Wer bei „Chicago Sound“ ausschließlich an Jazz, Blues, Rock’n’Roll und Chess Records denkt, hat den Produzenten und Toningenieur Iain Burgess nicht auf dem Schirm. Als Mentor von Steve Albini formte er eine klanglich ausgewogene Mischung aus melodischen und lärmigen Elementen, die in den frühen Neunzigern schließlich den Mainstream erobern konnte. So gesehen würden BUZZ RODEO klanglich eher nach Chicago als nach Stuttgart gehören, was auch deren Schlagzeuger Helge Gumpert durchblicken lässt.
Helge, ihr seid in Stuttgart zu Hause und dort teilweise auch schon seit Jahrzehnten aktiv. Vor kurzem gab es ja einen kleinen Stuttgart-Hype, versteht ihr euch als Teil der heutigen Szene dort?
Du meinst wahrscheinlich vor allem DIE NERVEN. Von denen höre ich jetzt gar nichts mehr, die haben nur noch Soloprojekte. Und die haben das ja so ein bisschen getragen, dieses Stuttgart/Seattle-Ding oder wie auch immer man das genannt hat, und da haben wir nie mitgespielt. Wir sind einfach eine andere Generation, wir machen das schon eine ganze Weile, was man unserer Musik nicht unbedingt anhört, haha. Ich will jetzt nicht besonders betonen, dass wir schon etwas älter sind, aber es auch nicht verstecken. Ich finde eigentlich, dass es keine richtige Stuttgarter Szene gibt. Es ist damals in gewissen Kreisen ein bisschen was entstanden, das ist alles so in dem NERVEN-Umfeld passiert. Es war aber, als wir mit BUZZ RODEO aktiver wurden, auch fast schon wieder vorbei. Wir haben zwar in unseren Anfangstagen Ende 2014 auch eines unserer ersten Konzerte mit den NERVEN gespielt, danach hatten wir aber eigentlich nichts mehr miteinander zu tun.
Wo siehst du eure Wurzeln?
Von der Herangehensweise her würde ich Dischord auf jeden Fall als mein persönliches Referenzlabel anführen. Aber auch Touch And Go war und ist ein großer Einfluss. Das sind jetzt natürlich beides Labels, die schon etwas in die Jahre gekommen sind und nicht mehr viel von der Musik rausbringen, die ich da eigentlich gut fand. Bei Dischord wird der ganze Backkatalog ja jetzt veröffentlicht, alles auf bandcamp, man kann sich das anhören, aber viel neue Sachen passieren leider auch nicht mehr.
Inzwischen seid ihr auf Antena Krzyku untergekommen, ein Label, das ja in polnischen Szenekreisen Kultstatus genießt. Wie kam es dazu?
Sicherlich ist es auch ein Ergebnis unseres Tourens, dass Arek, der Labelmacher, auf uns aufmerksam wurde. Wir haben uns einfach sofort gut miteinander verstanden. Antena Krzyku ist ja eines der ältesten polnischen Indielabels, wurde 1984 noch zu Sozialismuszeiten unter widrigen Umständen gegründet. Als wir dann mit der Antena Krzyku-Band PERU, die Arek auf Tour begleitet hat, ein paar Konzerte in Belgien gespielt haben, haben wir festgestellt, dass wir total auf einer Wellenlänge sind. Er lässt uns absolute Freiheit bei allem. Und er wird zur Zeit auch wieder aktiver, er will es noch mal wissen. Sowohl in Sachen Mailorder als auch mit seinem Label.
Ihr arbeitet schon an einem neuen Album und wollt im französischen Black Box Studio aufnehmen.
Ja, das Studio ist, was Underground und Punk angeht, teilweise auch Metal und Rock, einfach eines der besten Europas. Früher hat Iain Burgess da natürlich aufgenommen, jetzt ist Peter Deimel der Betreiber, Steve Albini hat auch schon häufiger dort gearbeitet. Das ist an sich ja schon mal sehr reizvoll. Wir wollen auf jeden Fall immer live einspielen und ich kenne in Europa kein zweites Studio, das dafür ähnlich gut geeignet wäre. Wir kämen unserem Soundideal dort ziemlich nahe, da sind wir uns sicher. Wir wollen in diesem Studio versuchen, differenzierter zu klingen, aber trotzdem kraftvoll und diesen speziellen Chicago Style mit Peter Deimels Unterstützung optimal hinzubekommen. Wir wissen, was wir wollen, und der Mensch, der das Studio betreibt weiß es eben auch, da braucht man nicht groß zu experimentieren. Außerdem wird dort noch analog gearbeitet, das ist uns ebenfalls sehr wichtig. Wir spielen mit ganz klassischem Equipment, Fender-Gitarre und Bass, Marshall-Amps, große Toms, schöne schwere Becken .Wenn wir spielen, muss es auch laut sein, aber es muss auch einen differenzierten Sound haben und hörbar bleiben. Nur Lärm ist es bei uns ja definitiv auch nicht. Es ist nicht nur Krachbrei, sondern wir haben auch melodische Elemente.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #134 Oktober/November 2017 und Anke Kalau
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