Die Bundesbank der BRD ist wahrscheinlich eine der mächtigsten, zugleich dabei aber auch unauffälligsten Institutionen in diesem unserem Staat. Grund genug, sich mit der Bedeutung der Bundesbank und ihrer 17.000 MitarbeiterInnen zu beschäftigen.
Während so etwas wie eine staatliche Notenbank bis in das 19. Jh. hinein aufgrund der Bindung des Geldes an einen festgelegten Metallwert nur eine untergeordnete, für politische Motive kaum zu nutzende Rolle spielte, änderte sich die Situation mit der Jahrhundertwende zunehmend. Geld wurde "theoretisch", d.h. ein faktischer Gegenwert war nicht mehr gegeben (Heutzutage ist ein Geldschein an sich gerade mal noch etwa 18 Pfennig wert). Die damalige Reichsbank konnte durch diese Entwicklung zu einem unmittelbaren Organ des Deutschen Reiches werden, was sich dann beispielsweise darin äußerte, daß nach verlorenem Ersten Weltkrieg die erheblichen Reparationszahlungen schlauerweise durch verstärkten Gelddruck beglichen werden sollten. Das ging natürlich gründlich in die Hose; die logische Konsequenz war die Inflation von 1923. Ein Jahr später wurde daraufhin ein neues Bankgesetz eingeführt, das der Reichsbank die Unabhängigkeit von der Reichsregierung zugestand, um so ein ähnliches Finanzchaos für die Zukunft zu verhindern. Daß des Deutschen liebster Führer diese Unabhängigkeit wieder aufhob, erscheint im Rahmen der nationalsozialistischen Herrschaftslogik nachvollziehbar, schließlich ist es nicht ganz so billig, die Welt in Schutt und Asche zu legen.
Nachdem dem Führer und seinen Untertanen das erstaunlich gründlich gelungen war, wurde in den Nachkriegsjahren die Bank deutscher Länder durch die westlichen Alliierten als vorläufige Notenbank in den jeweiligen Besatzungszonen (vom Osten abgesehen) eingeführt. Dieser Notenbank wurde von Anfang an ihre Autonomie von der Regierung gesetzlich gewährt, um so einen erneuten Mißbrauch der Notenbank durch die Regierung zu verhindern. 1957 löste dann nach lange währender Diskussion die Bundesbank die Bank deutscher Länder ab, wobei sich auch diese Diskussion in erster Linie um die Frage der Unabhängigkeit drehte, die der Bundesbank dann aber doch gewährt wurde.
Die Bundesbank ist quasi die Bank aller Banken, d.h. nicht jeder Hans kann zur Bundesbank gehen und dort ein Konto eröffnen, sondern vielmehr ist es den gewinnorientierten Geschäftsbanken überlassen, sich bei der Bundesbank Geld zu besorgen. Dabei ist es die gesetzliche geregelte Aufgabe der Bundesbank, die Währung zu sichern, also dafür Sorge zu tragen, daß die vielgeliebte D-Mark hart wie Krupp-Stahl bleibt. Dies ist auch gleichzeitig die einzige Aufgabe der Geldpolitik, andere Faktoren brauchen die Herren von der Bundesbank nicht beachten (im Direktorium befinden sich in der Tat nur Männer, na ja, Frauen können nun einmal nicht mit Geld umgehen, wissen wir ja alle). Die staatliche Wirtschaftspolitik muß dagegen immerhin noch auf außenwirtschaftliches Gleichgewicht, Wirtschaftswachstum und, zumindest definitorisch, auf einen hohen Beschäftigungsstand achten (so ist das zumindest im Stabilitätsgesetz von 1967 festgelegt; wer schreit da "Und die Umwelt?"; die Rede war auch schon einmal von gerechter Einkommensverteilung, diese Witzfloskel ist aber als zu abwegig nicht hinzugefügt worden).
Um das Ziel ihrer Geldpolitik zu erreichen stehen der Bundesbank verschiedene geldpolitische Werkzeuge zur Verfügung, wobei es natürlich in erster Linie darum geht, die Geldmenge nur in dem gerade benötigten Rahmen zu halten. Dieser Rahmen wird in erster Linie am jeweils zu erwartenden Wirtschaftswachstum bemessen. Um die konkreten geldpolitischen Mittel einmal zu nennen: dieses sind in erster Linie die Refinanzierungspolitik (über Rediskont- und Lombardkredite), die Offen-Markt-Politik, die Wertpapierpensionsgeschäfte und die Mindestreservepolitik. Diese Mittel stehen der Bundesbank zur Verfügung, um so über Herauf- oder Herabsetzen der jeweiligen Zinssätze mehr oder weniger auf das Verhalten der Geschäftsbanken einwirken zu können, d.h. gleichzeitig aber auch, daß die Bundesbank gar keinen unmittelbaren Einfluß auf den Geldmarkt hat und so auch schon einmal Dinge bewirkt werden, die in dieser Form von den "Hütern der Währung" nicht erwartet worden sind. Die anfangs erwähnte Unauffälligkeit dieser Institution liegt sicherlich u.a. in diesem nur indirekten Einfluß begründet.
Durch die Unabhängigkeit der Bundesbank ist außerdem sichergestellt, daß sich die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung und die Geldpolitik der Bundesbank auch ganz klasse mal widersprechen können, weil eben versucht wird, unterschiedliche Ziele zu erreichen.
Und hier liegt der Hund begraben: Die Bundesbank hat auf jeden Fall die Macht, mit ihren geldpolitischen Mitteln über Erfolg oder Mißerfolg einer Regierung mitzubestimmen. Denn im Gegensatz zur Bundesregierung ist die Bundesbank nicht vom Wählervotum abhängig und muß demnach nicht auf die Stimmung am Stammtisch achten.
In der Geschichte der BRD lassen sich daher auch bei fast allen Regierungs- bzw. Kanzlerwechseln Einflüsse der Bundesbank ausmachen. Zwar geschah dies in unterschiedlich starkem Ausmaß, aber die Tatsache an sich ist das Entscheidende. Beispielsweise beim Rücktritt Ludwig Erhards 1966, dem "Vater des Wirtschaftswunders": Dieser mußte lustigerweise durch das Wirtschaftswunder "Rezession", das u.a. durch die Bundesbank forciert wurde, seinen Hut nehmen, wobei hier wahrscheinlich sogar persönliche Querelen zwischen Erhard und dem Bundesbankdirektorium seit Ende der 50'er Jahre eine Rolle gespielt haben dürften. Auch der nächste Kanzler, Kurt Georg Kiesinger, hatte seinen Spaß mit der Bundesbank. Im Wahlkampf von '69 spielte u.a. die Frage der Aufwertung der D-Mark eine wichtige Rolle. Kiesinger war dagegen, SPD und Bundesbank dafür ... , tja.
Während Willy Brandt eher andere Probleme hatte, durfte sich Helmut Schmidt vor allem in der zweiten Hälfte seiner Amtszeit mit der Bundesbank herumschlagen, die auch in dieser Periode der BRD entschieden mit ihren geldpolitischen Mitteln in die Politik eingriff. 1979 bis 1981 bedeutete dies konkret: Extrem "harte" Hochzinspolitik. Diese hat auf jeden Fall wesentlichen Einfluß auf die Höhe der Arbeitslosigkeit gehabt und war einer der Hauptpunkte, an dem letztlich die Koalition der SPD/FDP zerbrach.
Mit Kohl und der CDU hatte die Bundesbank in den 80'er Jahren annähernd keine Probleme, was sich aber mit der Wiedervereinigung erheblich ändern sollte. Diese Sternstunde der deutschen Geschichte stand anfangs noch auf wackligen Füßen, und getrieben von der Angst vor den Russen (Russen essen ja nicht nur Kinder, aus historischen Gründen gäbe es für die östlichen Länder durchaus ein oder zwei Dinge gegen eine kraftstrotzende BRD zu intervenieren) wurde die D-Mark vorangeschickt, um so Großdeutschland baldmöglichst wiederauferstehen zu lassen. Aber die Bundesbank und ihre starke D-Mark fand diese Idee gar nicht so super, so daß u.a. um die Frage des Umtauschkurses heftigste Streitereien mit der Bundesregierung ausbrachen. Nun gut, die Bundesregierung setzte sich durch, die Bundesbank mußte klein beigeben (Übrigens bisher das erste Mal in der BRD-Geschichte, daß nicht die Bundesbank aus einem in der Öffentlichkeit ausgetragenen Konflikt mit der Bundesregierung als Sieger hervorgegangen ist. Das führte sogar soweit, daß der damalige Bundesbankpräsident Pöhl, nachdem er die Währungsunion vor dem Währungsausschuß des Europäischen Parlaments als "disaster" bezeichnet hatte, nicht ganz so freiwillig zurücktrat).
Seine Nachfolger Schlesinger und heutzutage Tietmeyer gelten übrigens im Gegensatz zu ihrem Vorgänger als "Kohl-nahestehend", was in zweierlei Hinsicht interessant ist: einerseits ist erstaunlich, wie gründlich Kohl es zu schaffen scheint, an allen entscheidenden Stellen der Macht ihm wohlgesonnene Menschen unterzubringen, und zum anderen wird die Zukunft spannend, denn die Frage ist, wie sich die Bundesbank konkret zur scheinbar immer näher rückenden Europäischen Währungsunion verhalten wird.
Diese Idee der Europäischen Währungsunion geistert schon seit Ende der 60'er Jahre in den Köpfen der europäischen Staatsmänner und -frauen herum, sollte 1980 gar schon verwirklicht worden sein. Das gelang zwar nicht, statt dessen wurde das Europäische Währungssystem (EWS) als ein Netz bilateraler Leitkurse geschaffen, mit dem Ziel, eine gemeinsame Währung, den ECU, zu schaffen. Dies geschah nicht, die D-Mark übernahm vielmehr die Rolle der stärksten und dominierenden Währung in Europa, sicherlich im Interesse der Bundesregierung und erst recht der Bundesbank, da diese ihren Wirkungskreis somit nicht mehr nur auf Deutschland begrenzen mußte (Kennen wir doch: Heute Deutschland, morgen die ganze Welt). Den anderen Ländern gefiel das natürlich alles nicht unbedingt so gut, die Währungsunion wurde erneut als Ziel verkündet. Der Vertrag von Maastricht '91 legt dann auch konkret als letztes Datum zur Vollendung der Europäischen Währungsunion den 1. Januar 1999 fest, allerdings nur unter gleichzeitiger Einhaltung von damals schon festgelegten Konvergenzkriterien, welche allerdings bisher kaum von den Mitgliedsländern der EU eingehalten werden konnten, wodurch dieses Anliegen insgesamt in Zweifel gezogen werden darf. Die Diskussion darüber dürfte hinreichend bekannt sein.
Sollte die Europäische Währungsunion tatsächlich kommen, wären die machtvollen Tage der Bundesbank vorerst gezählt. Aber die Bundesbank will natürlich die Finger am Abzug behalten und hat darum schon kräftig vorgesorgt: Nicht nur, daß der Aufbau der dann zu schaffenden europäischen Notenbank genau dem der Bundesbank entsprechen wird (einschließlich ihrer von den Regierungen und jeglicher demokratischen Legitimation unabhängigen Stellung), der Sitz dieser Bank soll auch in Frankfurt a.M. sein , dem jetzigen Standort der Bundesbank (Kapital verhält sich zu Kapital wie Scheiße zu Fliegen; und nebenbei: die Straße, in der die Bundesbank "wohnt", hieß bis 1967 noch "Am Diebesgrund", der Name wurde aber, warum auch immer, geändert).
Außerdem, geht mensch davon aus, das die Europäische Währungsunion tatsächlich kommen sollte, bleibt die Frage offen, welche politische Instanz dieser Europäischen Zentralbank dann gegenüberstehen würde. Wie oben schon dargestellt, hat die Bundesregierung schon immer ihren Spaß mit der Bundesbank gehabt. Entsteht jetzt auf europäischer Ebene eine Bank, der nicht einmal eine funktionierende Regierung (und die deutsche Regierung funktioniert in ihrem Sinn wirklich superklasse) gegenübersteht, herzlichen Dank und gute Nacht. Stutzig machen sollte es außerdem, daß ausgerechnet die CDU und Kohl gutgelaunt für Europa sind, auf jeden Fall wohl kaum wegen Völkerverständigung oder so was. Vielmehr geht es wohl darum, daß mit dem EURO (der Name ECU gefiel ja v.a. der Bundesbank als Europawährung nicht so, wahrscheinlich nicht deutsch genug) die Allmächtigkeit des Dollars zerstört werden könnte. Aber wie gesagt, die geldpolitische Einigung Europas steht noch auf wackligen Füßen, und es bleibt fraglich, ob sie jemals verwirklicht wird. Hinzu kommt, daß der Sinn einer Einigung auf geldpolitischer Ebene an und für sich auch heftig umstritten ist.
Insgesamt jedenfalls ist die Bundesbank ein weiteres prima Beispiel dafür, daß es in der BRD nicht darum geht und niemals darum ging, die Fahne der Demokratie besonders hoch zu halten. Und Europa, so wie es bisher geplant ist, verspricht wahrlich keine Besserung. Wenn das Vorbild auf der Ebene der Geldpolitik SCHEIßE ist, dann ist die Kopie auch SCHEIßE!
Und SCHEIßE gehört weggespült.
Gesagt sei noch: Auf Literaturangaben habe ich verzichtet, gibt es auf Anfrage. Hingewiesen sei lediglich auf die ziemlich grundlegende und ausführliche Veröffentlichung von David Marsh: "Die Bundesbank - Geschäfte mit der Macht", München 1992.
Frank Engelhardt