BONN-SAMPLER

Foto

Punkrock in der Ex-Hauptstadt

Nachdem wir die Reihe von Punk-Samplern aus Bonn in Ausgabe Nr. 151 mit einem Review zum neuesten Sampler „Beethovens Virus 3 1/3“-angekratzt haben, habe ich noch mal mit einigen mitwirkenden Musikern gesprochen, um die Entwicklung der Bonner Szene innerhalb der letzten dreißig Jahre genauer zu beleuchten. Dominik (CANAL TERROR, 1982, F*CKING ANGRY) war bisher auf jedem der Sampler zu hören. Chris (F*CKING ANGRY, DIE MANFREDS) war zusätzlich noch an der Veröffentlichung des dritten Samplers beteiligt und Pierre (AUGEN) ist Teil des Orga-Teams bei der aktuellen Ausgabe.

Als 1988 der erste „Beethoven“-Sampler, rauskam, war Bonn noch Bundeshauptstadt. Wie hat sich das damals auf die lokale Punk-Szene ausgewirkt?

Dominik: In Bonn spielte ab Ende der Siebziger alles, was Rang und Namen hatte. SPIZZ ENERGI, KILLING JOKE, DEAD KENNEDYS, BAUHAUS, GBH, UK SUBS und so weiter. Wahrscheinlich dachte man, wenn man nach Deutschland kommt, muss man auch in der Hauptstadt spielen. Das führte dazu, dass die Punx dann bald selber Bands gründeten. Die ersten waren, soweit ich mich erinnern kann, PENSION STAMMHEIM, ACHMED UND DIE ARSCHKRIECHER, COSH, CANAL TERROR und ein paar andere. Die Bonner Szene war durch den Sitz der Bundesregierung dort wahrscheinlich politischer als in anderen Städten. Viele Punx hatten einen eher bürgerlich-intellektuellen Hintergrund. Es gab starke Überschneidungen mit der linken Politszene. Alle paar Wochen gingen wir auf Demos. Durch die ständige Polizeipräsenz wurde man häufig schikaniert und hatte Stress. 1988 war das dann quasi schon die zweite Welle Bonner Punkbands.

Merkt man davon heutzutage noch was?
Chris: Politik spielt nach wie vor eine große Rolle bei vielen. Das merkt man schon an all den Solidaritätsaktionen, die durch Punkbands initiiert werden. Wir leben gerade in Zeiten eines spürbaren Rechtsrucks, der die autonomen Strukturen, in denen wir uns bewegen, konkret bedroht. Subkultur wird in Bonn kaum gefördert, also braucht es hier dringend Macher und nicht nur Konsumenten. Ganz ohne Politik geht es also meiner Meinung nach nicht. Und reichlich Bandnachwuchs gibt es auch, wie der Sampler beweist.
Pierre: Am Kaiserplatz und in der Rheinaue finden zum Leidwesen von Polizei und Totenstille liebenden Anwohner:innen immer noch jährlich „Spaßtage“ statt. Und manche der Bands, die auf ihren Touren im Bla vorbeischauen, sind eigentlich zwei Nummern zu groß für Bonn. Liegt wahrscheinlich aber mehr am Kultstatus und der Führung des Bla als am Ex-Hauptstadt-Flair.

Wie habt ihr euch in den Achtzigern und Neunzigern organisiert? War der Sampler eine Ausnahme oder gab es noch weitere vergleichbare Aktionen?
Dominik: Der Sampler war bis auf ein paar größere gemeinsame Konzerte die Ausnahme. Da war nix groß organisiert, irgendeiner hatte die Idee, einen Sampler mit ausschließlich Bonner Bands zu machen. Dann wurde ausgerechnet, was das für jeden kostet, ein Datum ausgemacht, bis wann man Aufnahmen und Textblatt abgegeben haben und die Kohle da sein muss. Jede Band hat ihren Anteil bezahlt, später ihre Anzahl Platten dafür bekommen und diese dann vertickt. Es gab keinen Vertrieb.

„Beethovens Rache“ war die erste Veröffentlichung auf dem damals frisch gegründeten Label Bönnsche Tön. „Beethovens Alptraum“ erschien bei Weird Science Records. Und „Beethovens Fluch“ wurde auf Schurzen Records veröffentlicht. Auf dem aktuellen Sampler befinden sich fünfmal so viele Bands wie auf dem ersten Sampler. Warum war ausgerechnet diesmal keine Plattenfirma beteiligt?
Dominik: Bönnsche Tön war kein Label, das war einfach nur der Name für das gemeinsame Projekt. Bei Weird Science und Schurzen Records war es genau so wie beim ersten Sampler, jeder gibt Kohle und kriegt LPs, nur dass die vom Label die Koordination übernommen haben und ein paar Fanzines bemustert haben.
Pierre: Weder Nina noch FUCHSBAU oder AUGEN hatten Erfahrungen mit Labels oder Plattenfirmen oder Bock, selbst ein Gewerbe zu gründen. Tonträger wollten wir ursprünglich gar nicht machen, nur Bandcamp, und auch keine weiteren Leute da mit reinziehen. Es gab schließlich schon im kleinen Kreis genug Ansprüche unter einen Hut zu bringen. Letzten Endes fungiert für die physische Version nun das Kulturkollektiv Lautark als Label: Sie boten uns an, eine dreistellige CD-Auflage zu spendieren, wenn ihr Logo mit draufkommt. Das Angebot haben wir dankbar angenommen und jetzt gibt es den Sampler auch als Doppel-CD.

Die letzten beiden Sampler haben noch eine interessante Gemeinsamkeit und zwar wurden die Einnahmen jeweils für wohltätige Zwecke gespendet, diesmal geht es an das Black Veg Bistro in Bonn. Man könnte fast schon denken, dass hinter der Samplerreihe ein Konzept steckt, das sich nicht nur auf ähnlich klingende Musik beschränkt. Alles so geplant oder eher reiner Zufall?
Pierre: Tatsächlich Zufall. Die Spendenaktion bei „Beethovens Fluch“ ist damals als Käufer total an mir vorbei gegangen und Alex von FUCHSBAU, als Initiator des neuen Samplers, wollte zwar von vornherein eine Soli-Aktion, kannte die Bonner Punk-Samplerreihe aber noch gar nicht.

Hatte jemand von euch schon Vorerfahrungen, was die Kooperation mit Organisationen wie „Refugees Welcome“ angeht? Wie habt ihr den Kontakt aufgenommen?
Chris: Wir haben 2015 das 10. Freiraum Festival in Bonn Beuel veranstaltet. Die Verköstigung wurde von der Bonner Ortsgruppe von „Refugees Welcome“ übernommen, die mit den Einnahmen ihre Arbeit ein Stück weit finanzieren konnten. Da in diesem Zeitraum besonders viele Geflüchtete in Bonn und ganz Deutschland ankamen, fanden wir es wichtig, etwas zu unternehmen. Und weil ich in diesem Jahr auch an der Idee und Entstehung eines neuen „Beethoven“-Samplers beteiligt war und mit meiner Konzertgruppe IQ-Shows auch das Release-Konzert im Kult41 ausgerichtet habe, war klar, dass auch die Einnahmen davon an „Refugees Welcome“ gespendet werden. Alle beteiligten Bands haben damals auf ihre Gage verzichtet.

Mit Ausnahme von „Beethovens Virus“ sind alle Bonn-Sampler in einem Zeitabstand von etwas mehr als zehn Jahren erschienen. Inzwischen ist daraus schon ein generationenübergreifendes Projekt geworden. Hätte irgendwer von euch so was in der Anfangszeit kommen sehen?
Dominik: Wir hätten nicht mal geglaubt, dass wir den ersten Sampler ausverkaufen und dann noch mal nachpressen würden. Sehr cool, dass die Idee immer wieder aufgegriffen wurde und dass immer weiter Bands nachkommen. Bonn ist als Punkstadt absolut unterschätzt, es gab immer sehr geile Bands hier.