BISON B.C. ist eines der seltsamsten Wesen, das die Musikszene Ost-Vancouvers seit BLACK MOUNTAIN, mit denen sich die Band schon oft die Bühne geteilt hat, hervorgebracht hat – allerdings gehen sie härter zur Sache, kombinieren Elemente von Metal, Punk mit einem gewissen Touch Nordwest-Pazifik-Grunge, der mich an das Gefühl der frühen Neunziger erinnert, als ich die MELVINS oder TAD in Vancouver gesehen hatte. Jedenfalls bewiesen BISON B.C. genug Talent, um für ihr zweites Album „Quiet Earth“ (2007) von Metal Blade gesignt zu werden und veröffentlichen dort auch dieses Frühjahr ihr drittes Album „Dark Ages“. Das B.C. im Bandnamen ist, ähnlich wie das geografische Anhängsel bei SUBHUMANS CANADA, eine rechtliche Formalität, um Verwechslungen und Streitigkeiten mit anderen existierenden „Bisons“ aus dem Weg zu gehen, wobei B.C. für British Columbia steht, die Provinz, aus der die Band kommt, aber auch für Before Christ, also „Altertum“. Ich sprach mit den beiden Frontmännern James Farwell und Dan And kurz vor Beginn ihrer 2010er Frühjahrstour.
Warum „Bison“ als Bandname?
James: Wir haben es gar nicht so auf einen Tiernamen angelegt, sondern mit irgendwelchen Wörtern herumprobiert, nach dem Motto: „Was sieht als Metal-Logo wohl cool aus?“ Ich bin in Manitoba aufgewachsen und der Büffel ist dort das Wappentier. Fahr mal nach Winnipeg, da siehst du Büffel einfach überall. In meinem Leben war der Büffel also schon immer ein recht starkes Bild und ich habe schöne Assoziationen zu dem Tier: stoisch, stolz, massig, kräftig. Ziemlich friedlich eigentlich, aber er könnte dich mit Leichtigkeit töten. Und er ist zurückgekommen, nachdem er fast ausgerottet wurde.
Und ihr habt darum eine komplette Geschichte aufgebaut ...
James: Es gibt da so ein relativ loses Thema, basierend auf einer apokalyptischen Vision, so eine Art Endzeitszenario. Die Idee war, dass Aliens auf die Erde kommen und alles vernichten, so dass man alles wieder so aufbauen kann, wie es eigentlich sein müsste, wenn wir nicht zu kindisch, egoistisch und unvernünftig wären, um uns anständig um den Planeten zu kümmern. Nicht dass ich besser wäre als alle anderen ...
Die Büffel wurden ja auch durch die Europäer Ende des 19. Jahrhunderts abgeschlachtet, die in die Neue Welt kamen, was wiederum mit der Vernichtung der Kultur der Ureinwohner verbunden ist. Bei diesem Bild schwingt auch noch ein Umweltschutz-Gedanke mit.
Dan: Dass Leute auch Umweltbewusstsein darin wiederfinden, habe ich schon öfter gehört, weil wir von der Ausbeutung unseres Planeten erzählen. Und dann haben wir da diese Bison-Krieger, die sagen: „Diese Typen machen ihren verdammten Planeten kaputt, wir sollten sie einfach auslöschen.“ Dieser Gedanke, dass unser Dasein auch unser Ende bedeutet – der Kollaps unserer Umwelt und Gesellschaft aufgrund unserer eigenen Dummheit. Aber wer weiß, vielleicht haben sie ja Mitleid mit uns, die Geschichte könnte überall hingehen. Kommt darauf an, wie betrunken wir sind. Davon hängt ab, welchen Weg die Story nehmen wird.
James: Wenn es ein bestimmendes Thema auf „Quiet Earth“ gab, dann war es einfach nur der Tod. Jede denkbare Art von Tod – spiritueller Tod, richtig physischer Tod, Tod der Seele, der Erde, der Kultur. In „Primal emptiness of outer space“ ist die Prämisse, dem Tod zu entkommen. Im Prinzip geht es darum, dass ein Krieg losbricht und Leute fliehen, nachdem alles zerstört ist. Sie flüchten also, suchen nach einem neuen Zuhause und finden es letztendlich auch: die Erde. Aber ich denke, wir kommen so langsam von solchen Sachen weg. Es gibt jedoch einen Song namens „Wendigo Pt. 3“ auf dem neuen Album. Wir mögen den Wendigo, weil er aus der Folklore der Ureinwohner stammt und dem menschlichen Naturell absolut entspricht. Der Wendigo ist ein nimmersatter, hungriger, böser Geist aus der Kultur der Algonquin, der von seinen Opfern Besitz ergreift und sie zum Kannibalismus treibt. Dans Song „Wendigo I“ auf „Quiet Earth“ ist aus der Sicht eines hungernden Siedlers in der Eiswüste erzählt, der sich gegen seine Kameraden wendet und sie aufisst.
Apropos Ureinwohner: Dan, du hast selbst Indianer-Blut in dir.
Dan: Mein Bruder und ich sind ohne unseren Vater aufgewachsen, was wir also über die Kultur der Ureinwohner gelernt haben, mussten wir selbst herausfinden, denn sonst war niemand in meiner Familie Algonquin. Comox, die Stadt, in der wir aufwuchsen, hatte zwar einen großen Anteil an Ureinwohnern in der Bevölkerung, aber das waren alles Haida. Die Stämme der Algonquin waren anders. Haida-Stämme hatten sich an der Westküste niedergelassen und hatten ihre Kunst, während die Algonquin im Osten lebten und den Ottawa River rauf und runter gezogen sind, immer der Nahrung hinterher. Es gab bei ihnen also nicht viel Kunst oder materielle Kultur, sie haben sich dafür mehr Geschichten erzählt.
Als du das erste Mal von dem Wendigo gehört hast, gab es also eine Verbindung zu deiner Abstammung.
Dan: Absolut. Dazu kommt noch: Als ich zuerst etwas vom Wendigo gehört habe, im Fernsehen oder so, da habe ich höllisch Schiss gekriegt, so gruselig fand ich die Geschichte.
Ist es denn auch furchteinflößend, sich gedanklich an die düsteren Orte zu begeben, die nötig sind, um „Wendigo“ zu singen?
Dan: Nein, es ist eher befreiend. Ich bin mir sicher, dass jeder sich in seinem Leben schon mal an solch düsteren Orten wiedergefunden hat und nicht wusste, wie er anderen Leuten beschreiben soll, wie sich das anfühlt. Also ganz ehrlich, mir hilft es, dass ich darüber singen kann, ganz nach dem Motto: Manchmal habe ich solche Gefühle in mir und ich weiß nicht, wie ich sonst damit umgehen soll.
Lass uns mal über eure musikalischen Einflüsse reden. Ihr spielt ja grundsätzlich Metal, aber bei euren Texten denke ich eher an Punk. Wie siehst du das?
James: Mich haben BLACK FLAG immer stark beeinflusst. Die waren heftig und politisch, und haben junge Leute für ein paar grundsätzliche Sachen sensibilisiert – zum Beispiel Machtkämpfe, Leben am Rande der Gesellschaft, die beschissenen Cops, die Regierung, Geisteskrankheit. Und dann gab’s noch die DESCENDENTS, die mir alles über Mädchen beigebracht haben. Und dann noch BAD BRAINS, und BAD RELIGION.
Dan: Der Punk, mit dem ich großgeworden bin, war so was wie BLACK FLAG, BORN AGAINST, RORSCHACH und viel politischer Crust-Punk. Außerdem stand ich auf die alten METALLICA, SEPULTURA und SLAYER. Und auch Crossover-Bands, die irgendwie Punk und Metal machten, wie CORROSION OF CONFORMITY.
Ich meine, auch den Einfluss der MELVINS auf eure Musik heraushören zu können.
Dan: Ich liebe die MELVINS, das ist so eine bizarre Band, die da aus dieser ganzen Seattle-Szene, oder wie auch immer man das nennen soll, gekommen ist. Ich habe diesen Vergleich schon vorher von Leuten gehört und das ist sehr schmeichelhaft. Ich wäre auch gerne in der Lage, einen siebenminütigen Song zu schreiben, aber ich kann so was einfach nicht. Ich bin auch schnell gelangweilt, genau wie James. Wir sind schon ziemlich wählerisch, wenn wir etwas spielen, und wenn es nicht total hypnotisch ist, heißt es meistens: Okay, der Part ist zu lang, machen wir jetzt mal was ganz anderes. Klar, gibt es auch lange, sich wiederholende Parts, es kommt einfach darauf an, was uns packt.
James, in deinem Leben außerhalb der Band arbeitest du mit Drogenabhängigen.
James: Ja, ich arbeite in einem Obdachlosenheim an der Downtown Eastside in Vancouver, bei einem Verein, der sich um Drogenkonsumenten kümmert, die psychische Probleme haben. Ich bin ein so genannter „Community Support Worker“, und es ist so, dass die Leute zu uns kommen und wir versuchen, ihnen zu helfen, was auch immer sie brauchen – ob es einfach eine saubere Nadel ist oder ein Schlafplatz. Es ist ein oft ziemlich deprimierender Job.
Bist du durch diesen Job politisch engagierter geworden?
James: Ich war nie ein besonders politischer Mensch, aber je älter ich werde, desto wütender werde ich. Wenn man nur lange genug an der Downtown Eastside arbeitet, ist es unmöglich, nicht auf die Idee zu kommen, dass unsere Regierung arme Leute umbringen will, indem sie sich nicht um sie kümmert. Um nicht so etwas zu denken, musst du schon blind sein.
Ihr sagt, der Song „Two days booze“ vom neuen Album wurde vom Leben in Vancouver beeinflusst ...
James: Es geht um einen Freund, der immer Schnaps aus allem Möglichen gebrannt hat. Und einmal verwendete er als Hauptzutat abgelaufene Becher mit Obstsalat, in denen sich nach zwei Tagen schon Alkohol gebildet hatte. „Two days booze“ beruht auf der Idee, dass die Dinge manchmal so schnell passieren, dass du denkst, es sei eine ziemlich gute Idee, aber eigentlich ist es das ganz und gar nicht ... Es geht schnell und du kommst irgendwie ans Ziel, aber im Endeffekt hättest du dir nicht vielleicht die Zeit nehmen sollen, um etwas Vernünftiges zustande zu bringen.
Euer Song „Wartime“ ist auf jeden Fall ein ziemlich politischer Song, da heißt es in einer Zeile „killing the pigs“ ...
James: Ja, ich gebe zu, das ist eine von diesen Pauschalaussagen, aber ich mag einfach keine Ungerechtigkeit und die Cops. Die haben Knarren und ich mag keine Typen mit Knarren. Und ich mag auch nicht, dass einige wenige die Macht haben, alle anderen zu kontrollieren. Es funktioniert einfach nicht, schau dir nur Vancouver an.
Abschließend noch eine Frage zum Coverartwork des neuen Albums, das wie auch bei den anderen Alben Mike Payette gemacht hat. Was genau steckt dahinter?
James: Das Cover ist von einem buddhistischen Tempelgemälde in Thailand inspiriert worden. Die Idee dahinter ist folgende: Auf seinen Reisen war Buddha auf einmal von Schlangen umzingelt und sie wirkten sehr bedrohlich. Aber eigentlich beschützten die Schlangen ihn vor den Dingen, die einen vom Weg abkommen lassen – nämlich Freude und Genuss. Es geht also darum, dass wir auch vor uns selbst beschützt werden müssen. Ich bin zwar kein religiöser Mensch, aber ich mag diese Idee irgendwie.
Und was hat es mit dem Titel eures neuen Albums, „Dark Ages“ auf sich?
James: Das ist keine Anspielung auf das Mittelalter, sondern durchaus wörtlich zu verstehen.
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