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Oi!-Punk mit Bläsern

Eine neue Band aus der Hauptstadt mit Mitgliedern von OXO 86 und OFFENDERS macht verstärkt von sich reden. Die sechs Jungs haben sich dem Oi!-Punk mit Bläsern verschrieben, und unterfüttern diesen mit aussagekräftigen deutschen Texten. Bereits im März erschien bei Sunny Bastards das selbstbetitelte Debüt-Album der Berliner. Wir sprachen mit Sänger Björn.

Ihr habt nun endlich eure ersten Konzerte absolviert. Wie hat euch das Publikum aufgenommen?


Ehrlich gesagt haben wir bislang nur zwei Konzerte spielen können. Dabei durften wir NOI!SE aus Seattle und DISTEMPER aus Moskau supporten, für die natürlich auch der Großteil der Leute da war. Trotzdem haben wir bereits den einen oder anderen Insider gesichtet und wohlwollend zur Kenntnis genommen, gerade beim zweiten Gig ging da vor der Bühne schon einiges.

Ihr stammt alle aus unterschiedlichen Bands, wie hat sich das jetzt ergeben, wer kam von wo, und gab es einen Zufall, der die Sache ins Rollen brachte?

Valerio und Checco spielen bei den OFFENDERS und BREW 36, Chris bei OXO86, Tobi bei LES CALCATOGGIOS und Daniel bei ABBRUCH. Ich bin außerdem bei NORDWAND für die Texte und deren Wiedergabe verantwortlich. Chris und Valerio haben sich vor ein paar Jahren beim This Is Ska-Festival kennen gelernt. Kurze Zeit später wurde ich von Daniel, der inzwischen von Chris rekrutiert worden war, telefonisch als Sänger angeworben. Er sagte, glaube ich, nur irgendwas wie: „Bock auf ein Projekt mit OXO86, Trompete, meine Wenigkeit am Bass und dazu noch zwei OFFENDERS-Mitglieder?“ Bei einem Bandprojekt mit diesem immensen Potenzial – erfahrene Musiker, die sich innerhalb der Szene bereits einen Namen machen konnten und gewisse Erwartungen hervorrufen, treffen auf ein Konzept, das komplett überraschen würde – musste ich nicht lange überlegen. Die Chemie zwischen uns stimmte, und nachdem Tobi dann unseren lustigen Haufen komplettierte, war endgültig klar, dass es sich gelohnt hat, Valerios Idee vom This Is Ska einfach umzusetzen.

Du schreibst die Texte, Valerio die Musik, eine Arbeitsteilung, die klar strukturiert wirkt. Ist den anderen das auch so recht?

Muss es, wer aufmuckt, fliegt raus! Na ja, ganz so diktatorisch läuft es bei uns auch nicht. Jeder Einzelne bringt sich und seine Ideen ein, aber Valerio schafft das musikalische Grundgerüst, mit dem wir dann arbeiten. Und auch bei den Texten hat der Rest ein Mitspracherecht. Nur verfasse ich diese so hervorragend, dass bisher niemand den Bedarf hatte, sich mit einzubringen.

Über die Texte kann man sich euch am besten erschließen, deshalb einige Fragen dazu. In „Working Class“ heißt es auffordernd „Steh mal auf und kämpf für was“. Was ist damit konkret gemeint, sich gewerkschaftlich organisieren, auf Demos gehen?

Okay, ich lass jetzt einfach direkt die Bombe platzen: Ich habe mir bei den meisten Texten im Vorfeld kaum Gedanken gemacht, in welche Richtung es gehen soll. Stattdessen habe ich munter drauflos geschrieben, meist über Sachen, die mich schon lange angekotzt haben. Dazu gehören unter anderem auch Leute, die sich für Mindestlohn ausbeuten lassen und sich dennoch für etwas Besseres halten. Der Text von „Nicht das Volk“ geht an die Adresse der PEGIDA-Demonstranten und lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Nur hören die Angesprochenen wohl eher selten Punk.

Ist der Song eher prophylaktisch zu verstehen, also an jugendliche Mitläufer gerichtet, die meinen cool sein zu wollen?

Vor einer unserer ersten Proben musste ich dank zwanzig Marzahner Montags-Spaziergängern, die sich selbst „BärgIdA“ nannten, eine Stunde in der stehenden Tram verbringen, weil die Bullen dachten, dass der Bürgersteig nicht genug Platz für sooo viele Spaziergänger gleichzeitig bieten könnte. Während sich die „Wir sind das Volk“-Rufe draußen näherten, wurde sich das Marzahner Volk um mich herum immer einiger: „Der Steuerzahler übernimmt unfreiwillig die Rechnung ... Warum bekommen die eigentlich Polizeischutz ... Die sind ja noch nicht mal hier angekommen ... Die Container sind luxuriöser ausgestattet als unsere Steuerzahler-Wohnungen ... Man traut sich ja demnächst da schon tagsüber kaum vorbei ... Ich bin ja kein Nazi, aber ... Ist lange genug her ... Das wird ma ja noch sagen dürfen!“ Ich war also gefangen in einer Tram voller potenzieller Montagsdemonstranten, holte Zettel, Stift und eine Flasche Met aus meinem Rucksack und begann damit, die Inspiration durch die Ignoranz um mich herum zu nutzen. Da wohl woanders keiner etwas mit dem Begriff „BärgIdA“ hätte anfangen können, habe ich den Bezug zu Dresden eingebaut. Damals wie heute darf die Dresdner Montagsdemo übrigens als Metapher für AfD, besorgte Bürger, Obergrenzer und alle anderen rechten Arschlöcher verstanden werden.

Im Song „Links-rechts“ singst du an die Adresse von Soldaten: „Du glaubst, du bist der große Held / Doch du bist das Bauernopfer, das als Erstes fällt“. Meinst du, dass immer so weit gedacht wird?

Die Kernaussage von „Link-rechts“ ist, dass Soldaten, die sich zu Auslandseinsätzen verpflichten, damit rechnen müssen, dass sie dort töten und/oder sterben werden.

Ist das vergleichbar mit der These: Wer zur Polizei geht, darf Gewalt auch nicht völlig ablehnen.

Zumindest würde ich diese These als korrekt bezeichnen, wenn auch viel zu zahm formuliert.

In „Deshalb trinkst du heut“ plädierst du dafür Alkohol nur zu konsumieren, wenn man sich gerade euphorisch fühlt. Das scheint mir ein ziemlich neuer Ansatz im Punk-Bereich zu sein.

Meiner Meinung nach wirkt Alkohol hauptsächlich enthemmend. Bin ich schlecht drauf und betrinke mich, werde ich entweder aggressiv oder versinke in Selbstmitleid. Bin ich gut drauf, stehen die Chancen ziemlich gut, dass der Genuss einiger alkoholhaltiger Getränke für den Erhalt oder die Steigerung meiner guten Laune sorgt. Aber an sich ist der Text eher wertungsfrei gemeint und grundsätzlich kann meinetwegen jeder saufen, wann, wo, wie und warum er will.