BLUEKILLA

Foto

Münchens dienstälteste Ska-Kapelle

Neben den BUSTERS, NO SPORTS und SKAOS waren BLUEKILLA für mich Ende der Achtziger die deutschen Vertreter in Sachen Ska und 2Tone, die mir den Weg zur dritten Welle des Genres auch international wiesen. Seit 1985 sind BLUEKILLA unterwegs, waren als erste ausländische Ska-Band kurz nach dem Balkankrieg im ex-jugoslawischen Raum auf Tour, wurden wegen Spionageverdacht verhaftet und nach einigen Stunden wieder auf freien Fuß gesetzt. Ihre darauf folgenden Konzerte sorgten für einen wahren Ska-Boom in den Städten, in denen sie gastierten. Neben dem benachbarten Ausland, wo sie mit einigen namhaften, mittlerweile verstorbenen Größen wie Laurel Aitken oder Judge Dread die Bühne teilten, waren sie Anfang 2000 sogar auf einer dreiwöchigen Tournee durch Australien. Inspiriert von den Erfahrungen in Down Under erschien 2004 das fünfte Album „Back To Skatalonia“. Nachdem BLUEKILLA fast schon totgesagt waren und in der Zwischenzeit mehr und mehr Bands die Retroschiene fuhren, erschien 2011 ihr meiner Meinung nach bislang bestes Album „Never Was A Ska Band“ – BLUEKILLA mit ihrem ganz eigenen Sound und Stil, wie ich die Münchener kennen und schätzen gelernt habe. In der „Reduit“ in Mainz-Kastel, einem der wichtigsten Treffpunkte in Sachen Ska in Deutschland, traf ich BLUEKILLA-Sänger und -Songwriter Amedeo Tortora aka Dr. Deadlock. Seit meiner kurzen Zeit in München Ende der Neunziger pflegten wir sporadisch Kontakt. Umso mehr freute ich mich, den etwas ergrauten, sehr sympathischen Herren zu treffen, um mich über BLUEKILLA, die Szene in München und seine weiteren Aktivitäten zu unterhalten.

Zusammen mit den TOASTERS sah ich euch das erste Mal vor zwanzig Jahren in München. Damals herrschte unter den Skinheads im Publikum eine ziemlich aggressive Stimmung, während man heute sowohl bei den Zuschauern als auch in den neuen Ska-Bands kaum noch Skins findet. Wie siehst du die Entwicklung der Ska-Szene seit dieser Zeit?


Das muss mein zweiter oder dritter Auftritt mit BLUEKILLA gewesen sein, damals noch im ganz alten Backstage. Das war schon eine aufregende Zeit. Beim ersten Auftritt in der Kulturstation stand ich auf einmal vor 200 Skinheads. Und das war damals alles noch nicht so „nice“, da wurde danach der Kinderspielplatz um die Ecke zerlegt. Heute ist die Zahl der Skinheads bei den Konzerten wirklich überschaubar. Und irgendwie sind die Leute heute auch anders drauf. Gerade die im Osten der Republik haben einen starken Bezug zur rechten Szene.

Mein Eindruck ist aber, dass früher stärker abgegrenzt wurde.

Das war auch damals schwer. Heute bekommt eine Band gleich den Nazi-Stempel aufgedrückt, wenn sie gemeinsam mit FREI.WILD auf einem Festival spielt, selbst wenn sie mit all dem nichts zu tun hat. Früher haben wir viel seltener mit anderen Bands zusammengespielt. Was das angeht, hat sich sehr viel verändert, denn welche Band bestreitet heute noch alleine ein Konzert? Heute werden in der Regel zwei oder drei Bands gebucht oder es werden gleich Festivals organisiert. Aber selbst in der Zeit, in der wir noch alleine einen Abend gestalteten, konnten wir auch nicht sagen, wer von den Glatzen rechte Tendenzen hat. Wenn diesbezüglich was unklar war, machten wir immer irgendwann im Set ein klares Statement gegen rechts. Und wir spielen sowieso bei jedem Auftritt „Hava nagila“, was ja selbsterklärend ist. Für die ganz Doofen erwähnen wir dann, dass wir gegen rechts sind, nicht für Nazis spielen und die sich auch verpissen können. Ob das früher leichter war, kann ich nicht beantworten. Und da wir kaum auf Festivals spielen, haben wir auch nicht das Problem, dass wir uns mit jeder beteiligten Band oder deren Mitgliedern im Vorfeld auseinandersetzen müssen.

2012 habt ihr viele Benefizkonzerte gespielt. Also ist euch politisches Engagement neben musikalischem Entertainment durchaus wichtig?

Anfang 2012 waren wir erneut bei der „Laut gegen Brauntöne“-Kampagne dabei, eine von der Stadt München 2011 ins Leben gerufene und unterstützte Veranstaltungsreihe mit Konzerten, Ausstellungen und Aktionen in Schulen mit Sozialarbeiterteams. Bei solchen Veranstaltungen fällt es uns relativ leicht zuzusagen. Wir lehnen aber auch das eine oder andere Angebot ab. Wir spielen verhältnismäßig viele Benefizkonzerte, die heutzutage ja durchaus gut bezahlt werden. Manchmal fragen wir uns, bleibt da für den eigentlichen Zweck überhaupt etwas übrig? Da sind dann zwanzig Bands eingeladen, Catering, Technik, Ordner ... na ja. Im Laufe der Jahre ist es für uns nicht einfacher geworden, an Gigs zu kommen. Neun Bandmitglieder mit Job und Familie, da werden Konzerte über hunderte Kilometer über Münchens Stadtgrenze hinaus zum puren Luxus. Außerdem waren die Kosten in den Neunzigern für eine Tour überschaubarer und die Clubs zahlten auch bessere Gagen.

Als das Kruzefix-Fanzine in den Neunzigern der Münchener Punkbands neues Leben einhauchte, hatte ich kurzfristig das Gefühl, sowohl alte wie auch neue Bands schafften es nun, über die Stadtgrenzen hinaus bekannter zu werden. Dennoch spielten sich die meisten Aktivitäten doch wieder nur in München ab. Warum?

Ende letzten Jahres spielten wir beim Sound of Munich now-Festival, 2012 in der vierten Auflage. Das Konzept: Zwanzig Bands an einem Abend in einer Halle auf zwei Bühnen. Jede Band hatte ein Set von 15 Minuten. Technisch war das eine Meisterleistung. Während die eine Band gespielt hat, wurde auf der anderen Bühne aufgebaut. War das Set der einen Band zu Ende, begann die nächste Band auf der anderen Bühne. Ungefähr zehn dieser total verschiedenen Bands habe ich mitverfolgt. Und egal, welcher Stil hier dargeboten wurde, das war technisch und musikalisch einfach super. Vielleicht auch, weil in den 15 Minuten nur das Beste der Bands gespielt wurde. Die Organisatoren, unter anderem die Süddeutsche Zeitung, waren an diesem Abend auf der Suche nach dem sprichwörtlichen Sound of Munich now. Fazit: Es gibt keinen. Früher in der Disco-Ära war das Giorgio Moroder, wofür München vom Rest der Republik immer angefeindet wurde. Entweder verband man mit München Lederhosen, Blasmusik und Oktoberfest oder Discomusik. Heute hat München in Sachen Musik alles zu bieten, ohne jedoch Akzente zu hinterlassen, wie das bei Berlin, Hamburg oder Düsseldorf der Fall ist oder war. Andererseits vielleicht sogar ein Vorteil.

Welche Bands aus München spielten für dich eine große Rolle?

Eine Band, deren Konzerte ich sehr oft besucht habe, waren FREAKY FUKIN WEIRDOZ. Aber die erste Ska-Band, wenn man so will, waren LILA STERILA, die ich noch vor den SPECIALS live gesehen habe. Die haben Anfang der Achtziger eine Mischung aus Neue Deutsche Welle und Ska gemacht. Die waren wirklich cool, auch wenn die einzige Platte mit dem Titel „Da kommt der Wahnsinn“, die sie 1982 rausgebracht haben, grauenhaft war.

Wie sieht es derzeit in Sachen Ska in München aus?

Die STEAMY DUMPLINGS haben sich zu einer richtig geilen Band gemausert. Nach wie vor aktiv sind die BENUTS und nicht zu vergessen SANTERIA AND THE PORN HORNS. Mittlerweile gibt es in München auch einen regeren Austausch der Bandmitglieder untereinander, so dass sich die Bands immer wieder mal gegenseitig an dem einen oder anderen Instrument aushelfen. Das KONGO JOE ORCHESTRA, das No. 1-Charthits in Ska-Version spielt, vereint dann alle auf der Bühne.

In welchen Läden in München trifft man auf alternative Kultur?

Das Kafe Marat hat mal pausiert, ist aber seit Ende 2012 wieder aktiv, so dass dort einmal im Monat ein Konzert organisiert wird. Im Backstage spielen nach wie vor in die Jahre gekommene Altpunks und größere neue Bands. Dann gibt’s noch das Feierwerk, das benachbarte Orange House und die Kranhalle auf dem Gelände der Hansastraße 39. Aber alle diese Läden besuche ich mittlerweile nur noch, wenn Ska-Bands gastieren, was ja leider nicht so häufig der Fall ist, weil die Tourneen oftmals, warum auch immer, einen großen Bogen um München herum machen. Im Substanz, wo ich zehn Jahre lang gearbeitet habe, kennt mich mittlerweile außer dem Chef und der Garderobiere niemand mehr. Das Flex gibt es immer noch mit dem Konzept wie eh und je. So ist das als Elternbeiratsmitglied der Mittelschule und Mittagsbetreuungsvorstand, haha. Da hat man andere Probleme. Aber was Fahrradläden in München angeht, darüber könnte ich detailliert Auskunft erteilen.

Und wann gibt es mal wieder was von BLUEKILLA auf Vinyl?

Wenn sich jemand findet, der die Produktionskosten vorlegt.

Wäre da nicht auch das Berliner Label Pork Pie der richtige Partner für euch?

Pork Pie feiert 2014 das 25-jährige Jubiläum. Da wird es sicher die eine oder andere Veröffentlichung geben. Vielleicht sind wir auf einem neuen Sampler mit vertreten, wer weiß? Ansonsten aber werden wir 2013 nur noch sporadisch unterwegs sein. Es sind auch keine neuen Aufnahmen geplant. Wir werden etwas pausieren, wie wir das schon mal 2004 nach der Veröffentlichung von „Back To Skatalonia“ gemacht haben. Durch den damaligen Kinderknick hatten wir etliche bereits geplante Konzerte abgesagt. Nachdem niemand mehr mit uns gerechnet hat, war die Verwunderung dementsprechend groß, als wir wieder spielten. Und wenn wir sagen, wir machen weiter, dann machen wir weiter.

 


Unter muenchen-punk.de findet ihr eine aktuelle und umfangreiche Auflistung rund um Punk und Artverwandtes in und um München.