BOOMHAUER

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A Cartoon Rock Trio From Hell

Turku. Finnland. Ein Sonntagnachmittag im November. Novemberwetter heißt dort Regen, Regen und vielleicht auch ein bisschen Regen. In einem Pub der Stadt saß ich mit Mikko, dem etwas fülligen Schlagzeuger, und Honkka, dem eher verschwiegenen Bassisten von BOOMHAUER zusammen, um ein Gespräch über Finnland, Musik, die Band, deren Gegenwart, Zukunft und Vergangenheit zu führen. BOOMHAUER sind ein Trio, das im Schatten von SWEATMASTER groß zu werden scheint. Ein kürzlich veröffentlichtes Album mit dem Titel „Wild Human Condition“ liefert 16 kurze Rock‘n‘Roll-Granaten mit Country-Touch. Während SWEATMASTER kraftvoll ihre Ideen in den Songs wiederholen und damit diese gefährlich mitreißende Eingängigkeit hinbekommen, hauchen BOOMHAUER eine Idee kurz mal an, um sich schon der nächsten zuzuwenden. Ein völlig eigenes Verfahren, das einen absonderlichen Reiz ausstrahlt.

Euer Album „Wild Human Condition“ wurde dieses Jahr von Stupido Recs. veröffentlicht. Was verbirgt sich hinter dem Titel?

Mikko:
„‚Wild Human Condition‘ ist eine Zeile aus einem Song namens ‚Stick in The Wind‘. Alle Titel unserer Platten sind Songtitel oder Zeilen aus unseren Songs. Und der Song, aus dem die Zeile stammt, ist niemals auf der Platte, die so betitelt ist. Wir haben zum Beispiel eine EP namens ‚Nice About Women‘, aber der Song wird auf einer EP sein, die wir erst noch veröffentlichen werden.“

Was ist die Verbindung zu den Affen und der menschlichen Evolution, die im Cover-Artwork ersichtlich wird?

Mikko:
„Das kommt vom Titel. Die Idee ist die, dass Rock‘n‘Roll und Rock-Musik, wenn diese auf ihre Extreme reduziert werden, so wie BOOMHAUER es versuchen, dann am besten ist, wenn es sehr rau rüberkommt. Wenn du so was spielst, kann man vielleicht für eine nicht gerade zivilisierte Gemütsverfassung sorgen. Wir hatten dabei die Idee, wie es gewesen sein könnte, bevor Menschen Menschen waren. Wie könnten wir zeigen, was sich hinter diesem Bild vom Wilden, dem Affen, verbirgt.“

Wie viele Scheiben habt ihr bisher veröffentlicht?

Mikko:
„Zwei Singles, eine Split-7“ mit der Band THE ROLLSTONS, die auch auf Stupido sind, dann das Album. Dann kommt demnächst unsere dritte 7“ ‚Saturday Night Life“ auf meinem eigenen Label und eine andere 7“ auf Bad Afro, ‚Work On A Spell‘.“

Ihr mögt es scheinbar, Singles zu veröffentlichen. Was ist der Zauber von Vinyl?

Mikko:
„Stimmt, in unserem Fall ist es der Zauber von kurzen Scheiben, weil wir Dinge gern kurz halten, reduziert. BOOMHAUERs Musik ist am besten in kurzen Attacken, eine Salve von sechs Songs. Man hat bei einer 7“ mehr Variationsmöglichkeiten für Material wie unseres. Es ist immer schwieriger, die Intensität zu wahren, wenn man ein komplettes Album aufnimmt. Auf dem Album ist uns das ganz gut gelungen. Auf den Singles muss man sich nicht wirklich darum sorgen, da es nur zwei oder drei Songs sind. Und Vinyl sieht gut aus und klingt eben auch gut.“
Wie lange existieren BOOOMHAUER schon? War es immer dasselbe Line-Up?

Honkka: „Seit Herbst 1997. Zuerst hatten wir einen anderen Drummer. Er verließ die Band 2002 und zog nach Helsinki. Er hatte einen Job dort und nie genug Zeit für die Band, was ihn zum Ausstieg bewegte. Wir baten dann Mikko, für uns zu trommeln.“

Mikko: „Es gab schon vor seinem Ausstieg eine Zeit, wo ich ihn bei den Shows ersetzt habe, wenn er nicht konnte, was immerhin die Hälfte aller Shows zur damaligen Zeit war. Es gab in der Zeit richtig viele Shows für BOOMHAUER, als Leute außerhalb von Turku auf die Band aufmerksam wurden.“

War es von Anfang an vorgesehen, diesen kurzen und schnellen Rock‘n‘Roll-Stil zu spielen?

Honkka:
„Nein, es war vielleicht mehr Pop-Musik, definitiv kurze Songs, aber nicht so sehr Rock‘n‘Roll.“

Mikko: „Als ich eure ersten Shows gesehen habe, war das mehr so ein Mix aus lustigen und albernen Country-Songs, und dann Pop-Punk wie die frühen LEMONHEADS. Dann begann es, sich zu diesem Jon Spencer-Zeug zu entwickeln. Ich weiß, dass das Saku sehr beeinflusst hat. Wir haben immer noch ein paar dieser Pop-Songs auf unseren Platten, in dem Stil, in dem die Band begann. Aber das änderte sich ein gutes Stück.“

Ist es eine Art von Magie, so kurze Sachen zu spielen?

Mikko:
„Es ist eine ästhetische Entscheidung, das zu tun. Wenn wir einen Song während der Probe spielen, der drei Minuten lang ist, beginnen wir, ängstlich zu werden und uns zu fragen: Ist das zu lang? Niemand hat uns gesagt, wie lang die Songs sein sollen, wir haben das so für uns entschieden.“

Honkka: „Und niemand will irgendwelche Soli spielen, das ist auch einer der Gründe, warum die Songs so kurz sind.“

Mikko: „Aber ich habe das unterschwellige Gefühl, dass wir auf der nächsten Platte vielleicht etwas längere Songs haben werden, sicher nicht wieder sechzehn Songs. Falls doch, wird die Platte definitiv länger als eine halbe Stunde sein.“

Euer Sänger und Gitarrist Saku schrieb bisher alle Songs. Ist er immer noch allein dafür verantwortlich? Inwieweit seid ihr dabei eingebunden?

Mikko:
„Ich würde sagen, es ist seine Band und es sind seine Songs. Es ist seine Vision, was er tun will, und wir versuchen, das zu verwirklichen. Auf diese Art wird es BOOMHAUER. Wir schlagen ihm vor, es so oder so zu spielen. Da wir nur drei Musiker in der Band sind, ist der Entstehungsprozess intensiver als bei einer Band, die fünf oder mehr Mitglieder hat, man kann dort nicht auf jeden hören. Es ist einfacher, zu dritt an den Songs zu arbeiten.“

Honkka: „Manchmal wird es dabei so, wie Saku es vorgesehen hat. Manchmal ist es aber auch ganz anders.“

Mikko: „Alle Lyrics und die ganzen Songtitel, das ist komplett Sakus Werk, auch das, was er zwischen den Songs erzählt. Wir mischen uns da nicht wirklich ein.“

Ein BOOMHAUER-Gig ist wie eine Art Happening, Saku spricht viel zwischen den Songs, was ich nicht verstehe, da ich des Finnischen nicht mächtig bin. Ich hörte aber auch von verschiedenen Leuten, dass BOOMHAUER einige Leute anziehen, die sehen wollen, wie Saku spricht.

Mikko:
„In gewisser Weise ist das auch gut für uns, aber manchmal gerät Saku dadurch unter Druck, wenn er jetzt unbedingt was Lustiges sagen muss. Es begann damit, dass er mal irgendwas erzählte und merkte, dass es lustig war. Das behielt er dann natürlich bei, denn er ist schließlich Entertainer und will, dass die Leute Spaß haben. Aber es kann sich auch schnell mal in Stress verwandeln, das immer zu tun. Mittlerweile reduziert er es wieder ein wenig. Wenn er aber in der richtigen Stimmung ist, labert er auch richtig drauflos, was ihm gerade in den Sinn kommt. Wenn Saku nicht so gut drauf ist, gibt‘s während der Show eben nur drei oder vier Stories. Saku ist der Typ Mensch, der versucht, alles zu tun, um eine gute Show zu liefern, er ist wirklich gut darin, die Aufmerksamkeit der Leute zu bekommen. Aber das darf nicht wichtiger werden als die Musik.“

Viele Leute in Helsinki lieben ja diesen Turku-Dialekt. Aber wie setzt Saku das im Englischen um?

Mikko:
„Natürlich ist es ein wenig anders, da dieser Turku-Dialekt seine Muttersprache ist, Englisch hingegen nicht. Er spricht ein ganz gutes Englisch, wenn er will. Wir versuchten es einige Male auf Shows außerhalb von Finnland. Aber er kann sich eben nicht hundertprozentig so ausdrücken wie in seiner Muttersprache.“

Wo habt Ihr bisher gespielt, außerhalb von Finnland?

Honkka:
„In Deutschland – Fürth und Köln –, zwei Gigs in Tallinn, Estland, und einen Gig in Norwegen nahe Trondheim auf einem wirklich coolen Festival. Bisher haben wir um die hundert Konzerte gegeben, auf unserer Website gibt‘s dazu eine Liste, wen es interessiert, der kann dort nachschauen.“

Seid ihr in irgendeiner Weise mit traditioneller finnischer Musik verbunden?

Mikko:
„Hängt davon ab, was du meinst. Wir sind Indie- oder Punk-Kids. Die Verbindungen zu Bands in Finnland bestehen meistens zu Bands in unserem Alter bzw. zu denen, die Musik machen, die mit unserer vergleichbar ist oder dieselbe Attitüde hat wie SWEATMASTER oder DISGRACE.“

Ich nehme an, der Vergleich zu SWEATMASTER wird oft gebracht. Man scheint euch als kleine Brüder von SWEATMASTER zu betrachten, was denkt ihr darüber?

Mikko:
„Wir haben damit nie ein Problem gehabt. Einige Bands sind da sensibler, was ihre Identität betrifft – wenn sie mit anderen Bands verglichen werden, reagieren sie beleidigt. Wir werden nie beleidigt sein, wenn wir mit einer so guten Band verglichen werden. Aber auf der anderen Seite ist es auch so, dass beide Bands zur selben Zeit gegründet wurden, die ersten Shows spielten wir in derselben Zeit, sogar am selben Tag in verschiedenen Klubs in Turku. Auf diesem Weg beeinflussten sie uns, und vielleicht haben BOOMHAUER auch SWEATMASTER beeinflusst, aber ich weiß nicht, ob sie dem zustimmen würden. Beide Bands waren auch von Anfang an befreundet. Ich weiß auch von Saku, dass er Songs schrieb, die deutlich von SWEATMASTER beeinflusst wurden und auch danach klangen.“

Hankko: „Sogar DANKO JONES haben ein paar Songs, die nach SWEATMASTER klingen.“

Gibt es irgendwelche besonderen Vorkommnisse in eurem Alltag als Band?

Mikko:
„Wir sind eher langweilig, verglichen mit anderen Bands. Wir sind Finnen, aber entsprechen nicht den Stereotypen, die man von finnischen Bands hat, da wir nicht die ganze Zeit betrunken sind. Unser Bassist trinkt überhaupt nichts und Saku trinkt auch nicht so viel, so dass ich niemanden habe, der mit mir trinkt. Ich muss deshalb genauso nüchtern bleiben. Manchmal gerät es ein wenig außer Kontrolle, aber nicht so extrem. Dann hatten wir bisher immer viel Glück, wir können also keine Storys erzählen wie andere Bands.“