BLUE ÖYSTER CULT

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Eric Bloom, der Zeremonienmeister

Seit den späten Sechzigern – schon bevor sie überhaupt BLUE ÖYSTER CULT genannt wurden und noch SOFT WHITE UNDERBELLY oder STALK-FORREST GROUP hießen – ist Eric Bloom der überlebensgroße Showman, der Zeremonienmeister der Band. Er besitzt vielleicht nicht die Fingerfertigkeit auf der Gitarre des unbestrittenen musikalischen Genies der Band, Donald „Buck Dharma“ Roeser, und seine Songwriting-Credits sind nicht so beeindruckend wie die von Buck oder auch Albert Bouchard, aber Bloom ist einfach unverwechselbar. Auf dem Cover des 1974er BÖC-Albums „Secret Treaties“ trägt Bloom einen Umhang, Sonnenbrille und hat knurrende Dobermänner an der Leine, während der Rest der Band normal gekleidet ist . Bev Davies, die das Foto 1982 aufgenommen hat, meinte dazu, dass Bloom nicht so aussehe, als sei er in der gleichen Band wie die anderen Jungs.

Und während der Gesang bei BLUE ÖYSTER CULT immer unter den Mitgliedern aufgeteilt wurde, ist Blooms Stimme – wie Bucks Sinn für Melodie oder die manchmal kryptischen Texte der Band über Verschwörungen, Flüche und UFOs – prägend für den Sound der Band. Er klingt knurrig, ironisch, bedrohlich oder ein bisschen theatralisch, etwa wenn er Luzifer in „7 screaming diz-busters“ vertraulich mit „Hey, Lou!“ anspricht. Fans des 76-jährigen Bloom waren begeistert, wie gut er in Form ist auf dem aktuellen Album „The Symbol Remains“. Von ihm stammt der Leadgesang bei fünf der vierzehn Songs, einschließlich der ersten Single „That was me“ und einigen von Richie Castellano geschriebene Stücke, wie „Edge of the world“ und „The alchemist“. Im folgenden Interview konnten wir über Godzilla und HP Lovecraft reden und darüber, wie es ist, nach über fünfzig Jahren Karriere im Musikgeschäft noch mal ein neues Album zu veröffentlichen. Leider konnten wir nicht mehr darüber sprechen, wie es sich für jemanden mit jüdischem Hintergrund anfühlt, sich beim Song „ME 262“ (vom dritten Album „Secret Treaties“ aus dem Jahr 1974) in einen deutschen Kampfpiloten im Zweiten Weltkrieg hineinzuversetzen.

Ich war immer beeindruckt von deinem Spoken-Words-Part in „Godzilla“. Es klingt, als würdest du wirklich Japanisch sprechen!
Es gibt einen japanischen Herrn namens Ito, der ein Freund von uns ist und für uns fotografiert. Er war auch dabei, als wir den Song aufgenommen haben. Ich fragte ihn, wie man „Achtung, Achtung! Godzilla betritt das Ginza-Gebiet, sofort evakuieren“ sagt. Er brachte es mir bei, und ich sage das jetzt jeden Abend!

Sprichst du auch Japanisch, wenn du das Lied live vorstellst?
Ich mag es immer, etwas in der Landessprache zu sagen, und da wir Ende der Siebziger Jahre für unsere erste Tournee nach Japan fliegen wollten, habe ich meinen Manager gebeten, mir den Besuch einer Sprachschule zu finanzieren. Also machte ich einen Crashkurs in Japanisch – dreißig Stunden. Damit kann man eigentlich nicht viel anfangen, aber ich gab mein Bestes, und was ich daraus mitnahm, war eine anständige Aussprache und ein paar Sätze. Also sind wir in Japan und ein Typ von Columbia Records – unserem damaligen Label – kommt in mein Zimmer im Tokyo Prince Hotel. Er hatte in Amerika gelebt, also sprach er fließend Englisch. Er fragte: „Ich habe gehört, du möchtest ein paar Sätze durchgehen?“ Ich sagte: „Ja, hier ist, was ich gelernt habe.“ Und er fing an zu lachen: „So was kannst du nicht sagen! Du klingst ja wie eine Lehrerin! Du musst ein bisschen Straßenjapanisch können, das wird die Kids beeindrucken!“ Also zerriss ich meine Notizen von Berlitz und schrieb ein paar coole Sätze auf die Rückseite eines Posters, das ich beim Konzert neben mein Mikrofon auf den Boden legte, damit ich wusste, wie ich „Wie geht’s euch?“ auf Japanisch sage. Außerdem habe ich mir phonetisch notiert, wie man so etwas sagt wie: „Vor Millionen und Abermillionen Jahren, lange bevor der Mensch auf der Erde wandelte, war sie bevölkert von riesigen Reptilienkreaturen.“ Lustig, dass ich mich nach vierzig Jahren daran erinnere! Aber hier ist noch eine Anekdote. Ich weiß nicht mehr, welche Stadt es war – Tokio? –, jedenfalls bin ich tief in meine japanische Ansage vor „Godzilla“ vertieft, und das Publikum scheint entzückt meiner kleinen Geschichte zuzuhören, als ich höre, wie jemand im Publikum mit Cockney-Akzent schreit: „Hey, wot’s that in English?“ Das ist eine wahre Geschichte.

Machst du das auch in Deutschland, Songs auf Deutsch ansagen?
Ich habe das in Finnland, Deutschland und Schweden gemacht. Ich setzte mich immer mit einem lokalen Veranstalter zusammen und ließ mir ein paar Sätze aufschreiben: „Hier ist ein Lied von unserem neuen Album“ oder sonst was, damit die Einheimischen sich freuen, wenn sie etwas in ihrer eigenen Sprache hören.

Du hast schon immer wie ein gewissenhafter Frontmann gewirkt. Ich war hin und weg, als ich dich 1982 sah und spürte, wie sehr dir die Bühne gehört.
Nun, dafür haben sie mich damals, 1968, engagiert. Mir wurde der Staffelstab übergeben, und hier bin ich, fünfzig Jahre später. Und alles, was ich kann, habe ich von Alice Cooper gelernt. Seine ursprüngliche Band, damals in den Siebzigern, bot einen unvergesslichen Anblick. Alle haben sich bei ihm bedient, sich von ihm inspirieren lassen. Er war der Erste, der eine eigene Lichtshow hatte, er hatte Bühnenkostüme – er trat nicht einfach in Jeans und T-Shirt auf – und er bot etwas für die Augen und hatte Spezialeffekte. Er beschritt für uns alle neue Wege. Und als wir unsere ersten Tourneen hatten, als wir anfingen, waren wir nicht gleich großartig. Wir mussten erst lernen, eine anständige Band zu sein. Und es war learnig by doing. Bei unseren ersten Konzerten hat unser Manager Sandy Pearlman zwei andere Columbia-Acts engagiert und uns ins kalte Wasser geschubst. Das waren BYRDS und MAHAVISHNU ORCHESTRA. Also sind wir rausgegangen und haben total versagt: Wir hatten nicht das richtige Aussehen, wir spielten nicht richtig, wir klangen nicht richtig, und wir mussten wieder von vorne anfangen und uns neu sortieren. Aber zum Glück hatten wir ein paar gute Anweisungen von Sandy. Dann, gerade als das erstes Album erscheinen sollte, hatten wir ein Vorsprechen bei Alice Coopers Management. Wir bekamen eine Chance bei einer Show in Worcester, Massachusetts: wenn sie uns mögen, bekommen wir die Tour, und wenn sie uns nicht mögen, war es kein Ding. Und glücklicherweise mochten sie uns, unser erstes Album beruht völlig auf unseren Erfahrungen als Vorband von Alice Cooper. Er hat uns von Grund auf alles beigebracht.

Ist es nach so vielen Jahren manchmal eine Herausforderung, gewisse Songs bei jeder Show spielen zu müssen?
Nun, man hört immer wieder von Bands – ich nenne da keine Namen, ich will niemanden schlechtmachen –, die keine Lust mehr haben, ewig die Nummern zu spielen, die alle von ihnen hören wollen; sie bringen sie gar nicht oder nur mit verändertem Arrangement. Ich bin mal auf ein Konzert so einer Band gegangen, sie waren Teil der British Invasion der Sechziger Jahre, es war ein toller Club und ich hatte einen tollen Platz. Ich konnte es kaum erwarten, sie zu sehen. Sie spielten auch die meisten Hits, aber sie hatten alles umarrangiert. Und ich dachte: Warum zum Teufel mussten sie daran herumpfuschen? So sollten diese Songs nicht klingen! Spielt sie so wie damals, als sie ein Hit waren! Warum ist alles anders? Ich ärgerte mich einfach zu Tode. Das ganze Publikum will das mitsingen, woran es sich erinnert!

Also fällt es euch nicht schwer, sagen wir, „(Don’t fear) The reaper“ frisch zu halten?
Nein, ganz und gar nicht. Der Song klingt immer frisch, jeder mag ihn, er zaubert ein Lächeln auf jedes Gesicht und alle sind glücklich. Wenn wir das schaffen, und jeder fühlt sich gut dabei, ist es für uns in Ordnung.

Ich nehme an, „Agents Of Fortune“ ist eure meistverkaufte Platte wegen dieses Songs?
Es ist nicht unsere meistverkaufte Platte! „Extraterrestrial Live“ ist unser Bestseller.

Ich habe mal Fotos gesehen von eurer Tour 1982. Da gibt es ein Bild von dir mit einer schwarzen Gitarre mit einem Bandlogo darauf. Und dann gibt es Fotos von 2019, auf denen du eine identisch aussehende Gitarre spielst. Ist es das gleiche Instrument?
Wahrscheinlich nicht, ich habe mehrere davon. Die, auf der ich jetzt spiele, habe ich von Richies Vater bekommen, der einen Musikladen in Staten Island besitzt, Castellano’s House of Music. Er rief mich irgendwann an und sagte: „Ich habe diese Gibson SG im Tausch bekommen, und sie ist total ramponiert.“ Er nannte mir einen Preis und ich sagte: „Ich nehme sie.“ Sie hatte kein Finish, an manchen Stellen hatten sich Schalter gelöst und es waren Löcher drin. Und ich brachte sie zu Renaldo, das ist der Kerl, der sich um alle meine Gitarren kümmert. Ein alter italienischer Handwerker, der eine Dachkammer über einem Musikladen in New Jersey hat. Also brachte ich sie ihm und sagte: „Lackier sie schwarz und versieh sie mit einer Perlmutteinlage des Logos, wie du es bei den anderen gemacht hast.“ Es ist eine 68er, ich mag sie, weil sie den dünneren Hals hat, und er hat einen fantastischen Job gemacht, ich spiele sie jetzt seit vier oder fünf Jahren. Aber sie sehen alle ähnlich aus, schwarze SGs mit dem Logo oben rechts.

„The Symbol Remains“, der Titel des Albums, ist als Hommage an Sandy zu verstehen, richtig?
Ja. Wenn es demokratisch zugeht, so wie bei BLUE ÖYSTER CULT, ist es schwer, bei etwas von allen die Zustimmung zu bekommen. Sogar bei den fünf Jungs der Originalbesetzung war es wie Zähne ziehen, alle dazu zu bewegen, sich auf einen Albumtitel oder ein Artwork zu einigen. Tatsächlich konnten wir uns nicht mal auf einen Bandnamen verständigen, also gingen wir zu Sandy: „Entscheide du.“ Und er wählte BLUE ÖYSTER CULT, was aus einem seiner Texte für uns stammt. Also zurück in die Gegenwart. Ich dachte, dass ein Sandy Pearlman-Zitat nicht nur eine schöne Hommage wäre, sondern vielleicht auch ganz gut passt, also habe ich mir alles angeschaut, was Sandy jemals für uns geschrieben hatte, und diese Zeile ist mir einfach aufgefallen. Ich hatte ungefähr 25 verschiedene Stellen ausgesucht und schickte sie an unseren heutigen Manager, Steve Schenk, der bei allem, was wir machen, involviert ist. Und Steve und ich fanden „The Symbol Remains“ am besten, also schlugen wir es Buck vor und es schien eine gewisse Ausstrahlung zu haben, und wir waren uns alle einig, dass es das war.

Ich mag ihn, aber der Titel klingt auch beunruhigend nach „Das ist unser letztes Album“.
So war es nicht gedacht! Weißt du, die Leute können alles in alles hineininterpretieren. „The symbol remains“ ist einfach ein Pearlman-Zitat aus dem Song „Shadow of California“, das kannst du mir glauben.

Du warst ziemlich desillusioniert, was neue Aufnahmen angeht, oder? Ich habe ein Interview mit dir in OC Weekly gelesen, in dem du erzählt hast, wie sehr dich das Feedback auf die Alben „Heaven Forbid“ von 1998 und „Curse Of The Hidden Mirror“ von 2001 enttäuscht hat.
Das ist wahr. Wir waren auf einem anderen Label, und wir haben diese beiden Platten mit großem Einsatz gemacht, und es waren gute Songs darauf, und niemand hat sie jemals gehört, außer unserer Fanbase. Es ist heutzutage schwierig, Airplay zu bekommen, wenn man als „Classic Rock Act“ gilt – es ist eine regelrechte Zwickmühle, denn die Classic-Rock-Sender wollen nicht dein neues Zeug spielen, sondern natürlich nur die Klassiker. Und andere Musiksender sortieren dich auch unter Classic Rock ein und ignorieren dich ganz. Also stecken wir irgendwie fest. Zum Glück gibt es jetzt YouTube und Streaming, da bekommen wir vielleicht etwas mehr Aufmerksamkeit bei dieser Platte. Wir haben ein halbwegs neues Line-up, das besteht jetzt seit 14 Jahren, mit Richie Castellano und Jules Radino, nach mehreren Jahren ist auch Danny Miranda wieder zurück. Das ist eine coole Besetzung, und das wollten wir unbedingt auf Band konservieren. Also fand unser Manager das europäische Label Frontiers und handelte einen Deal aus, der für uns akzeptabel war. Wir hatten zwar schon einiges an Material, aber wir brauchten mehr, also haben wir letzten Sommer angefangen zu schreiben. Und mit dem Ergebnis scheinen nun alle ziemlich zufrieden zu sein.

Es gibt Songs, die Richie geschrieben hat, die du aber singst, wie „The Alchemist“, und Songs, an deren Entstehung du beteiligt warst, wie „Tainted blood“, die Richie singt.
„Tainted blood“ war meine Idee und ein guter Teil des Textes stammt von mir. Dahinter steckt die Frage: „Aus welchem Grund würde ein Vampir sich umbringen wollen, wenn man bedenkt, dass er ewig leben könnte?“ Ich habe den Text für den Song in einem Flugzeug geschrieben und ihn dann mit Richie ausgearbeitet. Als es dann an der Zeit war für ein Demo, hat Richie das bei sich zu Hause gemacht – was wir vereinbart haben, weil er ein gutes Homestudio hat. Er schickte es mir und ich sagte: „Rich, du klingst so gut, du solltest es singen.“ Als es an der Zeit für „The alchemist“ war, sagte er wiederum: „Ich denke, du solltest es singen.“ Der Song beruht übrigens auf einer Kurzgeschichte von HP Lovecraft.

Liest jeder in der Band Lovecraft? Du auch?
Nicht so sehr, ich bin mehr ein SciFi-Typ. Ich glaube, Buck fährt viel mehr auf Horror ab als ich, auf Literatur im Stil von Peter Straub oder Stephen King. Ich stehe mehr auf „Der Herr der Ringe“ und „Game of Thrones“, was Buck, glaube ich, überhaupt nicht gefällt. Aber ich denke, wenn man diese Geschichte gelesen hat, versteht man den Song besser. Ich fand, der Song verdient eine gesprochene Einleitung, eine Art Erklärung, und ich habe etwas aufgenommen, so mit gruseliger Stimme und Gewittersounds im Hintergrund. Aber Richie hat sich nicht dafür interessiert, also wurde es gekippt. Ich dachte: Okay, es ist dein Lied.

John Shirley hat ja auch mal einen Lovecraft-Text für dich geschrieben, „The old gods return“ von eurem Album „Curse Of The Hidden Mirror.“
Sandy Pearlman hat uns John vor 23 oder 24 Jahren vorgestellt. Und das war großartig, denn er war genau richtig für uns, und auch extrem produktiv, also habe ich irgendwann eine Mail bekommen: „Eric, hier ist ein Text, von dem ich denke, dass du ihn vielleicht gebrauchen kannst.“ Und so ist „That was me“ entstanden.

Das neue Album scheint ein bisschen härter zu sein als einige eurer früheren Alben, als ob ihr eher auf ein Metal-Publikum abzielt, oder?
Gut, „The alchemist“ rockt auf jeden Fall, „That was me“ rockt auch ziemlich. Aber „Fight“ ist sicherlich kein Metal-Song, und Bucks Lied, das er zusammen mit seinem Sohn geschrieben hat, „Train true (Lennie’s song)“, ist fast wie eine Country-Nummer. Und es enthält tatsächlich unsere erste Ballade, „Tainted blood“. Ich denke, es bietet ein paar nette, abwechslungsreiche Melodien für alle möglichen Geschmäcker. Es ist gut hörbar – es gibt aber nicht solche Knochenbrecher-Sounds, dass die Leute vor Schreck die Nadel vom Vinyl schubsen.