Garage-Pop-Punk hält einen jung, frisch und schön! Die BOONARAAAS aus Solingen und Düsseldorf sind dafür der Fleisch gewordene Beweis, denn wie lässt es sich anders erklären, dass diese Girls – nein, Ladys – partout nicht älter, als teenagerhafte 18 Jahre alt werden können?
Jahrelang habe ich angenommen, dass Liebhaber von Sixties-Garage-Punk der Marke „Back From The Grave“ eher verkauzte, bleiche und Kette rauchende Typen sind, die ihre mit Platten vollgerümpelte Bude nur zum Musik- und Bierkaufen verlassen, doch wenn die BOONARAAAS auf der Bühne abgehen wie Schmitz‘ Katze, sind solche Annahmen schleunigst in die Tonne zu kloppen. Schon in ihrer ursprünglichen Besetzung, und zu Anfangstagen im Jahr 1995, spielten Christina (Drums), Suse (Gitarre) und Trich (Bass) doch allen Ernstes genau solche Garagen-Smasher, die sich damals gerade auf meinem Plattenteller in der Hot Rotation drehten, und mit denen ich – so die Warnung von Freunden – nie und nimmer eine Frau beeindrucken könnte. Eine Aussage, die ich leider bis heute nicht völlig widerlegen kann - und ich hab‘s nachhaltig versucht! Aber auch das eigene Songwriting der BOONARAAAS hat es in sich; nachzuhören auf all ihren seit 1995 veröffentlichten Singles, LPs und der schier endlosen Reihe von Sampler-Beiträgen.
Verbringt man eine Nacht mit den BOONARAAAS (na ja, mit ihnen auf dem Plattenteller ...) werden Augen und Ohren gar fürstlich verwöhnt. Zunächst einmal fällt das herausragende Layout der Scheiben auf. Da gibt‘s keine langweilige Massenware; Bassistin Trich, die für das Artwork zuständig ist, scheint mehr als bemüht und fähig, den „She-Sound 2000“ angemessen zu verpacken. Hier zahlt sich wohl auch die Zusammenarbeit mit dem großartigen Label Thunderbaby Records aus Düsseldorf aus, bei denen ja ohnehin alle Platten vor Detailverliebtheit nur so strotzen, und häufig noch verschiedene Gimmicks wie Badges, Aufkleber oder Klebe-Tattoos beigelegt werden. Von Fans für Fans halt. Okay, you can‘t judge a book by its cover, also Platte auf den Teller und Nadel senken! Schon mit dem ersten Takt packt er einen, der „She-Sound 2000“: Punkrock, Sixties-Garage-Pop, Power-Pop? Schwer zu sagen, von allem etwas. Aber alles All-Girl! Waren ihre ersten Singles noch deutlich Sixties-lastiger (auf den ersten Singles von 1995 und 1997 spielte noch Cécile von den heutigen CURLEE WURLEE Orgel), wurde der Sound auf ihrer ersten LP „U.G.L.Y. Girl“ von 1998 herrlich trashig und famos unterproduziert.
Im Jahr 1999 wurde aus den BOONARAAAS-Trio ein Vierer; Veronika, die zuvor bei ORANGE CRUSH Gitarre spielte, kam dazu und sorgte als zusätzliche Gitarristin für einen üppigeren Sound. 2001 entschied sich die ursprüngliche Gitarristin Suse dazu, ihren Teil beizutragen, die Alterspyramide unserer Gesellschaft durch Nachwuchs wieder einigermaßen umzudrehen, musste also erstmal andere Prioritäten setzen und spielt seitdem eher sporadisch bei den BOONARAAAS mit. Somit war wieder ein Platz frei; Tine kam dazu, eine Gitarristin, die den Eindruck erweckt, die DONNAS wären ihre eigentliche Band. Und ich als erklärter DONNAS-Fan meine das entschieden positiv! 2003 kam dann endlich die zweite LP „Go Get Goo Goo“, und das Warten hat sich gelohnt! Laut Trich (die übrigens auch bei CAVE 4 die vier Saiten bedient) ist das, was dem geneigten Garage-Pop-Punk Fan da um die Ohren geschmettert wird, „die logische Fortführung von ‚U.G.L.Y. Girl‘, nur in fett. Ich habe auch bei den alten Sachen das Problem, dass ich denke: Ach nee, da hätte der Sound aber besser sein müssen, mehr so, wie es live rüberkommt.“
Gutes Stichwort, die BOONARAAAS sind eine Live-Band! Ihr habt rund 20-30 Konzerte im Jahr und diese nicht nur im Dunstkreis der sogenannten „Garagen-Achse“ Wuppertal/Düsseldorf/Solingen, sondern auch im europäischen Ausland.
Trich: Mmmmh, lass mal überlegen ... Italien, Belgien, Holland, Dänemark, Norwegen, Schweden, England ...
Christina: Nee, Schweden?
Tine: Schweiz, meinst du vielleicht?
Trich: Ähh, waren wir nicht in Schweden?
Die anderen: Nee!
Trich: Dann war‘s eben Dänemark. Ach ja: wir waren auch schon in Bayern! Und in der DDR, äh, na ja, in der Ex-DDR.
Natürlich interessiert mich auch, was ihr auf Tour so für Erfahrungen gemacht habt. Als All-Girl-Band, so nehme ich an, sind doch „gewisse“ Reaktionen des Publikums vorprogrammiert.
Christina: Ein geiler Spruch bei Konzerten ist ja: Hey, die Schlagzeugerin ist cool. Und für ‘ne Frau spielt die auch richtig gut ... Aber so richtig üble Erfahrungen? Da sind wir wohl etwas zu ‚burschikos‘. Ich glaube, wir kommen schon so selbstbewusst rüber, als dass sich da irgendwelche Typen trauen würden, so anzukommen und zu denken: ‚Die kannste vielleicht anmachen‘. Ich hab jedenfalls noch nie erlebt, dass da wer total rumgenervt hat.
Trich: Wir sind aber auch in ‘ner Szene, wo das eher peinlich wäre.
Wie wichtig ist die Klassifizierung als Grrrl-Punk-Band? Und andererseits, na ja, ihr kennt ja sicherlich das fiese Wort, das mit „T“ anfängt und mit „itten-Bonus“ aufhört.
Christina: Grrrl-Punk ... Ist ein dehnbarer Begriff, das kann so Alles und Nichts sein.
Trich: Man muss dazu sagen, dass wir auf unsere Platten ja auch All-Girl-Sixties-Punk draufschreiben. Na ja, wir lassen das zwar nicht so megamäßig raushängen, aber es ist nun mal ein Fakt.
Christina: Weil die Leute halt eben davon ausgehen, dass es ‘ne Jungs-Band ist. Oder, dass wir wenigstens einen Typen als Schlagzeuger haben, so ist‘s ja ‚normal‘. Okay, von dem Grrrl-Punk-Etikett profitieren wir natürlich. Aber man kann sich eben nicht darauf ausruhen, denn wenn man irgendwo spielt, kann man auch nicht die letzte Scheiße abliefern. Nur zu sagen: ‚Wir sind eben Mädchen‘, das geht nicht. Dann muss auch was kommen, wenn man damit geworben hat.
Soviel zu den leider immer noch üblichen Vorwürfen und dämlichen Sprüchen über Girl-Bands, die angeblich auf den Niedlichkeits-Faktor spekulieren. Wer von euch schon mal auf einem Konzert der – ich kann es mir nicht verkneifen – unverschämt hübschen BOONARAAAS war, weiß, dass sie – Achtung, blöder Spruch – „ganz Frau ihren Mann stehen“. Drummerin Christina z.B. singt mitunter beim Schlagzeugspielen die Lead-Vocals; eine harte Aufgabe, bei der so manch anderer Drummer entnervt das Handtuch schmeißt. (Ich finde es schon nicht so leicht, live vernünftig Gitarre zu spielen und dabei ordentlich zu singen ...) Aber auch die anderen Girls halten sich live keinesfalls zurück; wildes Gehopse und Gespringe, Posen bis die Schwarte kracht und spürbare Spielfreude. All das überträgt sich natürlich auch auf das Publikum, das bei Gigs schon mal gerne von den BOONARAAAS zu einem Dance-Contest animiert wird. „Wir haben nur hübsche, gut aussehende Jungs im Publikum. Ausschließlich!“, erklärt Gitarristin Tine, die nun mittlerweile wegen eines studienbedingten Aufenthalts in Oslo (sie büffelt Skandinavistik) ihren Platz in der Band räumen musste. Inzwischen, so habe ich erfahren, ist diese Lücke aber durch die neue Gitarristin Lara geschlossen worden, sodass die BOONARAAAS wieder voll live-fähig sind.
Sagt mal, ihr habt doch sicherlich auch noch andere musikalische Interessen, oder läuft bei euch nur so was, was ihr auch selbst macht? Na los, gesteht! Ihr könnt natürlich auch ein bisschen lästern ...
Alle: Oh, lästern?
Christina: Nee, lästern tun wir generell nicht!
Na, das kannst du mir nicht weismachen. Also, wie steht ihr zum 80er-Revival, das zur Zeit allgegenwärtig ist?
Christina: Oh, so schrecklich find ich das nicht. Die WIR SIND HELDEN-Scheibe hab ich zu Hause, und die sing ich zur Zeit einmal am Tag laut mit.
Trich: Ich hab so was nicht.
Tine: Wir sind halt tolerant und aufgeschlossen...
Christina: Na ja, die Tine und die Veronika wohl am meisten. Dann komm ich, und die Patricia ist wohl am engstirnigsten.
Veronika: Ich hör halt viel Schweine-Rock ...
Tine: Ph, Rock hab ich über. Ich meine, es gibt ein paar gute Rock-Platten, aber das beschränkt sich auf wenige ...
Christina: Stimmt. Ich hab gestern die neue DONNAS-Platte gehört, die ist mir schon zu rockig. Na ja, gut, so Grenzwert halt.
Von euch ist keine 80er-Rückverdummung zu befürchten?
Christina: Hä? Unsere BANANARAMA-Tribut 5“ ist ja schon zwei Jahre draußen, also noch vor dem Trend, bitte schön! Außerdem war die Single kein Elektro-Pop, sondern Punkrock!
Veronika: Nee, keine Befürchtungen. Wir fanden das mal lustig, und das war‘s dann auch.
Verehrte BOONARAAAS, ich danke euch für die Einladung zum Gespräch.
Trich: Aber Achtung: Mit 30 gründen wir ‘ne Familie und bauen ein Haus. Dann ist Schluss mit der Mucke! Jawoll!
Also, mein Rat zum Schluss an alle, die auf All-Girl-Garage-Pop-Punk stehen: Sollten die BOONARAAAS mal in eurer Nähe oder gar in eurer Stadt ein Konzert geben, wärt ihr vollkommene Dämel, wenn ihr nicht hingeht!
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