Mein erster Kontakt mit BRATZE aus Hamburg liegt mittlerweile schon über ein Jahr zurück. Damals empfahl mir einer meiner trendbewussten Freunde dieses Projekt von Norman Kolodziej, auch bekannt als DER TANTE RENATE, und Kevin Hamann, den viele als CLICKCLICKDECKER kennen. Ironischerweise schlug ich die damalige Empfehlung nach dem flüchtigen Antesten von ein paar Songs mit der Begründung aus, dass mir das Ganze zu sehr nach „Neue Deutsche Welle“ klingt. Hätte ich schon damals die Songs länger als eine halbe Minute laufen lassen, wäre das aktuelle Debütalbum „Kraft“ wohl ob der Dauerrotation mit meiner Anlage verschmolzen. So musste ich bis zur Veröffentlichung der Split-10“ mit ESCAPADO und PETERS. warten, bis mir die Augen geöffnet und meine – an den Spitzen wegen der guten Songs schon abgewippten Sneaker – nicht mehr stillstehen werden. Schon 2007 verschmolzen Kevin, der Indie-Songwriter, und Norman, der Elektrotüftler, also ihre Stärken zu einer Band. In Hamburg sind die Wege offenbar kurz und so dauerte es dann nicht lange, bis „Kraft“ im Kasten war. Die Songs tragen Titel wie „Im Auge des Lachs“, Hightowers Herz“ oder „Jean Claude“ und werfen Fragen auf, die mir Norman am Telefon beantworten musste.
Norman, klär mich doch bitte auf über deine musikalische Vergangenheit und deren Einfluss auf BRATZE.
Früher haben Kevin und ich schon in Hardcore-Bands gespielt und deswegen benutzen wir die Gitarre genauso oft in unserer Musik wie Keyboards. Schon damals habe ich mich aber auch neben dem ganzen Hardcore-Zeugs wie DEADGUY für diese Computerspielsounds vom C64 interessiert. So kam es dann, dass ich nach dem Ende meiner damaligen Band mit DER TANTE RENATE meine ersten eigenen Erfahrungen mit Elektro gemacht habe. Kevin hat ja CLICKCLICKDECKER und irgendwann haben wir beide uns auf einem Konzert von Kevin, wo ich die Vorband war, kennen gelernt. Lars von Audiolith, unserem Label, hielt es dann für eine gute Idee, uns beide, also Kevin und mich, auf ein gemeinsames Projekt anzusprechen. So fing das mit BRATZE damals an.
DER TANTE RENATE kommt bis jetzt ohne Worte aus. War die Rollenverteilung bei BRATZE sofort klar? Kevin schreibt die Texte und du kümmerst dich um die Musik?
Das könnte man meinen. So ist es aber nicht. Kevin hat ein gutes Händchen für Beats und kann auch sehr coole Knartz- und Quietsch-Sachen machen. Dazu kommt, dass er die Texte schreibt. Was die Beats und den Klang angeht, mache ich eine ganze Menge. Wir ergänzen uns da wirklich gut. Nebenbei sind wir bei vielen anderen Dingen auch einer Meinung, was für eine Band ja sehr wichtig ist. Es gibt so eine Art Grundübereinkunft über politische Dinge und so Zeugs und da vertrau ich Kevin bei seinen Texten auch vollkommen.
Die Texte sind allerdings sehr kryptisch. Es scheint, als hätten sie nur eine zweitrangige Funktion bei euch.
Wir verarbeiten mit BRATZE und auch unseren eigenen Bands das, was wir so erleben. Auf „Kraft“ sind die Texte wirklich sehr kryptisch und eigentlich weiß auch nur Kevin, was er in ihnen ausdrücken will. Die Texte sind sehr persönlich, so viel kann ich zumindest sagen.
Wie kam er zum Beispiel zu dem Text von „Jean Claude“, eurem allerersten Song, den ihr schon vor zwei Jahren aufgenommen habt?
Dieses „Machen Sie diese Zeilen im Bedarfsfall frei“ kommt von dem Aufkleber über den Behindertensitzen in Bussen. Eigentlich steht da natürlich, dass man aufstehen und sich woanders hinsetzen soll, sollte den Platz jemand benötigen. Auf unsere Musik übertragen, soll das bedeuten, dass man diese Zeilen auch einfach löschen, auswechseln kann, wenn man möchte.
Wie kam es denn zu euren Remixen und der Beteiligung an der Split-10“ mit ESCAPADO und PETERS.?
Die Verbindung zu ESCAPADO entstand über mich: Ich half den Jungs beim Mixen ihres letzten Albums „Initiale“, weil deren Mischer wegen eines Bandscheibenproblems nur noch auf dem Rücken liegend Kommandos geben konnte. Der Kontakt zu PETERS. entstand über Kevin. Wir hatten schon einen Remix von denen fertig, als es hieß, dass ESCAPADO und PETERS. eine Split-10“ machen wollten. Sebastian von ESCAPADO fragte dann, ob wir sie nicht auch noch was remixen wollten, und letztendlich sind wir dann mit zwei Songs am häufigsten auf der Split-10“ vertreten.
Ihr habt daneben eine Single, „Waffe“, und ein Album veröffentlicht. Nun stehen bei CLICKCLICKDECKER und DER TANTE RENATE erst mal wieder neue Alben und Tourneen an. Wie geht es denn dann mit BRATZE weiter?
Da uns die ganze Sache soviel Spaß gemacht hat, wir beide uns klasse verstehen und es auch bei den Leuten gut ankommt, werden wir uns wohl im Herbst nach der, wie wir sie nennen, großen Pause treffen, um neue Sachen für BRATZE zu machen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #82 Februar/März 2009 und Sebastian Wahle
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #89 April/Mai 2010 und Carsten Vollmer