CIRLCE OF DEAD CHILDREN

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Verfaulter Nationalstolz

Je älter man wird, umso schwieriger wird es, neue und beeindruckende Bands zu finden. Eine dieser Bands ist zweifelsfrei CIRCLE OF DEAD CHILDREN aus Pittsburgh, PA. Nach einigen vorzüglichen EPs und brutalen Liveshows erlangten die werten Herren mit ihrem Debüt „The Genocide Machine“ (DeathVomit) endlich die Aufmerksamkeit, die ihnen gebührt.

Es taten sich sogar Vergleiche zu NAPALM DEATH und NEUROSIS auf, insofern war ich natürlich umso mehr auf den Nachfolger gespannt, der mir nun als „Human Harvest“ (Displeased Records) vorliegt und von keinem geringeren als Steve Austin produziert wurde. Das Besetzungskarussell hat sich wieder mal kräftig gedreht, weshalb der CIRCLE nun anno 2003 aus Jason Andrews (Gitarre), Mike Rosswog (Drums) und meinem mehr als sympathischen und schreibwütigen Gesprächspartner Joe Horvath (Vocals) besteht.


Eure Songtitel geben dem normalen Grindcore-Konsumenten immer eine falsche Deutung auf den eigentlichen Textinhalt, der überhaupt nichts mit den spätpubertären Blutorgien der Konkurrenz zu tun hat.

Es ist ein großes Kompliment für mich, wenn die Leute sich die Mühe machen und auch mal die Texte im Booklet lesen. Ich mag es, kurze Geschichten oder Statements zu verfassen, die sich gerade in meinem Hirn festgefressen haben. Meistens nehme ich einfach einen Stift in die Hand und kritzle spontan gerade das runter, was sich in meinem Unterbewusstsein versteckt hält. Dabei kann natürlich ein wenig Ganja äußerst hilfreich sein. Nach dem kreativen Prozess lese ich mir meine Texte durch und sortiere diese dann aus. Ich verändere meine eigenen Worte bzw. Aussagen nie, da diese dann von ihrer Emotionalität verlieren würden.

Aber sei mal ganz ehrlich, „singst“ du wirklich alles so, wie du es geschrieben hast?

Ja, meistens jedenfalls. Die meiste Zeit klinge ich zugegeben wie ein Schwein, dessen Eingeweide gerade rausgenommen werden, aber ich wiederhole sehr viele Zeilen. Ich halte es für unwichtig, die dann noch mal extra im Booklet abzudrucken, da die eher als Ausdrucksmittel zu verstehen sind.

Als ich zum ersten Mal was über euch las, wurdet ihr als ein Mix aus frühen NAPALM DEATH und frühen NEUROSIS beschrieben. Würdest du das so unterschreiben können?

Wenn derjenige sich beim Anhören unserer Platten so gefühlt hat, dann soll es so sein. Immerhin ist das ein sehr großes Kompliment, denn die frühen Sachen von beiden Bands waren einfach nur großartig, keine Frage! Aber es wäre arrogant von uns zu behaupten, wir würden so klingen.

Ihr hattet sehr viele Probleme mit dem Line-Up seit eurer Bandgründung. Ist es bei CODC schwieriger, die geeigneten Leute zu finden, da ihr ja nicht Allerwelts-Grindcore spielt?

Definitiv! Unser Sound passt nicht in die Deathmetal-Szene, die straighte Grind-Szene oder aber in die Crust oder Punk-Szene, da wir keine Band sind, die sich nur an einem genretypischen Sound orientiert. Wir haben zwei Drummer, drei Gitarristen und zwei Bassisten verschlissen, und schlussendlich ist die jetzige Dreier-Konstellation die Beste für uns, mit Andrew und mir als Originalmitglieder.

Angesichts solcher Stilvielfalt, hast du irgendwelche musikalischen Leichen im Keller?


Wir alle hören nicht nur den ganzen Grunz- und Röchelkram. Ich höre mehr Undergroundzeugs, da ich mit der ganzen Kommerzkacke nichts anfangen kann. Hey, ich höre sogar Hip-Hop, aber nicht diesen Zuhältergangstascheiß, sondern eher den richtigen Underground mit Aussage. Bob Marley, CREDENCE CLEARWATER REVIVAL und Johnny Cash gehören ebenfalls zu meinen Favoriten.

Du hast ja einen recht interessanten Job. Wissen deine Kollegen in der Kinderklinik, dass du in solch einer Band mit solch einem Namen bist?

Ich arbeite nicht mehr als Kinderbetreuer, aber ich bin immer noch mit der Betreuung geistig Behinderter beschäftigt. Ich habe den Job mit den Kindern sehr gemocht, aber nach vier Jahren fühlte ich mich völlig ausgebrannt. Was jetzt die Arbeit betrifft, so habe ich keine Geheimnisse irgendwem gegenüber. Meine Kollegen wissen von der Band, und was genau ich da mache, anders wäre es recht nervig geworden, mir immer neue Ausreden einfallen zu lassen, wieso ich nach unseren Gigs immer so aussehe, als wenn ich gerade zusammengeschlagen worden wäre.

Als ein alter „Grindhead“ war ich natürlich sehr angetan von deinem Statement über das amerikanische Regime im Booklet. Ist das aber gerade in dieser Zeit nicht ein wenig unamerikanisch und verwerflich, gegen den eigenen netten, lieben Staat herzuziehen?

Ich bin kein Anti-Amerikaner, sondern gegen die amerikanische Regierung und deren Politik. Ich sehe nicht ein, wieso ich meine Meinung verstecken soll, das heißt doch noch lange nicht, dass ich ein Terrorist bin oder einen Anschlag auf einen Politiker plane. Die Gesellschaft hat sehr viele interne Probleme, die durchaus von unserer Regierung gelöst werden könnten, aber nicht gelöst werden, solange alle Politiker sich gegenseitig die Finanzspritze reichen. Die Zukunft sieht nicht gerade rosig aus, wenn du mich fragst. Bush ist auf die Weltherrschaft aus und dafür geht er auch mit stolz erhobener amerikanischer Flagge über Leichen. Ich hasse Amerika als Land nicht, aber für mich repräsentiert die Flagge nichts weiter als Lügen und Betrug.

Leider habe ich bisher keine Show von euch livehaftig miterlebt, aber du hast eben angesprochen, dass diese ziemlich „schmerzvoll“ sein können?

Yep, manchmal musste halt Blut fließen! Anfangs ging‘s mir ziemlich dreckig und ich war ein emotionales Wrack, das sich selber gehasst hat. Die Musik trug dann live einiges dazu bei, dass ich mir fast immer selber meine Fresse poliert habe. Mittlerweile geht‘s mir besser und ich habe mich mehr unter Kontrolle als damals. Wir haben einfach Spaß auf der Bühne und machen ziemlich viel Scheiß. Solange die Leute sich amüsieren und auf unseren Shows abgehen, haben wir auch unseren Spaß dran.