Mit ihren Debütalbum „Want It Need It“ haben BABY STRANGE vor sechs Jahren ordentlich Staub aufgewirbelt. Die Single „Pleasure city“ lief sogar im Glasgower Hampden Park vor dem EM-Qualifikationsspiel zwischen Schottland und Deutschland. Es sah gut aus für das Trio aus Glasgow, bis Corona kam und alle Ambitionen ausbremste. Aber die Schotten machten aus der Not eine Tugend und nutzten die Zeit für ihr zweites Album „The World Below“. Das ist um einiges dunkler ausgefallen als sein Vorgänger, erzählen Sänger und Gitarrist Johnny Madden und Schlagzeuger Connaire Mc Cann.
Wie seid ihr als Band zusammengekommen? Die Legende sagt, dass Langeweile dafür verantwortlich war.
Johnny: Das stimmt zu 100%. Als wir im Sommer 2012 angefangen haben, waren wir ziemlich frustriert. Wir hatten alle keine Jobs und waren ständig nachts unterwegs. Da haben wir immer dieselben Gesichter gesehen und immer dieselben Sachen gemacht. Wir waren einfach von uns selbst gelangweilt. Deshalb haben wir angefangen, schnelle Punkrock-Songs zu schreiben, um mal was Aufregendes zu tun. Damals gab es noch nicht viele Bands in Schottland mit so einem Sound.
Habt ihr vorher schon in anderen Bands gespielt in der Glasgower Punk-Szene?
Connaire: Wir stammen eher aus der Partyszene, würde ich sagen. Wir haben schon immer Punk und Rock’n’Roll geliebt, waren aber nie Teil einer bestimmten Szene. Uns ging es darum, mit Kumpel abzuhängen und abends auszugehen. Zu dieser Zeit gab es überall Hauspartys. Wir dachten uns, als Band bei solchen Partys aufzutreten, wäre doch eine gute Sache.
Johnny: Connaire und ich haben vorher schon in einer anderen Band gespielt. Ich am Bass und er am Schlagzeug. Die war aber ziemlich schlecht, deshalb verrate ich dir den Namen nicht, haha. Für unseren Bassisten Aiden ist es die erste Band überhaupt. Als wir angefangen haben, war er erst 16 und ist noch zur Schule gegangen.
Ihr seid ja ziemlich DIY. Ihr nehmt euch selbst auf, dreht eure eigenen Videos und kümmert euch selbst ums Artwork. Überzeugung oder Notlösung?
Johnny: Ich mag den Gedanken immer noch, dass wir eine DIY-Band sind. Inzwischen haben wir aber ein ganzes Team von Leuten, die uns unterstützen und denen wir vertrauen. Vor zehn Jahren hatten wir einfach keine Kohle, kein Management und kein Label, das alle Rechnungen bezahlt. Deshalb mussten wir alles selbst machen. Wir hatten gar keine andere Wahl.
Connaire: Es macht uns aber einfach auch Spaß, überall die Finger im Spiel zu haben. Diese DIY-Strategie ist uns jetzt im Lockdown zugute gekommen. So mussten wir uns nicht auf andere verlassen, die wir sowieso nicht treffen können.
Wie groß ist der Fortschritt, den ihr mit „The World Below“ gemacht habt? Ich finde, die Songs haben einen erkennbar dunkleren Spin im Vergleich zum Vorgänger.
Johnny: In meinen Augen haben wir einen gewaltigen Schritt nach vorne gemacht. Unsere neue Platte ist viel massiver und mutiger als „Want It Need It“. Und ja, die Songs sind diesmal viel düsterer geworden. Das hört man deutlich. Das komplette Album ist im Lockdown entstanden, in einer der dunkelsten Stunden unserer Tage. Die Songs für unser Debütalbum sind über Jahre hinweg gewachsen, aber „The World Below“ wurde binnen weniger Wochen geboren. Deshalb hat es einen bestimmten Vibe, das hatte unser erstes Album nicht. Außerdem hat das neue Album keinen Live-Aspekt, wir haben einen Großteil der Songs immer noch nicht auf der Bühne präsentiert. Zwischen Demo- und Studioaufnahmen konnten wir keine Gigs spielen. Aber das ändert sich ja jetzt hoffentlich.
Johnny, vor dem Album hast du in einem Interview gesagt, dass du dachtest, ihr würdet nie wieder eine Platte veröffentlichen.
Johnny: Bei uns gab es immer wieder Höhen und Tiefen, wie bei den meisten Bands. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt einige schlechte Erfahrungen mit Plattenfirmen, Managements und Booking-Agenturen hinter uns. Irgendwann hatten wir das Gefühl, dass sich niemand mehr für uns interessiert. Aber zum Glück haben wir uns entschieden weiterzumachen und das zu tun, was wir am meisten lieben, nämlich Musik.
Ihr habt euch dann zurückgezogen und neue Songs geschrieben. Wo war das? Bei euch zu Hause?
Connaire: Nein, wir waren in einer Hütte nicht weit entfernt von Glasgow. Es hat sich aber angefühlt wie mitten im Nirgendwo. Es war Sommer und wir konnten uns trotz Lockdown eine Art Ferienwohnung auf dem Land anmieten, um dort zu arbeiten. Das hatten wir vorher noch nie gemacht. Dort sind dann alle Songs und Demoaufnahmen entstanden. Erst danach sind wir nach Glasgow in ein richtiges Studio gegangen.
Bei der ersten Single „Only feel it when I’m with you“ arbeitet ihr mit der australischen Sängerin Hayley Mary von THE JEZABELS zusammen. Wie ist diese Kooperation entstanden?
Johnny: Hayley ist mit einem Kumpel von uns verlobt: Johnny Took, der Gitarrist der australischen Band DMA’S. Die beiden haben ungefähr ein Jahr lang zusammen in Schottland gewohnt. So haben wir sie ins Studio eingeladen und sie hat sofort zugesagt. Seitdem sind wir in Kontakt geblieben.
Lass uns doch mal über die Texte reden. Drehen sich alle um den Lockdown?
Johnny: Ein großes Thema auf „The World Below“ ist Eskapismus. Natürlich bedingt durch den Lockdown. Ich habe mich zu diesem Zeitpunkt wie in einer Falle gefühlt, ohne Hoffnung auf einen Ausweg. Viele Songs beschreiben aber auch Träume, die ich in dieser Zeit hatte. Viel wildere Träume als sonst. Viel aufregender. Offenbar hat mich die Langeweile sehr stimuliert, haha.
Connaire: Das Leben im Lockdown war einfach völlig surreal. Die Menschen haben ihre Existenz einfach komplett ins Internet verlagert. Das hat uns sehr beschäftigt.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #162 Juni/Juli 2022 und Wolfram Hanke
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