2000 gab es das Internet, wie wir es kennen, bereits. Discogs und Wikipedia (gegründet 2001) allerdings noch nicht, entsprechend hatten gedruckte Musiklexika noch ihre Berechtigung – eigentlich. Christian Graf, Jahrgang 1953, Musikjournalist, stellte damals dieses „Punk Lexikon“ zusammen, mit viel Recherche in englischsprachigen Werken (Trouser Press, etc.) und unter Rückgriff auf frühere von ihm verfasste Rockmusik-Nachschlagewerke. Rein handwerklich also gute Voraussetzungen, doch im Detail war und ist dieses Buch ein Graus, so dass es heute angesichts vieler besserer Quellen keinen Nutzwert mehr hat. Sätze wie „Athletik-Punker aus Kalifornien“ und „Sensation der Saison“ zu OFFSPRING waren und sind so absurd, dass es einen heute noch beim Lesen gruselt. Noch absurder: Fast jede „neue“ Band wird vom Autor unter „Punk Revival“ rubriziert – keine Ahnung, was der damit meinte, ich habe nie irgendwo sonst diese Genrebezeichnung in Verwendung gesehen. Bei anderen Bands, etwa den ONYAS aus Australien, findet sich außer diesem fiktiven Genre nur die Auflistung zweier Alben – sonst nichts. Und von diesen Mini-Einträgen gibt es viele, was mich damals schon störte.
Ein schlimmes Machwerk, wie es entsteht, wenn ein „Außenstehender“ rein formal und ohne Herzblut vorgeht. Gut, dass die Schwarmintelligenz seitdem weitaus bessere und permanent aktualisierte Quellen geschaffen hat, siehe die eingangs erwähnten. Hier wird der größte Nachteil gedruckter Nachschlagewerke offenbar, der letztlich auch der Sargnagel für Brockhaus und Encyclopedia Britannica war: die geringe Halbwertszeit und begrenzte Tetxlänge. Weshalb es klug von Autoren und Verlagen ist, Musikbücher so anzulegen, dass sie über Vergangenes berichten. Andererseits: damals gab es auch keine Alternative – aber sehr wohl bessere Nachschlagewerke, zumindest im englischen Sprachraum.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #133 August/September 2017 und Joachim Hiller