Als Fanziner hat man´s nicht leicht: Unmengen von Platten und CDs flattern einem ins Haus, wollen gehört, beurteilt und besprochen werden. Die Ausfallquote ist mittlerweile freilich erfreulich klein, denn die Labels, die miese Bands rausbringen, kapieren meist irgendwann, daß ihre Sachen überhaupt nicht oder nur schlecht besprochen werden. Einfacher macht das meinen "Job" allerdings nicht, denn so verlagert sich die Langeweile und Mittelmäßigkeit lediglich auf ein höheres Niveau. Wirkliche Hitplatten, um zum Thema zu kommen, sind dementsprechend selten, und ist mal eine Band dabei, die sich schon beim ersten Anhören ins Gehirn frißt und mit jedem weiteren Hören sogar noch besser wird, dann ist das ein Grund zum Feiern. "Crossing common borders" von den holländischen BAMBIX ist so eine Platte, und wer nach ihrem Beitrag zur letzten Ox-CD anderer Meinung ist, dem kann ich nun auch nicht mehr helfen. Angesichts der Genialität des Albums war für mich also klar, daß ich die BAMBIX interviewen muß. Zur Tat schritt ich im Krefelder "Schlachthof", wo das zu zwei Dritteln weibliche Trio trotz eher mangelhafter P.A. einen begeisternden Auftritt hinlegte. Interviewsprache war übrigens Deutsch.
Ihr seid...
Beer: Beer, ich bin der Schlagzeuger.
Maniet: Ich bin Maniet, ich spiele Bass.
Willia: Und ich heiße Willia, spiele Gitarre und singe.
Zu meiner Schande muß ich gestehen, daß ich erst mit der neuen CD auf Vitaminepillen von euch erfuhr.
Willia: Das macht nichts, aber uns gibt es schon ein bißchen länger, nämlich seit acht Jahren. In der Besetzung mit Beer spielen wir seit drei Jahren.
Beer: Das Album auf Vitaminepillen ist die zweite BAMBIX-Platte, aber bei der ersten war ich noch nicht dabei.
Maniet: Zu der Zeit waren wir noch eine reine Frauenband. Damals trommelte Willia, und als dann Beer als Drummer einstieg, wechselte Willia an die Gitarre. Die erste CD erschien damals auf Gap Records, einem Sublabel von Konkurrel.
Als ich "Crossing common borders" zum ersten Mal hörte, klangt ihr für mich wie eine perfekte Kombination aus CREAMERS und FASTBACKS.
Willia: Wer sind die FASTBACKS? Die kenne ich nicht!
Ähm, öh, hm, naja, die kommen aus Seattle und spielen genauso herrlich zuckersüßen Punkrock wie ihr.
Maniet: Im Ernst? Auf was für ´nem Label sind die denn?
Auf SubPop.
Willia: Eine Band auf SubPop, die guten Punkrock spielt? Willst du mich verarschen?
Nein, ehrlich, die sind ziemlich genial. Tja, gibt´s denn dann andere musikalische Vorlieben oder gar Vorbilder?
Willia: Von Vorbildern würde ich nicht sprechen, denn wir spielen einfach nur das, was wir für schöne Musik halten.
Beer: Wenn du wissen willst, was wir zuhause für Musik hören, dann sind da jede Menge Bands darunter, die musikalisch nur wenig mit uns zu tun haben.
Willia: Vieles davon ist nicht einmal Punk, etwa Leonard Cohen, Mary Black, INDIGO GIRLS, Michelle Shocked,... (Willia spricht Beer auf Holländisch an, was ich natürlich nicht verstehe)
Was hat sie zu dir gesagt? Los, sprich!
Beer: Sie meinte, ich dürfe auch etwas sagen, auch wenn ich nur der Schlagzeuger bin, haha. Es ist allerdings so, daß ich mit dem Songwriting, den Melodien, gar nichts zu tun habe.
So? Und wer ist dafür verantwortlich?
Willia: Ich schreibe die Songs, und die Texte stammen sowohl von Maniet wie auch mir.
O.k., zurück zu euren Einflüssen.
Willia: Wir können dir natürlich jede Menge Bands aufzählen, die wir mögen, die wir aber nicht als musikalische Einflüsse ansehen.
Beer: Einflüsse sind für mich weniger, daß man einen ganzen Song oder eine ganze Platte gutfindet, sondern liegen mehr im Detail: Es sind Kleinigkeiten, die einem gefallen und die man versucht, in die eigene Musik zu integrieren.
Draußen in der Kneipe laufen MILLENCOLIN und bei denen ist es doch recht einfach, Vorbilder und Einflüsse herauszuhören. Darauf wollte ich hinaus...
Beer: Ich weiß, aber ich denke, wir haben einen eigenen Stil und brauchen nicht Elemente von anderen Bands zu übernehmen. Und wenn wir solche Details in unsere Musik einbauen, hört man das nicht heraus.
Willia: Außerdem haben wir diese Art von melodischem Punkrock schon gespielt, als das noch nicht so populär war. Wir sind, auch wenn es sich nicht so anhört, weit mehr von den DEAD KENNEDYS als von NO FX beeinflußt.
O.k., lassen wir das. Ist eine Punkband einfach nur ´ne Punkband mit einem mittelprächtigen Sänger, interessiert das niemand. Hat eine Punkband jedoch eine Sängerin, wird diese Tatsache meist zum stil- bzw. eindruckprägenden Detail. Naja, und mit Willia habt ihr eine Sängerin...
Willia: Ja, stimmt! Als wir noch eine reine Frauenband waren war das noch viel krasser. Da ging es für viele nicht in erster Linie um die Musik, sondern um die Tatsache, daß da drei Frauen auf der Bühne stehen. Bei Konzerten und unseren Platten wurden sofort Vergleiche mit anderen reinen Frauenbands gezogen und unsere Musik stand im Hintegrund. Seit Beer dabei ist hat sich das glücklicherweise geändert. Jetzt wird zwar vermerkt, daß BAMBIX eine Band mit Frauengesang ist, aber das steht nicht mehr im Vordergrund. Die BAMBIX werden jetzt in erster Linie über die Musik und nicht mehr über ihr Line-Up wahrgenommen.
Die Reduzierung auf den Fakt "Frauenband" hat euch also gestört.
Willia: Klar! Das ist total nicht wichtig ob wir Männer oder Frauen oder Affen sind! Das ist total egal.
Aber ob ihr RebellInnen sein wollt oder nicht, in einer männerdominierten Szene wie der Punk- und Hardcore-Szene ist eine Band mit Frauenanteil immer was besonderes.
Willia: Na klar! Früher, mit drei Frauen, war das allerdings doch sehr vordergründig. Jetzt sind wir immer noch irgendwie außergewöhnlich, aber im positiven Sinne, und damit habe ich kein Problem.
Spielen Sachen wie Feminismus oder der Riot Grrrl-Gedanke bei euch eine Rolle?
Willia: Für uns als Einzelpersonen schon, aber nicht im Zusammenhang mit der Band. Aber auch da nicht irgendwie dogmatisch, sondern eher in der Form, daß ich mache, was ich will und mir von keinem was sagen lasse. Wir sind uns über unseren Standpunkt so klar, daß wir das als Band nicht thematisieren müssen.
Maniet: Wir brauchen unsere Meinung zu dem Thema nicht in unser Bandinfo zu setzen, das ist viel zu selbstverständlich: Das ist in Art von die...
Willia: ...Tierchen.
Äh, war das jetzt die Übersetzung einer holländischen Redewendung?
Willia (lacht): Ja!
Kannst du mir das mal buchstabieren?
Willia: Klar, das heißt bei uns "aard van het beestje".
Habt ihr eine Erklärung dafür, weshalb trotz eines über fünfzigprozentigen Bevölkerungsanteil der Frauen die Quote in der Punk- und Hardcoreszene mit viel Glück bei zehn Prozent liegt? Und warum ist das bei den BAMBIX anders?
Maniet: Wir haben damals die Musik so geliebt, daß wir so was auch mal selber machen wollten. Also gründeten wir die BAMBIX. Der Gedanke, mit den BAMBIX zu beweisen, daß Frauen sowas auch können, spielte überhaupt keine Rolle. Wir hatten Lust auf die Musik und es kam uns gar nicht in den Sinn, daß die Tatsache, daß wir Frauen sind, uns als Band zu was besonderem machen könnte.
Willia: Außerdem gab es in unserem Umfeld noch andere Frauenbands, es war also nichts neues. Wir drei standen auf Punkrock, beschlossen eine Band zu gründen und dann suchte sich jede ein Instrument aus. Alle unsere Bekannten spielten damals in Bands, wir wollten das auch, und zufälligerweise waren wir drei Frauen, das ist alles. Insofern hatten wir auch kein Problem damit, mit Beer einen Mann in die Band zu nehmen.
Ihr kommt aus Nijmegen...
Maniet: ...und aus Eindhoven, ja.
Ja, und? Das ist zwar nur ´ne Stunde vom Ruhrgebiet entfernt, aber man bekommt hier in Deutschland nicht viel mit von der dortigen Szene. Also erzählt mal ein bißchen was.
Willie: Die Sache beruht auf Gegenseitigkeit: Bei uns spielen englische, amerikanische, französische und italienische Bands, aber auf Deutschpunk stehen die Holländer nicht. Bei uns bevorzugen die Leute Bands mit englischen Texten. Und was die Bekanntheit bzw. Beliebtheit holländischer Bands in Deutschland betrifft, so ist es damit auch nicht weit her. Aber bei uns gibt es auch nicht viele gute Bands.
Maniet: Ein anderes Problem ist auch, daß deutsche Bands genügend Auftrittsmöglichkeiten im eigenen Land haben und sich deshalb nicht so um Auslandsauftritte kümmern müssen. Wir dagegen sind auf Konzerte außerhalb Hollands angewiesen. Die holländische Szene ist so klein, daß sich alle Bands untereinander kennen. Das Problem ist nur, als holländische Band an Kontakte im Ausland zu kommen, denn innerhalb des Landes kannst du dich um alles selber kümmern und kennst die wichtigen Leute. Um in Deutschland an Konzerte zu kommen, brauchst du jemanden, der sich darum kümmert.
Willia: Ein weiterer Grund, weshalb wir uns jetzt stärker um Auftritte außerhalb kümmern, ist die Entwicklung, daß viele US-Bands mittlerweile eigene Vorbands mitbringen. Früher konnte man zumindest noch als Support spielen, aber das ist jetzt vorbei. Außerdem gibt es in Holland kaum kleine Clubs und Jugendzentren, in denen man spielen kann. Das konzentriert sich auf ein paar wenige, größere Läden, und so ist es für kleine Bands leichter, in Deutschland Auftritte zu bekommen.
Früher war das aber doch mal anders, da gab es bei euch jede Menge besetzter Häuser und Kulturzentren.
Willia: Ja, aber das hat sich stark verändert in den letzten Jahren. Die Läden, die heute "kommerziell" und groß sind - etwa das Dornrösje in Nijmegen oder das Effenaar in Eindhoven - waren früher kleine, alternative Szeneclubs. Die sind im Laufe der Jahre mit der wachsenden Beliebtheit von Undergroundmusik gewachsen und so jetzt für kleine Bands zu groß. Nimm das Paradiso in Amsterdam: 1986 war das ein alternativer Club, heute ist das ein Rocktempel.
Der Ausweg aus dieser Situation heißt für euch also deutsches Label und Touren in Deutschland.
Willia: Ja, das gefällt uns sehr!
Wie werdet ihr hierzulande aufgenommen?
Willia: Viel besser, als wir geglaubt haben. Auf dieser Tour waren eigentlich überall ganz ordentlich Leute, und so läuft es für uns echt gut. Ein Problem hat sich allerdings ergeben: Wir spielen immer nur eine Stunde, dann haben wir unser Programm durch und müßten von vorne anfangen. Ein paar Leute sind deshalb sauer geworden, als wir keine Zugabe spielen konnten.
In Deutschland gab es in den letzten Monaten immer wieder mal Berichte darüber, wie unbeliebt die Deutschen gerade bei jungen HolländerInnen seien. Euer Kommentar dazu?
Maniet: Ich halte solche Berichte für nicht besonders seriös. Ich denke, da werden weitverbreitete Witze falsch verstanden.
Willia: Früher war das allerdings ziemlich schlimm mit den Vorurteilen, und diese Stereotypen sind bis heute nicht ganz aus den Köpfen verschwunden: Für euch sind wir die Käseköppe und wir sind überzeugt, daß ihr nur Bratwurst eßt und immer laut seid. Nein, ich glaube nicht, daß die holländische Jugend ausgesprochen deutschenfeindlich ist.
Wieso sprecht ihr drei eigentlich so perfekt deutsch?
Beer: Weil wir seit zwei Wochen in Deutschland auf Tour sind.
Willia: Wir hatten in der Schule Deutsch als Fremdsprache, aber Plichtfach war das nicht. Aber eigentlich spricht in Holland jeder ein bißchen Deutsch - mit einer Ausnahme: Anita, unsere Fahrerin.
Was macht ihr beruflich?
Willia: Ich habe Englisch studiert, bin jetzt fertig und auf der Suche nach einem Job.
Beer: Ich war auf einer Graphikerschule, habe in dem Job eine Weile gearbeitet und bin jetzt arbeitslos. Wenn also jemand einen Job für mich hat...
Maniet: Ich habe Graphik studiert und arbeite in einer Siebdruckerei.
Zum Schluß müßt ihr mir natürlich noch erzählen, was es mit dem Namen BAMBIX auf sich hat.
Maniet: Bambix ist in Holland ein Hersteller von Babybrei. In Holland kennt den Namen jeder, das ist sowas wie bei euch Milupa oder so. Und bald wird auch in Deutschland jeder Bambix kennen, denn die Firma will expandieren. In einem Jahr ist der Name garantiert total bekannt. Wir waren mit unserer kleinen Tour sozusagen nur die Vorhut, denn dahinter steckt ein ausgeklügelter Marketingplan. Demnächst gibt es sogar Fernsehwerbung.
Ihr laßt also andere für euch Werbung machen und bezahlen.
Willia: Klar, das ist ja viel billiger. Wir haben das ganz genau geplant.
Und was ist mit der Firma? Die haben nichts dagegen, daß ihr den Namen geklaut habt?
Willia: Nein, wir stehen von Anfang an mit denen in Briefkontakt. Die wünschen uns immer viel Erfolg, und wir haben von denen eine schriftliche Erlaubnis. Wir haben denen unsere neue CD geschickt, und die hatten keine Einwände.
Die scheinen also etwas freundlicher zu sein als Becks-Bier oder König Pilsener, die den BECKS PISTOLS und den LOKALMATADOREN gleich mit dem Anwalt gedroht haben.
Willia: Vielleicht liegt es daran, daß wir so nett sind. Die Bambix-Leute wollten nur wissen, ob unsere Texte o.k. sind und nicht vielleicht negativ für das Firmenimage. Ich habe ihnen angeboten, sie ihnen zuzuschicken, aber das wollten die dann doch nicht.
Wer schreibt die Texte?
Maniet: Willia und ich. Unsere Texte sind meistens recht persönlich, drehen sich um Sachen, die uns gerade beschäftigen. Direkt politisch sind sie also nicht.
Was sind eure derzeitigen Lieblingsplatten?
Beer: "Mush" von LEATHERFACE.
Maniet: "Breaking things" von ALL.
Willia: "Common thread" von den SPERMBIRDS.
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