Australien ist weit und bislang eher für dem Aussie-Klischee vom tätowierten Biertrinker entsprechenden kernigen Rock bekannt. BLUELINE MEDIC aus dem Bundesstaat Victoria jedoch haben ihr erstes Album "The Apology Wars", das vor einigen Monaten auf Fueled By Ramen erschien (wie auch die 4-Song-EP "A Working Title In Green"), mit J Robbins in den Inner Ear Studios in Washington D.C. eingespielt, und das verweist auf eine ganz andere Tradition. Mir jedenfalls gefielen beide Releases so gut, dass ich Basser David Snow mal eben für ein Interview ans Telefon holte.
Wie habt ihr es als australische Band geschafft, bei einem US-Label unterzukommen?
Die Connection kam über Vinnie von LESS THAN JAKE zustanden, dem ja Fueled By Ramen gehört. Er hatte die Bands gehört, in denen wir vorher spielten - ich bei THE BRADSHAW FIGURE, Donnie bei CAUSTIC SODA und Adrian bei MID YOUTH CRISIS - und sie hatten ihm alle gefallen. Wir blieben in Kontakt, und als wir dann 1999 eine neue Band gegründet hatten, schickten wir ihm unser Demo, es gefiel ihm und so entwickelte sich die Sache.
Ist es nicht etwas schwierig als australische Band auf einem weit entfernten ausländischen Label zu sein?
Ja und nein. Viele hiesige Bands haben im Ausland keine Chance, weil sie zwar in Australien ein Label haben, aber die Platten dann, wenn überhaupt, weltweit nur als teurer Import zu haben sind. Bei uns ist es andersherum, wir haben die Platte von Fueled By Ramen für Australien lizensiert, und sie ist hier auf Redline Records erschienen. So kann man die Platte eigentlich überall einfach und zu einem fairen Preis bekommen.
Ich muss sagen, dass ich ausser MID YOUTH CRISIS keine der Vorgängerbands kenne. Und wie habt ihr euch gefunden?
Donnie und ich sind schon seit über zehn Jahren gute Freunde, sind früher zusammen geskatet. Wir kannten uns also schon lange vor der gemeinsamen Band, wobei wir doch unterschiedliche Musik machten und ich zudem viel später damit anfing. THE BRADSHAW FIGURE gingen von allen drei Bands aber doch am ehesten in unsere jetzige Richtung, während CAUSTIC SODA ein gutes Stück poppiger waren, während Adrians Band ONE INCH PUNCH, die sich dann in MID YOUTH CRISIS umbenannten, hardcoriger und schneller war. Mit denen war er damals ja auch schon mal in Deutschland. Shaun, der Drummer, war früher bei POLLYANNA, die sehr relaxten Rock spielten. Ich denke, all diese Bands finden sich in unserer Musik wieder, wobei wir uns musikalisch nicht auf einen Stil beschränken wollen.
Mir scheint, ihr werdet ganz gerne mal in die Emo-Ecke gestellt.
Oh ja... Es ist eben ziemlich einfach, eine bestimmte Art von Musik damit zu bezeichnen, ohne dabei jedoch zu kapieren, was es mit dem Begriff und seiner Herkunft auf sich hat. Unter Emo verstehe ich Musik von Ende der Achtziger und Anfang der Neunziger, Bands wie RITES OF SPRING, bei denen der Begriff "Emocore" erstmals verwendet wurde. Wenn man uns mit jenen Bands vergleicht, gerne, aber heute wird dieser Begriff ja ganz wahllos verwendet.
Ist "Emo" denn auch in Australien ein Thema?
Wie überall. Die Presse ist voll davon, der australische "Rolling Stone" will den Leuten erklären, was "Emo" ist, und irgendwie werden wir auch immer in diesem Zusammenhang erwähnt, so als klassisches Beispiel einer australischen Emo-Band. Was soll ich dazu sagen? Ich denke, jeder Versuch Musik mit Worten zu beschreiben ist in gewisser Weise zum Scheitern verurteilt. Aber derzeit läuft´s für uns ganz gut, wir spielen jedes Wochenende irgendwo anders, wobei das Touren in Australien ja immer ein Extrem ist wegen der riesigen Entfernungen. Diverse Radiosender spielen unsere Platte, und ja, es läuft schon ganz gut für uns derzeit, wobei die australische Rockszene derzeit eher in der Krise steckt: Livemusik ist nicht angesagt, viele Clubs müssen schließen.
Auf eurem Album gibt es Momente, die mich an die SMITHS erinnern.
Haha, das habe ich schonmal gehört - von meiner Mutter! Sowas passiert halt, das ist kein Absicht, wobei ich gestehe, dass wir alle natürlich mit den SMITHS aufgewachsen sind. Ich besitze diese "Best Of"-CD der SMITHS, die Alben, die ich früher mal hatte, sind alle beim Pfandleiher gelandet, wenn ich mal wieder eine neue Gitarre brauchte oder die Miete bezahlen musste.
Ihr habt kürzlich mit den BUTTHOLE SURFERS gespielt, wie kam´s denn dazu?
Wir haben letztes Wochenende in Sydney gespielt, und einen Tag später sollten die BUTTHOLE SURFERS dort spielen. Die haben aber seit drei Jahren kein Konzert mehr gespielt, und so fragten sie, ob sie nicht bei uns als Vorband quasi üben könnten. Die Sache war nicht angekündigt, sie waren die erste Band des Abends, und es war echt ein seltsames Package aus denen, FURTHER aus Sydney, uns und LAST DAYS OF APRIL aus Schweden.
Wie sieht´s mit Shows ausserhalb von Australien aus?
Anfang des Jahres waren wir drei Monate in den USA, und Europa wäre auch schön, aber konkrete Pläne haben wir noch nicht. Nächstes Jahr wollen wir aber schon zu euch kommen. Ansonsten arbeiten wir an einem Tori Amos-Cover, schreiben neue Songs und werden wohl nächstes Frühjahr wieder ins Studio gehen. Und dann müssen wir ja auch noch Geld verdienen: Ich arbeite in einem Skateshop in Melbourne, Donnie verkauft Stereoanlagen, Adrian ist Kellner und Shaun hat neulich seinen Job verloren wegen der Band: nach der BUTTHOLE SURFERS-Show sind wir sofort wieder nachhause gefahren, das sind zehn Stunden durch die Nacht, doch wir haben uns etwas verspätet und das war´s dann mit Shauns Job. Idioten! Übrigens habe ich noch einen Rat an euch Europäer: wenn ihr australisches Bier trinken wollt, dann bitte nicht Foster´s, sondern ein Pale Ale wie Cooper´s. Kein Australier würde Foster´s trinken!
Dave, danke für das Interview.
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