BIRDS IN ROW

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Phoenix aus der Asche

Drei Jungs aus der kleinen Stadt Lavel, die östlich von Paris liegt, reisen seit knapp zwei Jahren kreuz und quer durch Europa. Das Trio fährt von Bühne zu Bühne und lässt keine Gelegenheit aus, Menschen ihre Musik vorzuspielen. Bald hat jeder schon einmal etwas von ihnen gehört, bei knapp 130 Konzerten in zwei Jahren ist das auch kein Wunder. BIRDS IN ROW nehmen bei Konzerten mit ihrem Auftritt oft den anderen Bands die Butter vom Brot. Bei den diesjährigen Heartcoretagen in Wermelskirchen ließen sie sogar die famosen I NOT DANCE im Regen stehen. Die Mischung aus Sludge, Punkrock und dem krächzend-heiseren Gesang bringt frischen Wind und begeistert. Nachdem die erste EP bereits vergriffen ist, neigt sich auch der Vorrat der neusten Veröffentlichung „Cottbus“ dem Ende zu. Der sehr gesprächsfreudige Sänger Bart erklärt im Folgenden, wofür die Band steht.

Was steckt hinter dem Namen der aktuellen Veröffentlichung?

Wir haben „Cottbus“ im Sommer 2010 aufgenommen, was kurz nach unserer allersten Tour war. Wir entschieden uns für den Namen „Cottbus“, weil wir auf dieser Tour ein paar Probleme hatten. Genauer gesagt, ist unser Van in der Nähe der Stadt Cottbus kaputt gegangen und wir waren gezwungen, zwei weniger schöne Tage in Cottbus zu verbringen. Uns wurde dabei im Vorfeld gesagt, dass Cottbus eine beschissene Stadt sei, und dann waren wir in dieser beschissenen Situation. Alles zusammen war das sehr bedrückend und eine finstere Erfahrung, die uns wie ein Fluch erschien. Deshalb nannten wir die EP „Cottbus“, um dieses Kapitel abzuschließen und hinter uns zu lassen. Gleichzeitig haben wir zu ungefähr der gleichen Zeit beschlossen, regelmäßig EPs zu veröffentlichen, sobald wir Material haben, das wir nicht für ein Album nutzen können. Die EPs würden wir dann benennen nach guten oder schlechten Erinnerungen, die wir von unseren Touren haben.

Tatsächlich wurde „Cottbus“ von vielen als eure erste LP wahrgenommen.

Ja, das ist ziemlich komisch. Für uns ist es nur eine EP, wobei viele dachten, es sei ein reguläres Album, weil sieben Lieder drauf sind. Wir wollten diese sieben Titel aufnehmen, bevor wir uns an die Arbeit für unser erstes Album machen. Es ist nämlich so, dass wir in sehr kurzer Zeit einen Haufen Lieder geschrieben haben, weil wir so schnell wie möglich touren wollten. Die ersten vier packten wir auf „Rise Of The Phoenix“. Dennoch wollten wir die restlichen Ideen, die wir hatten, auch aufnehmen, weil ich glaube, dass ein Lied, das man nicht aufnimmt, gewissermaßen stirbt. Uns war es also wichtig, auch diese Titel aufzunehmen, auch wenn sie nicht für ein Album geeignet waren, dafür ist das Material einfach nicht kohärent genug. Darüber hinaus waren wir sehr überrascht, wie groß das Interesse an unserem Werk war und überhaupt über die ganzen tollen Reviews, die wir bekamen. Labels kamen auf uns zu und wollten unser Album veröffentlichen und auf unseren Shows reißen die Leute uns die Platten aus der Hand. Die 100 Kopien, die wir für die Tour im Gepäck hatten, waren in nur zwei Wochen verkauft.

Ihr seid sehr viel unterwegs und spielt unglaublich viele Konzerte. Mir scheint, dass ihr sehr engagiert seid in dem, was ihr tut.

BIRDS IN ROW gründeten sich auf den Resten der Band, die unser Drummer Timmy und ich für knapp acht Jahre hatten. Kurz bevor die Band sich auflöste, kamen wir auf den Geschmack des Tourens und des Reisens mit einer Band und hatten den Eindruck, dass das genau das ist, was wir machen wollen. Ich rief also unseren Bassisten Dito an, der ein guter Freund von mir ist und von dem ich wusste, dass er genauso denkt wie Timmy, und fragte ihn, ob er mit uns eine neue Band gründen will, die sich zum Ziel setzt, so viel wie möglich zu touren. Wir begannen sofort zu proben und nahmen nach nur einem Monat „Rise Of The Phoenix“ auf. Das ging alles ziemlich schnell, denn unser Ziel war es, andere Orte, Länder und deren Subkulturen, insbesondere die D.I.Y.-, Punkrock- und Hardcore-Szenen, die ja doch in jedem Land unterschiedlich sind, zu erkunden. Wir haben nicht das Geld, die Welt zu bereisen, also nutzen wir die Band, um unserer Heimat zu entfliehen. Je erwachsender man wird, desto verbundener ist man mit seinem Heimatort. Wir aber wollen nicht so sein, wir versuchen, uns so weit weg wie möglich von unserer Heimatstadt zu befinden, die in den letzten Jahren einfach zu vereinnahmend und bedrückend wurde. Die Band wurde also ganz klar des Tourens wegen gegründet und wir denken nicht, dass das Ende der Fahnenstange bereits erreicht ist. Wir haben ungefähr 130 Konzerte in zwei Jahren gespielt, doch wir glauben, dass wir immer noch mehr schaffen können. Das ist zwar sehr ehrgeizig, aber mittlerweile haben wir es uns selbst bewiesen, dass wir ein oder zwei Monate am Stück unterwegs sein können und es uns immer noch Spaß macht.

Wenn ihr permanent auf Tour seid, wovon handeln eure Texte? Reflektiert ihr eure Erlebnisse der Reisen oder verarbeitet ihr persönliche Gefühle und Erfahrungen?

Ich denke, es ist etwas von beidem. Meistens schreibe ich, wenn ich zu Hause bin. Die Texte sind die Früchte der Gefühle, die ich habe, wenn ich in meiner Heimat bin, konfrontiert mit den bedrückenden Gedanken und Zwängen, einen Job zu finden, zu studieren, zu heiraten und Kinder zu kriegen. So etwas findet man aber nicht nur in unserer Stadt, sondern überall, ob in Leipzig oder Budapest. Jeder steht unter dem gleichen sozialen Druck, der sich zwar geringfügig zwischen den Kulturen unterscheiden kann, letztendlich aber auf das Gleiche hinausläuft: Geld zu verdienen, um Teil dieser „normalen“ Welt zu sein. Wenn wir auf Tour sind, versuchen wir diese Zwänge hinter uns zu lassen. Mir geht es schlecht, wenn ich zu Hause bin und versuche, ein Leben abseits der Norm zu führen. Zum Beispiel arbeite ich selbstständig als Grafiker, kann aber kaum Geld damit verdienen, also sehne ich mich immer danach, wieder auf Tour zu gehen. Daher, glaube ich, leben die Texte von der Tour, aber auch von meinen Gefühlen, die ich zu Hause habe.

Fürchtet ihr euch davor, dass die Band eines Tages ein normaler Job werden könnte?

Wir fürchten uns nicht, sind uns der Gefahr aber sehr bewusst. Die Vorstellung, morgens um sechs aufzuwachen und in den Van zu steigen, um die nächste Show zu spielen, ist gruselig. Grundsätzlich wollen wir mit der Band kein Geld verdienen, das ist uns sehr wichtig. Man muss wirklich eine Grenze zwischen Arbeit und Leidenschaft ziehen, nicht dass man nicht leidenschaftlich einer Arbeit nachgehen kann, aber für mich hat das, was wir machen, nichts mit „normaler“ Arbeit zu tun.

Als Grafiker bist du wahrscheinlich auch für das Artwork zuständig, oder?

Ja, ich war von Beginn an zuständig für das Artwork. Wir stellen alle unsere T-Shirts, Cover, Poster und Aufnäher selbst im Siebdruck her. Eigentlich alles, was man mit Siebdruck bedrucken kann, haha. Darüber hinaus schneiden wir alle Verpackungen für die CDs und Platten selbst aus. Hier geht es nicht um Fashion-D.I.Y., es ist uns wirklich unglaublich wichtig, weil wir nicht wie Händler wirken wollen. Wir wollen kein Produkt weiterverkaufen, das in einer Fabrik gepresst und eingepackt wurde. Wenn wir schon etwas verkaufen, dann muss es von uns selbst hergestellt sein. Zwar muss man dafür kleine Fehler im Detail des Drucks in Kauf nehmen, aber scheiß drauf, du hast es selbst gemacht. Zudem verkaufen wir unsere Sachen ohne festen Preis, weil wir keine Händler sind. Ich weiß einfach nicht, welcher Preis angemessen für ein Shirt oder eine Platte ist. Damit versuchen wir auch dieses Verhältnis von Verkäufer und Kunde zu vermeiden, es ist vielmehr so was wie: „Wenn du uns helfen willst, dann gib uns etwas Geld, damit wir Benzin tanken können, und ich gebe dir dafür ein T-Shirt.“

Trotzdem arbeitet ihr mit relativ vielen Labels zusammen. „Cottbus“ wurde von sechs Labels veröffentlicht. Wie passt das zu eurem D.I.Y.-Ansatz?

Wir waren uns von Anfang an einig, dass wir kein eigenes Geld in das Pressen von Platten investieren wollten. Wir finanzieren bereits die Aufnahmen und das Mastering selbst, um uns die Freiheit zu nehmen, unsere Musik zum freien Download anzubieten beziehungsweise generell nicht eingeschränkt zu sein. Aber was das Pressen betrifft, fehlen uns einfach die finanziellen Mittel. Weil keiner von uns ein geregeltes Einkommen hat, sind wir auf die Hilfe von Labels angewiesen. Wir versuchen auch immer, unterschiedliche Leute für unsere Veröffentlichungen zu gewinnen. Dennoch arbeiten wir nur mit Labels zusammen, deren Attitüde uns sympathisch erscheint. Das italienische Label I Scream For Ice-Cream gründete ein Freund von uns, nur um unsere EP rauszubringen. Throatruiner aus Frankreich hat unglaublich viel Mühen in die Promotion von „Cottbus“ gesteckt, was uns all die tollen Reviews beschert hat. Und auch Vitriol aus den USA ist uns überaus wichtig, einfach, weil sie uns veröffentlichen wollten, was erst mal eine riesige Überraschung für uns als junge Band war, und vor allem, weil Bands wie DANGERS und GHOSTLIMB ein großer Einfluss für uns in den Anfangstagen waren.

Und wann können wir nun mit eurem ersten Album rechnen?

Wir arbeiten permanent daran. Ein großes US-Label will „Cottbus“ noch mal nachpressen, also müssen wir die Veröffentlichung der LP etwas nach hinten verschieben. Wir haben aber schon eine genaue Vorstellung und zwar wollen wir ein sehr kohärentes Album machen. Dafür wollen wir einen ganzen Monat schreiben und das neue Material direkt aufnehmen, um die Stimmung einzufangen, hier gibt es noch viel zu tun. Wir wollen mit dem Album etwas Spezielles veröffentlichen, mit einer außergewöhnlichen Aufmachung, die nachvollziehbar macht, was wir unterwegs erleben, allem voran, um es unseren Familien und Freunden näher zu bringen. Jedes Mal, wenn wir zu Hause ankommen, wissen wir nicht, was wir sagen sollen, weil wir selbst von all den Eindrücken überwältigt sind, deswegen sagen wir lieber gar nichts. Daher ist es uns wichtig, dass die Verpackung des Albums unser Erlebtes und die Erinnerungen widerspiegelt. Also, ich denke, wir haben noch genug Arbeit vor uns.