Die Oldenburger setzen auf Oldschool-Hardcore mit reichlich Schmackes. Hart, ruppig und direkt: so fallen sowohl die Musik als auch die Texte der Stücke von „Beware Of The Underdogs“ aus.
Für Frontmann Anselm ist es eine Selbstverständlichkeit, klare Positionen zu beziehen und lautstark zu stänkern: „Ich bin grundsätzlich angepisst“, sagt der Niedersachse. „Das hat mit unserer Gesellschaft zu tun. Musik ist das beste Ventil, um seinem Missmut Gehör zu verschaffen und anderen seine Sicht der Dinge um die Ohren zu schmettern. Unsere Gesellschaft braucht immer jemanden, der Probleme aufzeigt, anspricht und sie öffentlich anprangert. Ich bin seit Jahren im Gesundheits- und Sozialwesen tätig. Wenn ich an die letzten drei Jahre zurückdenke, mir den Hass vor Augen rufe und sehe, wie viel beschissener alles geworden ist, verstehe ich Musik für mich als Katharsis. Päckchen loswerden und auf Probleme zeigen. Auf unseren Shows ist zwar oft ordentlich Action, aber am Ende wird sich umarmt und lieb gehabt. Darum sollte es doch gehen, oder?“ Wohl wahr. Der Sänger, der auch bei JAPANISCHE KAMPFHÖRSPIELE und SHOCKGNOSIS mitmischt, ist froh, dass „Beware Of The Underdogs“ endlich erscheint: „‚Dank‘ der Corona-Pandemie hatten wir tierisch viel Zeit für die Platte und dachten, dies sei eine gute Idee. War ’ne Scheißidee. Wir haben gemerkt, dass uns Deadlines und fokussiertes Arbeiten besser zu den gewünschten Zielen führen. Natürlich haben wir viel ausprobiert. Ob das im Nachhinein nötig war, bleibt offen. Mit dem Ergebnis sind wir absolut zufrieden. Zu einigen der Songs entwickelt man über so eine lange Zeit mehr Abstand. Andere mussten oder müssen nach dem Recording-Prozess noch gelernt werden. Da wird es dann noch mal spannend.“
Das Debüt von BY A STORM kommt variabel, hinterlässt einen insgesamt fokussierten Eindruck und birgt auch Überraschungen: „Mit unseren Songs verarbeiten wir viel“, erzählt Anselm. „Die letzten Jahre waren kritisch. Corona hat alles auf die Spitze getrieben und die Weltpolitik lässt auch zu wünschen übrig. Somit gibt es viel zu kritisieren. Bei ,Hatesquad‘ arbeite ich zum ersten Mal mit deutschen Textelementen und thematisiere die Lagerbildung während der Pandemie und wie alle vom Extremismus und Hass zerfressen wurden. Grundsätzlich zählt das eigene Meinungsbild, sonst keines. Gesprächsführung sowie Zuhören sind für viele unmöglich geworden. ,Believe‘ und ,I defy‘ sind ältere Songs, mit denen ich meinen Burnout verarbeite. Was immer gilt: musikalische Breite bedingt sich durch die unterschiedlichen Charaktere der Band. Sich auf etwas zu begrenzen, hemmt die Kreativität. Wichtig bleibt, nur das aufzunehmen, was du kannst.“ Die deutschsprachigen Textzeilen fallen auf, doch der Frontmann vermag noch nicht abzuschätzen, ob oder wie es damit weitergehen kann: „Da heute jeder tolerant intolerant und Rassist ist, ist Deutsch als Sprache in diesem Song schon lustig und thematisch passend sowie kraftvoller als Englisch. Bestimmt spiele ich noch mal mit Sprachen. Es fühlt sich nicht falsch an. Lass uns das aber im nächsten Interview tiefer besprechen, wenn ich den Song mal live gespielt habe.“
Der Titel des Debüts der Oldenburger – „Beware Of The Underdogs“ – weckt eine lose Assoziation, die Anselm jedoch direkt einkassiert: „Nein, der Titel ist nicht an TERROR angelehnt“, stellt der Sänger klar. „Habe den Bezug bis dato auch nicht gesehen. Wir sind alle Underdogs, die sich durch das Leben beißen und Erlebtes schlucken müssen. Wichtig sollte sein, dass man Probleme gemeinsam löst. Egal, auf welcher Seite man steht. Nur so kommt man sinnvoll zum Ziel.“ Mit dieser Stoßrichtung positionieren sich BY A STORM in bester Hardcore-Tradition, was auch musikalisch passt: „Der Hardcore ist zwischen all den Genres wohl die Schublade, in der wir uns am besten zurechtfinden“, stimmt der Oldenburger zu. „Privat hören wir alle verschiedene Sachen. Unser Schlagzeuger Alex ist mehr im Pop/Punk unterwegs, Gitarrist Messi im Death Metal und ich im Black Metal. Bassist Nick ist noch am tiefsten von uns allen im Hardcore verwurzelt. Grundsätzlich gilt bei uns aber, dass wir das machen, worauf wir Bock haben.“ Seine Szene beobachtet der Frontmann durchaus kritisch: „Ich persönlich finde die meisten Hardcore-Bands bumslangweilig. Alle kopieren sich und machen nichts Neues. Im Underground waren zuletzt ASH RETURN, EYES OF TOMORROW und NO SHELTER die Bands, die ich gerne höre. Sonst würden mir noch GET THE SHOT und PORTRAYAL OF GUILT einfallen. Bei weiteren Bands würde ich dann doch zu sehr in den Crossover oder Grind abdriften. Für Alex setzen TURNSTILE neue Impulse. Ich höre die nicht. Nick wird wohl ausflippen, wenn er das hier liest. Schade ist, dass viele im Genre die Fahne der Hardcore-Family so hochhalten, sich aber hinter der Bühne wie die letzten Idioten verhalten. Häufig passen da gezeigte und gelebte Attitüde nicht zusammen.“
Die Musiker aus Niedersachsen geben sich so, wie sie sind: „BY A STORM sollte von Anfang an eine Hardcore-Band werden“, bekräftigt Anselm die Ausgangs- und existente Motivationslage. „Natürlich kannten wir viele musikalische Gesichter hier aus der Umgebung, aber wir haben den Fokus ganz klar auf die freundschaftliche Basis gesetzt. Du kannst nicht im Auto Spaß mit einem militanten Veganer haben, während du dir Muttis Hackfleisch-Buletten reinpfeifst. Es geht immer um Toleranz. Wir alle sind Menschen und haben unterschiedliche Auffassungen vom Leben. Nichtsdestotrotz respektieren und wertschätzen wir uns gegenseitig. Der eine ist Vegetarier. Der andere trinkt keinen Alkohol. Wir labern uns nicht gegenseitig in unsere persönlichen Ansichten rein. Es zählt nur der Grundgedanke, der die Band zu der macht, als die sie heute dasteht: wirkliche Freundschaft.“ Wie ernst das gemeint ist, spürt man auch durch das Anliegen, das der Sänger von BY A STORM abschließend formuliert: „Redet mehr miteinander! Nur weil jemand anderer Meinung ist, muss es kein Unmensch sein. Unsere Gesellschaft zerfällt, wenn wir weiter Schubladen schieben, anstatt Probleme sinnvoll zu benennen und zu lösen. Glaubt nicht alles, was euch hingeworfen wird. Nutzt euer Gehirn!“
© by Fuze - Ausgabe #100 Juni/Juli 2023 und Arne Kupetz
© by Fuze - Ausgabe #100 Juni/Juli 2023 und Arne Kupetz
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #168 Juni/Juli 2023 und Roman Eisner
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