BRUTALER KATER

Foto

Deutsch-Norwegische Freundschaft

Wenn es um Hardcore-Punk der Alten Schule aus Karlsruhe geht, ist man in den letzten Jahrzehnten immer sehr gut bedient worden, zum einen durch die guten Konzerte im damaligen Steffi Squat, aber auch durch eine Vielzahl an Bands. Wer bis zu Corona-Zeiten gute Punkrock-Bands in Karlsruhe live sehen wollte, tat das in der Alten Hackerei, betrieben von Plüschi, der zuletzt auch mit TERRORFETT für einiges an Aufsehen sorgte. Nun hat er eine neue Band am Start, wo ich zu meiner großen Freude meinen guten alten Freund (seit 37 Jahren!), den Norweger Gunnar Nuven am Mikrofon wiederfand. Seine Vergangenheit als Sänger, unter anderem von SO MUCH HATE, möchte ich nicht unerwähnt lassen. In Kürze erscheint die erste Split-7“ gemeinsam mit MDC, was ich zum Anlass nahm, ein Interview mit Alex, Robse, Gunnar und Plüschi von BRUTALER KATER zu führen.

BRUTALER KATER ... Was läuft bei euch in Karlsruhe schief, dass es immer mit einem solchen Zustand enden muss? Ihr seid doch alle jenseits der vierzig, warum dieser Hang zur Selbstzerstörung?

Alex: Na ja, vernünftig sein war noch nie so mein Ding. Und Selbstzerstörung, ja vielleicht schon ein bisschen, aber hey – man lebt nur einmal und so macht es halt Spaß.
Robse: Stimmt, wir sind alle schon „etwas“ älter, ich bin mit bald Mitte vierzig der Jüngste im Bunde. Man kann aber auch im „hohen Alter“ ordentlich auf die Kacke hauen, was aber mehr dem Spaß und der Leidenschaft und weniger der Selbstzerstörung geschuldet ist. Klar, die Knochen tun schon weh mittlerweile.
Plüschi: Der brutale Kater ist meistens das Ergebnis einer fantastischen Party oder eines denkwürdigen Abends und ohne solche Nächte würde ich mich auch heute nicht sehr wohl fühlen auf dieser Welt.
Gunnar: Warum? Kann ich nicht genau sagen, aber das ist die letzten 45 Jahre ein Teil meines Lebens gewesen und daran wird sich auch nix ändern.

Bei neuen Bands möchten die Leute gern ein paar Gossip-Daten über den bisherigen Werdegang der Beteiligten wissen, also welche gescheiterten Existenzen tummeln sich bei BRUTALER KATER?
Alex: Zu mir gibt es nicht viel zu sagen. Vielleicht, dass ich vorher zusammen mit Plüschi bei TERRORFETT gespielt habe, ansonsten gibt es nichts von Relevanz.
Robse: Ich bin ganz gut rumgekommen, da war alles dabei von Ska mit SKASTADT über Hardcore mit POLE* bis Crust mit FLEISCHKREUZER und Punkrock mit MADSTATEWORLD. Ich habe eine große Schwäche für Roggenmischbrot und ich habe als Einziger bei BRUTALER KATER keine Tätowierung. So richtig Gossip ist das jetzt nicht, nä?!
Plüschi: Gescheitert an Corona, das ist meine Existenz! Mit 53 hat man ein paar Bands hinter sich gebracht, aber das Tolle an BRUTALER KATER ist für mich, mit Gunnar und Alex und Rob wieder eine geile neue Band zu haben.
Gunnar: FEBER, SVART FRAMTID, KAFKA PROSESS, SO MUCH HATE, CROSSBREED, 6000 CRAZY, BONE IDLES ... und ’ne Menge Selbstzerstörung.

„Brutal“, eigentlich sagt man das eher in Mannheim und der Kurpfalz. Warum wagt ihr Karlsruher Dösköppe euch, diese Zustandsbeschreibung zu verwenden? Habt ihr keine Ehre?
Plüschi: Ehre, was ist Ehre? Brutal ist Karlsruhe!
Gunnar: Genau, so sagen wir das in Norwegen auch.
Alex: Hmm, nee, das sagt man in unseren Gefilden auch. Wir haben uns echt ein bisschen schwer getan bei der Namensfindung und dann waren wir auch in Zugzwang, weil wir bei so einer Soli-Platte mitgemacht haben und die wollten natürlich einen Namen. So war es wohl das Schicksal, das Gunnar in unseren Proberaum stolpern ließ und die Worte sagen, während er sich mit schmerzverzerrtem Gesicht den Kopf hielt: „Brutaler Kater ...“
Robse: Wie Alex sagt, es war ein eher „pragmatischer Ansatz“ – und sehr passend, hahaha!

Es ist immer fragwürdig, wenn man eine Band als die „von Sänger XY“ vorstellt. Das diskriminiert doch den Rest der Mitglieder. Ich denke, Gunnar macht auch Gewese draus, in welchen legendären Bands er früher alles war. Ist es dennoch ein Problem für die anderen, dass Gunnar bei einigen rückwärts orientierten Heinis als Lichtgestalt gelten könnte?
Plüschi: Das ist doch wunderbar. Gunnar ist auch für mich eine Lichtgestalt. Alter Kumpel, Rockstar, Punk. Gunnar hat eine sehr einflussreiche Vergangenheit in der Hardcore-Punk-Bewegung und hat auch uns in der Musik mit geprägt. Einige seiner alten Bands zählen immer noch zu meinen Lieblingsbands.
Alex: Nee, ist es nicht. Klar hat der Gunnar einen Ruf, einen wohlverdienten, aber er selbst lässt keine Allüren raushängen und wir haben damit keine Probleme. Eigentlich ist es sogar ziemlich geil. Wer hätte nicht gerne den geilsten Sänger der Welt in der Band, hahaha.
Robse: Wir haben vergangenes Jahr im Herbst zwei Konzerte gespielt. Da waren wir auf und neben der Bühne eher eine brutal eingeschworene Einheit, als dass hier jemand besonders hervorsticht. Unterm Strich wird ja Musik nicht besser oder schlechter, weil das die neue Band von XY ist. Da hängt man ja den Arsch höher, als man vielleicht scheißen kann – und dann geht’s in die Hose. Muss ja selbst lachen ... Gunnar hat einfach eine großartige Ausstrahlung auf und neben der Bühne und ich bin schwer verliebt. Am Ende leisten vier Leute ihren Beitrag zu BRUTALER KATER und das muss man auch so beurteilen und wertschätzen.

Die Vergangenheit ist wie ein großes Meer, das man nicht mehr überqueren kann. Also drauf geschissen. Was kickt euch alle, was ihr heute mit eurer Band in der Jetztzeit erreichen wollt?
Alex: Wir sind Punks und meckern gerne. Was gibt es Schöneres, als wenn man das Ganze dann noch musikalisch unterstreichen kann. Außerdem habe ich die geilsten Menschen in der Band, die man sich nur vorstellen kann. Ziel erreicht.
Gunnar: Alex hat es perfekt auf den Punkt gebracht! Da muss ich nichts hinzufügen ...
Plüschi: Mich kickt eigentlich jede Probe. Ich liebe es, Songs zu machen, und wenn dann Gunnar dazukommt, gibt es noch mal einen unglaublichen Energieschub, dass ich fast vom Schlagzeughocker in den Orbit katapultiert werde. Nee, ehrlich, es geht um viel Energie und irgendwie stehen da vier Menschen im Proberaum, die Bock haben, was Geiles auf die Beine zu stellen. Etwas erreichen ist da kein Thema. Natürlich wollen wir auch gerne in geilen Punkschuppen spielen und freuen uns, wenn unsere Tonträger von Leuten gekauft werden.
Robse: BRUTALER KATER sind ein sehr stimmiger Haufen von „Typen“ – das kickt ordentlich und motiviert alle. Was wollen wir erreichen? Ich verspreche mir durch BRUTALER KATER einen flachen Bauch und endlich wieder volle Haare! Das wäre schon klasse, wenn das klappt! Gut, das war jetzt sehr egoistisch ...

Ihr habt eure Band BRUTALTER KATER zu einem Zeitpunkt gegründet, als Corona mit aller Macht zum Tragen kam. Lockdown und alle weiteren möglichen Einschränkungen, wodurch viele Bands, die es schon seit langen Jahren gibt, Probleme haben, überhaupt zu überleben. Ihr dagegen habt es geschafft, eine Band zu gründen, jede Menge Songs zu schreiben, habt trotzdem eure ersten beiden Konzerte gespielt und nun kommt auch noch eure erste Split-7“ raus. Obwohl ihr alte Säcke seid, kommt ihr mir gerade rüber, als ob ihr junge Spritzer seid, wo alles raus muss, was geht ... Habt ihr nichts anderes zu tun?
Alex: Old Punks never die, heißt es doch so schön. Da kann kommen, was will, und das hat absolut nichts mit dem Alter zu tun. An meiner Einstellung von damals, als ich noch ein junger Spritzer war, hat sich grundsätzlich nicht viel verändert. Punk ist Energie und macht kreativ. Es gibt ganz viele Dinge auf der Welt, die ich hasse und ein paar Dinge, die ich liebe. All das braucht ein Ventil und nein, ich habe nichts Besseres zu tun.
Gunnar: Lockdowns, Ausgangssperren, wenig bis keine sozialen Kontakte, keine Konzerte ... dazu kommt der übliche Scheiß, der da draußen in der Welt abgeht. Nein, ich habe wirklich nichts anderes zu tun. Und mit dieser brutal geilen Bande macht’s einen Haufen Spaß!
Robse: Wie schon eben gesagt: flacher Bauch und volles Haar, das treibt an! Spaß beiseite – es läuft einfach gut, trotz aller widrigen Umstände. Wir sind hungrig und da räumt man auch so ein Monster wie Corona und all den anderen Kack mal aus dem Kopf und arbeitet an Songs und freut sich einfach mal ganz demütig und hat Spaß. Wir nehmen die Energie mit, die uns trägt, und da gibt es viel Output, viele Ideen – klar, das wollen wir alles raushauen! Das merkt man auch an unseren Songs. Dazu passt es einfach wirklich auch menschlich sehr gut, jeder bringt sich ein, jeder trägt auch mal den anderen und am Ende ist das dann eben brutal! Zum Thema alte Säcke: Lass dich nicht durch unser Alter täuschen. Wenn Plüschi einen Flick-Flack-Salto hinter seinem Drumset macht, da kann man auch nur ehrfürchtig Beifall klatschen. Aber ich habe auch immer Voltaren Forte im Koffer.
Plüschi: Ich habe tatsächlich leider nicht mehr so viel zu tun wie vor Corona, das ist meinem Beruf als Kulturschaffender geschuldet. Aber stimmt, irgendwie haben wir einen guten Drive und das läuft sehr gut mit dem Stücke schreiben. Allerdings dauert der zweite Lockdown so lange, dass wir auch meistens nur zu zweit proben und Stücke schreiben, aber als Band leider nicht so richtig. Wir sind auch vorsichtig, vor allem mit dem Flick-Flack.

Es wird jetzt eine Split-7“ von euch mit MDC erscheinen. Wie ist es zu dieser Kooperation mit dieser uralten US-Hardcore-Band gekommen?
Alex: Tobi von Twisted Chords hat schon ein paar Mal was mit MDC gemacht und als der Dave von MDC den Tobi gefragt hat, ob er eine Split-7“ rausbringen will mit einer europäischen Punkband, dachte er gleich an uns. Ist halt ein lässiger Typ.
Plüschi: Ja, Tobi ist super. Das war mal wieder Glück!

Texte? Inhalt ...? Kommen die allesamt von Gunnar allein oder macht ihr ein Plenum am Tresen und haut euch gegenseitig eure schönsten Textvorschläge um die Ohren? Ist bestimmt von Vorteil, wenn Gunnar euch die Texte auf Norwegisch vorträgt und um kritische Rückmeldungen bittet ...
Alex: Bis jetzt ist alles von Gunnar, aber nicht, weil er da drauf besteht, sondern weil wir noch nichts gebracht haben. Es wird in Zukunft auch den einen oder anderen Text auf Deutsch geben, dann sind wir dreisprachig.
Robse: Ich stehe total auf dieses Norwegen-Ding und Gunnar erklärt ja auch immer, um was es in seinen Texten geht. Ich beherrsche das überhaupt nicht – also dieses Norwegisch. Texte schreiben kann ich auch nicht. Das passt alles so für mich.
Plüschi: Bei mir hat Gunnar textlich immer vollstes Vertrauen. Ich finde, er schreibt schon immer fantastische Texte. Jetzt ist es ja auch noch so, dass wir auf Norwegisch im Background singen müssen, das ist lustig. Ich mag es sehr, wenn Gunnar norwegisch singt und norwegisch textet.

Plüschi, du bist nicht nur Drummer von BRUTALER KATER, sondern auch seit langen Jahren der Betreiber eines der geilsten Subkultur-Clubs im Ländle, der Alten Hackerei in Karlsruhe. Alles, was Rang und Namen hat, hat in den letzten zwei Jahrzehnten bei dir gespielt. Wie sieht es aktuell mit deinem Laden aus?
Plüschi: Tja, was soll man sagen, es ist zum Heulen. Diese Perspektivlosigkeit im Moment ist extrem nervig und man hat das Gefühl, man sitzt in einem Loch, das man sich nicht selbst gegraben hat. Zu Beginn der Pandemie war ich sehr zuversichtlich und habe viele Entscheidungen mitgetragen, mittlerweile verzweifele ich mal wieder am Kapitalismus. Kultur spielt keine Rolle, Hauptsache, die Wirtschaft läuft. Das ist scheiße und alles mit Restriktionen zu unterdrücken, ist ganz schlechter Stil und ist gelenkt ohne Ideen. Und auf der anderen Seite hast du auch noch dieses Esoterik- und Nazi-Konglomerat, die sich herausnehmen, über allen zu stehen, und die Politik lässt sie gewähren.

Was kann man tun, um deinen Laden zu supporten? Ich habe gehört, dass ihr euch einiges habt einfallen lassen, damit die Leute nicht die Lust an deinem Live-und-ich-betrink-mich-gerne-Club verlieren.
Plüschi: Wir haben viele Aktionen gemacht mit Soli-Verkäufen und Spendenaktionen. Unser Publikum und Bands, die bei uns gespielt haben, und Leute, die die Hackerei kennen, haben uns alle wahnsinnig großzügig unterstützt. Das ist wirklich der Hammer, wie viel Solidarität von den eigenen Leuten da ist, davon könnte sich die Stadt Karlsruhe mal eine Scheibe abschneiden, haha. Also im Moment ist es immer noch Geld, das zählt, um durch diesen Scheiß durchzukommen und ihr könnt entweder Merch in unserem Onlineshop kaufen – altehackerei.bigcartel.com – oder hier spenden: de.gofundme.com/f/alte-hackerei-forever-2. Oder schreibt uns unter info@altehackerei.de!

Wie sehen eure Pläne für die Zukunft aus?
Plüschi: Platte machen, live spielen, Corona vergessen und mit alten Freunden ordentlich einen im Punkrock-Schuppen heben.
Alex: Wir gammeln weiter vor uns hin und wenn wir mal wieder regelmäßig proben können und unsere Lieder sitzen, dann bannen wir die auf eine LP.