigen, um dieses Leben zu leben, immerhin bedeutet auf Tour sein auch immer ein Opfer? Für Collin anscheinend auch kein Kleines: „Ich hab kein Apartment verloren, aber ich war schon mal verdammt pleite. Man hat nicht viel Geld, wenn man auf Tour ist.“ Adam meint, dass er insgesamt mehr als fünf Jobs an den Nagel gehängt hätte, aber er hätte immer gewusst, worauf er sich einließ und wenn es sich lohnen würde ...
Aber was lohnt sich denn so an dem Tourleben, dass man dafür sein gemütliches, sicheres Plätzchen in der Gesellschaft aufgeben möchte? Es herrscht kurzes Schweigen, dann Colin: „Jede Nacht spielen, dafür lohnt es sich.“ Der andere Collin führt noch näher aus: „Die 25 Minuten auf der Bühne, die wir spielen, dafür lohnt es sich. Das ist das Beste am Touren. Wenn zehn Menschen da sind, ist es großartig und wenn 300 Menschen da sind, lohnt es sich.“
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