Der Drummerboy dieser Ausgabe ist ein noch sehr junger Vertreter seiner Zunft, der jedoch trotz seines geringen Alters alles andere als ein Greenhorn ist. Schon auf den ersten Veröffentlichungen von LA DISPUTE fiel die Band durch ihre rhythmische Vielfalt auf und für eben diese war jener Bradley „Brad“ Vander Lugt verantwortlich, der bereits als Jugendlicher eine klassische Schlagzeugausbildung absolvierte und dieses Wissen um die dynamischen Möglichkeiten seines Instrumentes später prägend in den Sound seiner Band einbrachte. Von Platte zu Platte tüftelte Brad weiter an seinem Sound und es gelang ihm jedes Mal aufs Neue, die Fans der Band mit neuen Ideen zu überraschen. Dieses Interview ist das einzige, das die Band auf ihrer Tour durch Europa gab, da Brad große Lust hatte, über seinen Werdegang als Drummer zu plaudern, und wir führten das Gespräch in sehr entspannter Atmosphäre vor dem Gig der Band auf dem Groezrock Festival in Belgien.
Brad, bist du als kleiner Junge schon in der Küche deiner Eltern herumgekrochen und hast versucht, auf Töpfen und Pfannen zu trommeln?
Ja, tatsächlich, so ist es gewesen und meine Mutter erzählt noch heute die Geschichte, wie ich in der Küche auf allen Dingen herumgetrommelt habe und sie schon damals gewusst hat, dass ich irgendwann Drummer in einer Rockband sein würde. Sie hat es wirklich schon damals prophezeit und nun sitze ich hier und es ist tatsächlich wahr geworden. Als ich dann 16 Jahre alt war, hat mein Vater mir mein erstes Schlagzeug gekauft und ich habe dann jahrelang non-stop gespielt.
War dir da schon klar, dass du Schlagzeuger werden wolltest, oder hast du vorher eine andere musikalische Ausbildung gehabt?
In Amerika gehen wir, wenn wir so sechs bis acht Jahre alt sind, auf die Mittelschule und da musste sich bei uns jeder ein Instrument aussuchen. Wenn du dich für das Schlagzeug entscheidest, beginnt die Ausbildung mit den Becken, bevor man irgendwann Notenlesen lernt. Also lernte ich die Becken zu schlagen, bis ich dann endlich zur Snaredrum wechseln durfte und Jahre später auf dem Drumkit spielen lernte. Ich war dann irgendwann auch in einem Percussion-Ensemble und habe dort Steeldrums, Marimbas und andere Instrumente gespielt.
Außerhalb der Schule war dann wahrscheinlich keine weitere Ausbildung erforderlich?
Doch, ich habe zusätzlich auch privat Unterricht genommen. Zunächst bei dem Typen, der unser Percussion-Ensemble geleitet hat, und später bei Randy Marsh, einem großartigen Jazzdrummer bei uns in Grand Rapids, so dass ich insgesamt sieben Jahre Unterricht hatte. Es ist überhaupt sehr typisch, dass Anfänger bei Jazzdrummern Unterricht haben. Ich denke, Jazzdrummer sind einfach die besten, und so ist es gut, zunächst diesen Stil zu lernen.
Welche Platten haben als Teenager in dir den Wunsch geweckt, Rockmusiker werden zu wollen?
Lass mich überlegen ... Das waren auf alle Fälle ältere Platten und Bands wie FLEETWOOD MAC, BEATLES und LED ZEPPELIN. Jon Bonham von LED ZEPPELIN ist überhaupt mein Lieblingsdrummer und ich höre ihre alten Klassiker auch heute noch gern. Diese Sounds mochte ich und so sollte mein Schlagzeugsound auch klingen. Ich mag es auch heute noch, wenn Drums wirklich echt klingen und der Klang nicht künstlich aufpoliert wurde. Als ich dann mit dem Unterricht begann, hörte ich viel Jazz und war großer Fan von dem erst vor wenigen Jahren verstorbenen Joe Morello, der mit dem DAVE BRUBECK QUARTET spielte und für mich immer vielleicht der größte Einfluss überhaupt ist. Ich habe während des Unterrichts auch zu vielen der alten Paul Simon-Platten spielen gelernt, wobei ja insbesondere der Beat von „50 ways to leave your lover“ legendär ist, den wohl alle Schlagzeugschüler zu spielen versuchen. Dann war da noch „Fool in the rain“ von LED ZEPPELIN, das einen sehr coolen Beat hat, den ich während meiner Zeit im Percussion-Ensemble gelernt habe. Ja, von allen diesen alten Platten habe ich viele, viele Einflüsse bezogen und viel mehr gelernt, als von jüngeren Veröffentlichungen.
Wie ging es dann später mit deiner Drummerkarriere weiter?
Während meiner Highschool-Zeit habe ich in einer Marching Band gespielt, wo man sich zwischen Cattledrum, Snaredrum und Bassdrum entscheiden musste und da habe ich dann halt Snaredrum gespielt. Zu dieser Zeit hatten wir zwei Dirigenten für unsere Band und einer von denen kam von einer anderen Schule und leitete ein bekanntes Percussion-Ensemble. Normalerweise wurden Schüler von anderen Schulen nicht zum Vorspielen eingeladen, aber er kam dann irgendwann zu mir und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte für sein Ensemble vorzuspielen. Das war natürlich eine große Ehre für mich und ich bin gern hingegangen.
Hattest du die Möglichkeit, bei deinen Eltern zu Hause zu üben?
Ja, ich habe stundenlang bei uns zu Hause im Keller geübt und meine Eltern damit fast in den Wahnsinn getrieben. Aber sie haben es mit Fassung ertragen und haben mich eigentlich immer spielen lassen. Meistens habe ich zu den besagten Platten gespielt, aber durch den Unterricht hatte ich natürlich auch viele verschiedene Übungen zu machen und neue Dinge zu lernen. Da habe ich dann das Metronom herausgeholt und meine Übungen auf dem Übungspad gemacht.
Wie lange hat es dann noch gedauert, bis du deine eigene Band gründen wolltest?
Wir haben LA DISPUTE gegründet, als ich 21 Jahre alt war und das ist nun auch schon sieben Jahre her. Da hatte ich ja schon ein paar Jahre Schlagzeug gespielt, so dass die Sache für mich eigentlich nicht neu war, als wir die Band starteten. Es war wie ein Schneeballeffekt. Ich habe eigentlich immer nur Drums gespielt und plötzlich hat sich alles so schnell weiterentwickelt.
Hast du jemals mit dem Gedanken gespielt, in der Band ein anderes Instrument zu spielen?
Nein, danach hatte ich nie wirklich Verlangen. Ich fühle mich hinter dem Schlagzeug am wohlsten und würde nicht tauschen wollen. Für mich selbst spiele ich gern mal Klavier oder Gitarre und komponiere so nebenbei auch Songs, aber das mache ich nur so zum Spaß. Ich bin schon sehr an anderen Instrumenten interessiert und habe sogar ein paar Klavierstunden genommen, denn das öffnet einem doch ganz andere Zugänge zur Musik.
Wie würdest du, insbesondere mit dem Hintergrund des Percussion-Ensembles, heute deinen Stil beschreiben?
Also ganz ehrlich, diese Percussion-Sache hatte einen wirklich großen Einfluss auf mich. Heute ist zwar in der Musik schon alles gemacht worden, aber insbesondere mit unserer Band versuchen wir immer neue Ansätze für rhythmische Veränderungen und neue Variationen zu finden. Unsere Rhythmussektion versucht also, neue Songs immer aus neuen Blickwinkeln zu betrachten und eingefahrene Schienen zu verlassen. Wir arbeiten viel mit gegenläufigen Rhythmen, ich spiele oft mit anderen Vorzeichen oder Takten als meine Bandkollegen, aber immer so, dass es für mich und im jeweiligen Song gut funktioniert. Am Ende fügt sich dann immer alles gut zusammen. Ich glaube, mein Stil ist sehr dynamisch, was ich insbesondere auf den Einfluss der alten Jazzdrummer zurückführe. Bei vielen Drummern vermisse ich heute die Dynamik total, insbesondere wenn sie ihre Drumparts schreiben, aber bei uns ist die Dynamik für den Aufbau eines Songs extrem wichtig.
Fühlst du dich auf der Bühne oder im Studio mehr zu Hause?
Wenn ich wählen müsste, würde ich mich für die Bühne entscheiden, denn ich fühle mich sehr wohl, wenn wir eine Show spielen. Aber ich mag es auch im Studio zu spielen, das sind eben zwei ganz unterschiedliche Dinge. An das Spielen von Live-Shows bin ich irgendwie über die Jahre mehr gewöhnt, aber ich mag auch den Aufnahmeprozess für ein neues Album. Im Studio ist es viel anstrengender, denn jedes Mal, wenn ich eine Aufnahme mache, denke ich, dass ich sie noch besser hinbekommen könnte. Da muss man sich dann entscheiden, wo man für sich die Linie zieht. Wir sind keine Band, die einen Song Stück für Stück aufnimmt und ihn dann hinterher zusammenbastelt, sondern ich muss einen Song schon in einem Take durchziehen und dann entscheiden, ob ich damit zufrieden bin oder nicht. Nur so komme ich dann zu dem für mich besten Ergebnis für eine Aufnahme. Live ist es natürlich die Energie, die zählt, und es sind die unvergesslichen Momente, die man im Studio niemals reproduzieren kann. Live kann man sich auch Fehler erlauben, dann darüber lachen und es stört sich niemand weiter daran, denn es ist ja eine Performance und muss nicht perfekt sein.
Du spielst ein relativ kleines Drumset. Hast du dich jemals an einem großen Set mit vielen Toms und Doublebass versucht?
Oh nein, ich habe mein Schlagzeug wirklich gerne einfach und übersichtlich. Im Studio habe ich schon mal andere Sachen ausprobiert und auch mit Loops und Samples gearbeitet, aber das hat auch nichts mit einem größeren Schlagzeug zu tun. Ich war schon länger an Drum-Programming interessiert und das haben wir auf dem letzten Album mal ausprobiert, aber Doublebass und solche Dinge haben mich nie gereizt. Ich habe kürzlich auch erst ein neues Schlagzeug bekommen, bei dem jetzt auch die einzelnen Tommeln noch mal eine Nummer kleiner sind, als sie es vorher waren. Nein, ich mag wirklich eher kleine Trommeln und ein kleines Schlagzeug. Für mich klingt es so einfach am besten.
Wirst du von irgendwelchen Firmen gesponsert und ist die Band dein Beruf geworden?
Ja, ich werde von Tama unterstützt, aber in meinem Fall bedeutet das nicht, dass ich alles umsonst bekomme. Ich bekomme meine Drums und das Zubehör zu einem Vorzugspreis. Dann bekomme ich noch Unterstützung von Zildjian Cymbals, deren Custom-A-Serie ich spiele, und von Vic-Firth-Drumsticks, das war es dann auch schon. Wir sind jetzt glücklicherweise in der Lage, unseren Lebensunterhalt mit der Band bestreiten zu können, und müssen nicht mehr jobben gehen, wenn wir von einer Tour nach Hause kommen. Das ist natürlich sehr schön und wir können uns dadurch voll auf die Musik konzentrieren. Das ist jetzt kein glamouröses Leben, aber wir kommen ganz gut zurecht und wollen es auch gar nicht anders haben.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #115 August/September 2014 und Christoph Lampert