Billy Hopeless ist ein charismatischer Frontmann, der eine gewisse Glamrock-Ästhetik auf der Bühne ausstrahlt, die an frühe ALICE COOPER und KISS erinnert. Egal, in welcher Band er singt, seine Performance ist immer eine überzeugende Hommage an den amerikanischen Punkrock der ersten Stunde, an die DEAD BOYS, die NEW YORK DOLLS, die NERVOUS EATERS ... Seine Band BLACK HALOS erlebte ihren Höhepunkt im Jahr 2001, als „The Violent Years“ auf Sub Pop erschien. Nachdem die Band 2008 am Ende war, gab es ein kurzes Intermezzo in einer anderen Band namens THE BONITOS. Als sich auch diese Band auflöste, kam für Hopeless eine kurze Phase der Inaktivität. Das war aber 2015 vorbei, als er sich wieder mit dem früheren BLACK HALOS-Gitarristen Rich Jones zusammentat, um den Track „Gutterball“ für eine Split-7“ mit HIP PRIESTS aufzunehmen. Dieses Jahr haben er und Jones zwei weitere neue Songs aufgenommen: „Fossil fuel“ und „Geisterbahn II“, und zwar als BLACK HALOS. Und er organisierte sogar eine gemeinsame Europatour, mit Shows in Spanien, Portugal und London. Kurz vor dem Tourstart kam in Vancouver dieses Interview zustande.
Billy, bei welcher Gelegenheit hast du erstmals die NEW YORK DOLLS und DEAD BOYS gehört?
Zuerst habe ich die im Fernsehen gesehen, in „Don Kirshner’s Rock Concert“. Ich erinnere mich, dass ich noch aufgeblieben bin und mein großer Bruder – die Dolls liefen gerade – meinte, die wären wie schlechte AEROSMITH, die schlechte ROLLING STONES-Songs spielen. Aber ich dachte mir, ich stehe auf diese Band, die sind der Wahnsinn! Und vieles hat man so mitbekommen. Bei den Jungs, die ein paar Jahre älter waren, ist immer ein Typ dabei, der dann ankommt und meint: Kleiner, vergiss KISS, das ist Babykram, hör dir lieber das oder das an!
Hast du DEAD BOYS oder die NEW YORK DOLLS auch mal live gesehen? Oder Johnny Thunders, der ja mal hier in der Nähe gespielt hat?
Nein. Ich war bei DEVO, bei D.O.A., den PLASMATICS, KISS und anderen tollen Konzerten. Und bei Stiv Bators war ich auch nicht. Als das „Urgh! A Music War“-Konzert stattfand, hätte ich eigentlich hingehen können, aber ich hab’s verpasst. Bev Davies erzählt die wildesten Geschichten. Es könnte mich so ohrfeigen, dass ich nicht dort war!
Eigentlich wundert es mich, dass es nicht noch mehr Bands gibt, die wie die DEAD BOYS sein wollen.
Da gibt es schon einige, nur sind die wenigsten davon gut. Mal gibt’s mehr, mal weniger. Irgendwann vor ein paar Jahren hatte ich bei BLACK HALOS einen Song geschrieben, „There’s nothing left to prove / Everybody’s nuts and bleeding“ heißt es da, weil ich damals eine echte Krise hatte, mit mir selbst und mit der Musikindustrie. Ich war voll deprimiert und fing an, mich selbst zu verletzen und mir Schnitte zuzufügen. Und wie auf Stichwort war das auf einmal wieder angesagt. Das kommt und geht in Phasen. In unserem Song „Fossil fuel“ geht es darum, dass Band-Shirts in irgendwelchen Mainstream-Modeshops verkauft werden, aber die wenigsten Käufer kennen die Band. Die Leute tragen ein RAMONES-Shirt und haben nicht die leiseste Ahnung, wer das ist. Diese „Ramonies“, ist das nicht eine Modemarke? Vor einer Weile waren die NEW YORK DOLLS dran. Sarah Jessica Parker trug ein Dolls-Shirt, und jeder zweite hatte eine Ananas-Frisur oder trug Cougars. Da denkt man: Scheiße, was haben wir nur getan? Dass jeder aussieht wie ich, ist sicher das Letzte, was ich will. Macht doch euer eigenes Ding!
Du pflegst auf jeden Fall deinen ganz eigenen Stil.
Wenn man mich fragt, wie eine Band aus Vancouver aussieht, würde ich sagen: Na ja, nimm einen Typen mit einer Jeansweste mit einem Haufen Aufnähern drauf und Buttons, der aussieht, als wäre er im Jaks-Skate-Team. Wer die nicht kennt, das war ein Hardcore-Skateboard-Team, wo auch Leute von DAYGLO ABORTIONS dabei waren, allesamt berühmt-berüchtigt Rowdys. Okay, normalerweise trägt er ein Baseball-Cap, wahrscheinlich einen Kapuzenpullover, dazu irgendwelche Baggy Pants, und er hat einen braunen Bart und braune Haare. Und schon hast du’s, so sieht eine Band hier aus. Wenn man mich dann fragt: Meinst du eine bestimmte Band? Such dir eine aus. Aber auf jeden Fall ist definitiv eine Sängerin dabei, mit Nietenweste, das ist momentan total angesagt. Weißt du, der Typ Courtney Love oder wie Brody von den DISTILLERS – ein Mädchen, das schreit und komplett irre ist. Das genügt, um zu beschreiben, was eine Punkband von heute ausmacht. Aber worauf es eigentlich ankommt, ist ja doch, dass du dich auch an die Songs einer Band erinnern kannst. Wenn du aus dem Stegreif einen Song von ihnen singen kannst, dann erst weißt du, du das ist ein guter Song. So was findest du allerdings nicht allzu oft. BISHOP’S GREEN sind momentan so eine Band hier, bei der das funktioniert, wahrscheinlich weil Greg eine schöne Stimme hat.
Was hat du dich wieder mit Rich, dem früheren BLACK HALOS-Gitarristen, zusammengebracht?
Die Solo-7“, die ich aufnehmen wollte. Ich musste mir überlegen, wer als Musiker dafür infrage kommen könnte. Also habe ich angefangen herumzufragen und Rich war sofort am Start: „Ich bin dabei, ich mach das!“ Er kannte nicht einmal den Song. Ich meinte: „Bist du sicher?“ Und er: „Ich finde alles, was du machst, wirklich super! Ich liebe deine Sachen.“ Also haben wir’s gemacht. Ursprünglich wollte ich die Konzerte in Spanien ja als Billy Hopeless-Solotour durchziehen, aber plötzlich waren wir beide der Ansicht: Wenn wir das jetzt machen, und wir haben ja auch die Halos zusammen gegründet – wir beide haben uns auch nie wirklich getrennt –, warum sollten wir das Ganze nicht wieder BLACK HALOS nennen? Ich hatte sowieso vor, Halos-Songs zu spielen ...
Warum hatte er damals die Band verlassen?
Über die Sache ist Gras gewachsen und wir haben das hinter uns gelassen, also gibt’s keinen Grund, das wieder aufzuwärmen. Er war immer der beste Gitarrist und Songwriting-Partner, mit dem ich je zusammengearbeitet habe. Als wir uns das erste Mal trafen, waren wir Platten kaufen und ich habe Rich ausgelacht, weil er irgendeinen Michael Monroe-Scheiß auf pinkem Vinyl haben wollte. Er weiß alles über HANOI ROCKS und ist ein Riesenfan von ihnen, und er würde alles von ihnen kaufen, am besten mehrfach. Deshalb freue ich mich gerade riesig für ihn, er gehört nämlich zum aktuellen Line-up der Soloband von deren früherem Sänger Michael Monroe. Für ihn wird gerade ein Traum wahr. Schon als Kind hatte er davon geträumt, eines Tages bei HANOI ROCKS zu spielen.
Wie hast du Rich damals kennen gelernt?
Er hatte eine Annonce geschaltet im Kleinanzeigenteil der Georgia Straight, so einem kostenlosen Lokalblatt. Ich kannte ihn schon vom Sehen, ich habe damals als Straßenhändler Schmuck verkauft. Ich wollte wieder eine Band gründen, deshalb habe ich jeden angequatscht, den ich getroffen habe und der halbwegs cool aussah, ob er ein Instrument spielt und in meine Band einsteigen will. Rich hat mich bloß ignoriert, er ging einfach an mir vorbei. Aber er hatte wie gesagt die Anzeige in der Straight geschaltet, in der er die SEX PISTOLS und HANOI ROCKS erwähnte. Schließlich habe ich ihn angerufen und gefragt: „Wie sieht’s aus mit den STOOGES, den Dolls und den RAMONES?“ Niemand sonst mochte das Zeug in Vancouver; zumindest wollte keiner so etwas spielen. Ich wollte mich mit ihm zum Jammen treffen und er kam nicht. Er hatte schon einen Bassisten, Rob Hunter – später der erste Bassist der BLACK MARKET BABIES , wie BLACK HALOS ursprünglich hießen –, aber sie kreuzten die ersten beiden Male nicht auf. Ich wusste allerdings, dass Rich bei „Sam the Record Man“ arbeitete, seinerzeit ein beliebter Plattenladen in Vancouver auf der berühmten „Seymore Street record row“. Deren Läden haben aber alle schon längst dicht gemacht. Also ging ich hin und drohte ihm: „Ich hab jetzt zweimal auf dich gewartet. Wenn du nicht bald auftauchst, dann komme ich jeden Tag zu dir auf die Arbeit und benehme mich wie das letzte Arschloch.“ Also kam er und wir haben sofort zwei Songs geschrieben, „Retro world“ und „B.S.F.“, unsere ersten gemeinsamen Sachen.
Kannst du dir eine Zukunft für die BLACK HALOS vorstellen, jetzt da du wieder mit Rich vereint bist?
Das ist so eine Sache, ich weiß nicht ... Wir werden ausprobieren, ob wir das überleben, ohne uns gegenseitig umzubringen oder uns eines Tages zu hassen. Aber selbst wenn wir es schaffen, er hat die MICHAEL MONROE BAND und keiner erwartet von ihm, das für irgendetwas aufzugeben. Das wird so zwischendurch laufen. Aber ich hoffe, dass wir weiterhin Songs schreiben, das wäre großartig. Wir hatten uns vorher 17 Jahre nicht gesehen, allein deshalb kann es nur interessant werden.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #128 Oktober/November 2016 und Allan MacInnis