CHE SUDAKA aus Barcelona sind seit zwanzig Jahren mit ihrem einzigartigen Mestizo-Sound im Geschäft. Die Band definiert sich live durch Akkordeon, Akustikgitarre und teils gerappte Vocals, aber auch mächtige Riddims, derbe Bässe und eine magische, beinahe akrobatische Bühnenpräsenz. Einflüsse von Punk, Reggae und Beats aus dem HipHop-Kosmos bestimmen den Sound. Sänger Kacha nimmt sich die Zeit, um mit dem Ox einige offene Fragen zu besprechen.
Diese Tour sollte eigentlich 2020 stattfinden, wegen der Pandemie wurde sie um drei Jahre verschoben. Wie läuft’s bis jetzt?
Es läuft super, diese Tour ist großartig, es ist unsere bislang beste „Wintertour“ in Deutschland. Wir machen das ja jetzt schon seit 16 Jahren, aber die Reaktionen des Publikums waren noch nie so gut. Das liegt natürlich auch an der langen Pause durch Corona.
Euer neues Album „20 Anos“ besteht anlässlich des zwanzigjährigen Bandjubiläums aus Kollaborationen mit Weggefährten. Wen habt ihr dabei ausgesucht und warum?
Es ist ja tatsächlich ein Album als Geburtstagsfeier und wir haben unsere musikalischen Freunde dazu eingeladen. Es handelt sich großteils um Künstler, die wir auf Tour kennen gelernt haben. Aber zum Beispiel ist auch Piero dabei, ein argentinischer Liedermacher, den schon mein Vater gehört hat. Er war der Einzige, den wir vorher nicht persönlich kannten, es war sehr beeindruckend, mit ihm zu arbeiten. Das Lied „Manso y tranquilo“ ist auch im Original von ihm. LA PEGATINA, die jetzt ebenfalls ihr Zwanzigjähriges feiern, kennen wir schon aus ihren Anfangstagen. Sie haben ihr erstes Album in unserem Studio aufgenommen. Es ist eine tiefe Freundschaft zwischen den Bands entstanden. Und aus Deutschland kennen wir zum Beispiel Mal Élevé ganz gut, er war Sänger bei IRIE RÉVOLTÉS, mit denen haben wir oft zusammen gespielt, und es hat einfach „connectet“. Die Aufnahmen waren wie eine einzige große Party.
Aber euer Freund Manu Chao war bei dieser Party nicht mit dabei.
Er hat bereits 2006 auf unserem Album „Almas Rebeldes“ mitgespielt, da gab es eine neue Version von „La risa bonita“. Er ist wirklich ein richtig guter Freund, ihn kennen wir bereits aus seiner Zeit mit MANO NEGRA, und auf unserem letzten Album hatte er auch mitgewirkt.
Gambeat, der Bassist von Manu Chaos Band, war in eurer Anfangszeit eine Art „Tutor“ für euch. Was hat er euch so alles gezeigt?
Gambeat war der erste Produzent von CHE SUDAKA. 2006 hatte sich viel bei uns geändert, wir arbeiteten für beinahe drei Jahre mit ihm, wirklich harte Arbeit, er hatte krasse Methoden, beinahe wie in einem Boot Camp. Nachdem du mit ihm gearbeitet hast, bist du wie Bruce Lee, hahaha! Wir haben so viel von ihm gelernt, nicht nur musikalisch. Er war zu dieser Zeit quasi rund um die Uhr bei uns. Kein Weihnachten, kein Silvester, keine Feiern, keine Familie, nur proben, proben, proben. Acht Stunden am Tag. Du willst ernsthaft Musiker sein? Dann ist das ein harter Job, kein Unterschied zum „richtigen“ Arbeitsleben. Und dann lebst du auch wie ein Musiker. Nicht wie ein Rockstar, das ist ein riesiger Unterschied. Wenn du eine Band hast, dauernd auf Tour bist und davon leben willst, musst du auf deine Gesundheit achten. Wir trinken keinen Alkohol mehr. Irgendwann muss man damit aufhören, wenn man so lange unterwegs ist. Wir machen auch viel Sport, sind Vegetarier, aber das ist ja unsere Entscheidung. Von uns hat auch niemals jemand was mit Drogen zu tun gehabt. Mein Bruder Leo und ich spielen viel Fußball, Sergio Basketball – Leo kannte sogar Maradona und hat tatsächlich mal mit ihm zusammen gespielt. Gambeat hat uns vor allem seine Philosophie und das nötige „Mindset“ beigebracht. Den Spirit und die Haltung, die wir haben, verdanken wir ihm.
Ihr spielt seit längerem ohne Schlagzeuger, nur mit Drum- beziehungsweise Bass-Tracks. Warum, und wie funktioniert das?
Wir haben uns musikalisch nie auf eine bestimmte Richtung festgelegt, aber wenn du wirklich weiterkommen möchtest, musst du nun mal Entscheidungen treffen. Der Kern von CHE SUDAKA waren immer wir drei – Leo, Sergio und ich. Wenn du andauernd unterwegs bist, bringt es nichts, wenn da Leute sind, die lieber nach Hause wollen. Also haben wir entschieden, dass die Band nur noch wir drei sind, wir haben den Computer dabei, der macht den Rhythmus. Genauer gesagt kommt der Beat auch von professionellen Musikern. Sergio ist ja auch Toningenieur, er hat die „Riddims“ im Studio zusammengebaut, Wir arbeiten dort aber auch mit DJ Kayalik von MASSILIA SOUND SYSTEM zusammen. Was dabei herauskommt, ist aber wirklich viel, viel Arbeit im Studio, nicht bloß Knöpfchen drücken.
Ein Markenzeichen von CHE SUDAKA ist das Megaphon. Was hat das für eine seltsame Faszination für euch? Der Look, der Sound? Oder ist das aus eurer Zeit als Straßenmusiker übriggeblieben?
Wenn man auf der Straße spielt, ist es wichtig, dass man den Gesang auch gut hören kann. Meistens haben wir alle zusammen im Chor gesungen, dann ging das ganz gut. Zu der Zeit habe ich aber noch viel gerappt, und das ging dann oft unter, vor allem, wenn du mit sieben Leuten zusammen spielst. Ich glaube, dass es auch wieder mal Gambeat war, der meinte: „Warum versuchst du es nicht mal mit einem Megaphon?“ Ich habe mich dann im Baumarkt umgesehen und ein kleines Megaphon mit erstaunlicher Power gefunden. Das geht leider oft kaputt, aber ich kaufe mir dann immer genau das gleiche wieder, das ist genau mein Megaphon, hahaha. Es ist tatsächlich ein Relikt aus unserer „Busking“-Phase, aber wir setzen es immer noch oft live oder auf den Platten ein. Nun schläft es allerdings in Barcelona. Für diese Tour habe ich es nicht mitgebracht, obwohl es unsere musikalische „Geheimwaffe“ ist.
Einige Jahre habt ihr in Spanien als „illegale“ Immigranten gelebt. Was denkst du über die gegenwärtige Migrationskrise. Existiert sie überhaupt?
Wir kommen aus Südamerika, Leo und ich aus Argentinien, Sergio aus Kolumbien, und haben vier Jahre ohne Papiere in Spanien gelebt. Natürlich haben wir versucht, unseren Aufenthaltsstatus zu klären, aber das ist gar nicht so einfach. Überall auf der Welt ist das Thema Migration mit Rassismus verbunden. Auch in Spanien haben die Leute, die nicht die Landessprache sprechen oder andere Hautfarbe haben, Probleme, die wir zum Beispiel nicht hatten. Das ist nicht anders als etwa in Deutschland oder aber auch Argentinien. Die Leute haben Angst vor allem, was sie nicht kennen. Man redet immer über die Zukunft und wie es weitergehen wird, dabei macht die Menschheit im Moment leider einen Schritt zurück. Das ist eine sehr schwierige Frage, denn in Argentinien waren wir auch schon eine Einwanderer-Familie, denn wir stammen von europäischen Siedlern ab. Wenn ich, als ich in Europa angekommen bin, den Mund nicht aufgemacht hätte, wäre ich etwa auch als Italiener durchgegangen, die Polizei hätte mich nie angehalten, nur mein Akzent hätte mich verraten, anders als etwa bei Migranten aus Afrika. Es ist verrückt. Solange wir nicht begreifen, dass wir alle Teile einer Einheit sind, wird die Menschheit nicht gesunden.
Das wohl unbegeistertste Puklikum von CHE SUDAKA ist in einem YouTube-Video zu sehen. Ihr spielt eine akustische Version von „La risa bonita“ zusammen mit Manu Chao, sitzt dabei auf einer Mauer in einem Park vor einer Handvoll kleiner Kinder, die allesamt beinahe verängstigt wirken. Was ist da passiert?
Das war alles gar nicht geplant. Wir haben uns nur im Park getroffen, um mit Manu und ein paar Freunden Fußball zu spielen. Vorher haben wir eben ein bisschen zusammen musiziert und jemand packte die Kamera aus. Mehr und mehr Leute stießen dann dazu, und viele Eltern setzten ihre Kinder direkt vor uns ab. Das gefiel denen nicht so gut, die wollten lieber spielen, deswegen wohl ihre etwas reservierte Reaktion, hahaha.
Was wird in der näheren Zukunft noch von euch zu erwarten sein? Neues Material, neue Pläne, große Enthüllungen?
Uns ist wichtig, dass wir in der Gegenwart leben. So etwas wie die Zukunft existiert nicht, das ist nur eine Imagination, wie es sein könnte. Ihr einziger Zweck ist es, dein Leben schrecklich zu machen, denn damit setzt du dich unter Druck. Stell dir ruhig vor, was sein wird, aber das Leben fällt die Entscheidungen. Zwei Wochen vor der Tour hat sich zum Beispiel meine Frau von mir getrennt, das hätte ich mir auch nicht vorstellen können. Das Leben geht weiter, und wir haben auf vieles eben keinen Einfluss. Wie auch immer, wenn du lebst, hast du Hoffnung. Wenn du Hoffnung hast, machst du dein Leben besser. Aber du musst lernen, dass du im Flow mit dem Leben bist. Das Leben ist dein Boss und dein Lehrer.
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