"It all started back in '81 when I heard THE RAMONES for the first time!" Das ist wohl der wegweisende Satz für die finnischen BLITZKRIEG BOYS, die immer noch als eine der besten und unterhaltsamsten RAMONES-Epigonen-Bands überhaupt gelten. Einen eher zwielichtigen Legendenstatus erlangte die Band aber nach ihrer Deutschlandtour im Jahr 1990, denn was dort an Unglaublichkeiten vor sich gegangen sein muss, passte zwar auf keine Kuhhaut, dafür aber in das Booklet der "Back From Nowhere"-CD, die Mitte der 90er auf Teenage Rebel Records erschien. Ich kann nur jedem empfehlen, sich diese Story mal zu Gemüte zu führen, denn was dort auf sieben Seiten über Alkoholexzesse, Chaos, unbezahlte Taxifahrten von Duisburg nach Berlin, Verhaftungen und Nervenheilanstaltseinweisungen steht, lässt sich unmöglich in dieser kurzen Einleitung zusammenfassen. Dass soviel Trubel selbst der hartgesottenste Finne nicht aushält, dürfte klar sein, und folglich zerbrach die Band direkt nach dem fatalen Deutschlandausflug. Zwar wurde 1995 ein Comebackversuch gestartet, der aber weitgehend unbeachtet blieb. 2007 wollen es die Blitzkriegjungs aber tatsächlich noch mal wissen und passend dazu ist auch ihr "20th Anniversary Album" erschienen, eine Compilation aus allen Schaffensphasen der Band. Und als wäre das nicht genug, wird die Band im Frühjahr sogar wieder deutsche Bühnen unsicher machen! Noch vor Beginn der Tour beantwortete Marty Blitzkrieg meine Fragen zur Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der BLITZKRIEG BOYS.
Marty, Mitte der Neunziger hatten die BLITZKRIEG BOYS einen weitgehend unbeachteten Comebackversuch gestartet. Was habt ihr ansonsten in der Zeit zwischen der 1990er Deutschlandtour und heute gemacht?
Ich hab eine Menge Bier getrunken und bin mit dem Taxi durch die Gegend gefahren. Nein, im Ernst! Ich hatte ernste mentale Probleme und heftige Depressionen wegen des Bandsplits, aber dank der richtigen Medikamente gehört das der Vergangenheit an. Ich habe danach in Kindergärten gearbeitet und wir hatten auch diverse Bands. Unser Bassist JK Blitzkrieg hat zum Beispiel bei den CRETINS gespielt und bei PUNK LUREX OK. Mit den BLITZKRIEG BOYS spielten wir zwischendurch zwei Jahre, aber niemand schien Interesse an uns zu haben und wir lösten uns erneut auf. Ansonsten haben wir vollkommen normale Leben gelebt und versucht, mit unseren Familien und Freunden gut zurechtzukommen.
Den meisten deutschen Fans seid ihr ja fast nur noch durch Willy Wuchers ungeheuerliche Tourstory bekannt, die im Booklet der "Back From Nowhere"-CD abgedruckt ist. Könnt ihr darüber heute lachen oder seid ihr immer noch angepisst?
Da wir wussten, dass die Story größtenteils aus Gerüchten und Lügen aus zweiter und dritter Hand besteht, haben wir uns nicht mal die Mühe gemacht, sie zu übersetzen. Damals gab es für uns keine Chance, unsere Sicht der Dinge kundzutun, deshalb waren wir natürlich angepisst und sind es auch immer noch. Das Ganze ist immer noch keine Angelegenheit, über die ich lachen kann. Sie haben ihre Wahrheit, wir haben unsere.
Dann wäre es doch jetzt mal an der Zeit eure Version der Geschichten von damals unters Volk zu bringen, oder?
Die Tour stand von Anfang an unter einem schlechten Stern, da unser regulärer Schlagzeuger nicht mitkommen wollte. Wir mussten unseren alten Drummer mitnehmen und seine Auslagen bezahlen, so dass wir schon kein Geld mehr hatten, bevor die Tour überhaupt losging. Das machte uns vorerst aber keine Sorgen, da uns nach jedem Konzert umgerechnet 120 Euro zugesagt waren, von denen wir dank unserer Tourmanager aber nie etwas gesehen haben. Ich gebe zu, wir haben wirklich viel getrunken, da der Alkohol billig war und wir bei den Konzerten viel Freibier bekommen haben. Aber starkes Trinken waren wir gewöhnt und wir waren auch immer bereit, unsere Sauerei wegzumachen, wenn mal etwas daneben gegangen war. Das mit der Taxifahrt Duisburg-Berlin und zurück stimmt auch, hatte aber den Grund, dass wir zu dem Zeitpunkt verzweifelt versuchten, unsere Tourmanager zu finden. Das war nach dem sechsten Konzert, während einer viertägigen Tourpause. Ich war zu dem Zeitpunkt wirklich ein wenig manisch, denn weil es mir nicht gelang Kontakt aufzunehmen, bin ich vier Tage am Stück wach geblieben. Letzten Endes haben wir die Taxifahrt aber selbst bezahlt und es ist niemand gestorben oder verletzt worden. Ich endete allerdings in einer Nervenheilanstalt, und auch wenn die Schwestern dort wirklich sehr nett und wunderschön waren, bin ich am neunten Tag dann doch entkommen. Die Tour war aber natürlich gelaufen und die Band am Ende. Und auch von unseren Instrumenten, die wir im Proberaum der Begleitband SHADDOX untergebracht hatten, haben wir bis heute keins wieder gesehen.
Im Booklet eurer neuen CD erzählst du auch von verschwundenen Live-Aufnahmen.
Ja, wir sollten eine Live-LP machen und die Aufnahmen wurden im Januar 1990 in Venlo mitgeschnitten. Wir haben gehört, dass es Kassettenkopien von diesen Aufnahmen gibt, also falls jemand so ein Tape besitzt, wären wir sehr dankbar, wenn ihr uns das schicken könntet. Wir würden natürlich dafür bezahlen. Knock Out Records wollen für das Original-Master-Tape 1.500 Euro und das erscheint uns dann doch ein bisschen zu teuer.
Eure Tour 2007 werdet ihr ein paar Tage vor Erscheinen dieses Interviews beendet haben, also können wir nur über eure Erwartungen reden. Was erhofft ihr euch beziehungsweise was kann Deutschland von euch erwarten?
Wir hoffen, freundliche und interessante Menschen zu treffen. Ihr könnt von uns eine etwas erwachsenere Tour erwarten, mit tollen Konzerten und weniger Trubel. Und wir werden natürlich eine Menge deutsches Bier trinken, aber nicht zu viel.
Glaubst du, dass einige Leute, die an der 1990er Tour beteiligt waren, bei euren Konzerten auftauchen werden? Würdest du sie treffen wollen?
Das weiß ich wirklich nicht, aber wenn sie vorbeikommen und sich freundlich benehmen, warum nicht? Es gibt natürlich auch Leute, die ich nicht so gerne treffen würde, aber Leute wie Roman Helwig, Stephan Zander und Anke vom Neumühler Bahnhof wären wirklich herzlich willkommen!
Die GRIZZLY ADAMS BAND hat mir scherzhaft erzählt, dass sie euch wegen der alten Geschichten nicht auf die aktuelle Tour begleiten wollte ...
Vielleicht hätten sie sich das anders überlegt, nachdem sie uns kennen gelernt hätten, denn trotz allem sind wir ja keine Dämonen oder GG Allins.
Wie steht es denn mit einem neuen Album der BLITZKRIEG BOYS und wie sehen eure sonstigen Zukunftspläne aus?
Wir werden in diesem Jahr noch neuen Kram aufnehmen, um bald ein neues Album zu veröffentlichen. Ob das in diesem oder im nächsten Jahr passiert, weiß ich noch nicht, aber es wird kommen. Ansonsten ist eine Splitsingle mit den HEARTBURNS unterwegs, mit drei unveröffentlichten Songs von uns. Ansonsten möchten wir eigentlich nur gute Musik machen, mit Bands spielen, die wir mögen, und ein zufriedenes Leben führen.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #71 April/Mai 2007 und Bernd Fischer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #69 Dezember 2006/Januar 2007 und Bernd Fischer
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #21 III 1995 und Joachim Hiller