ANTIKÖRPER

Da Ritchy und Nico wenig Bock hatten die Bandgeschichte runterzuseiern, gibt´s für euch die wichtigsten Facts in aller Kürze. Aus den Überresten von BRAINDEAD formierten Sänger und Rhythmusgitarrist Richi und Kumpel Phil (Drums) mit dem altgedienten Punkrock-Recken Peter (u.a. SHEEP ON A TREE) und Basser Nico 1996 ANTIKÖRPER. Der Deal mit Amöbenklang ist eher zufällig zustande gekommen. Ursprünglich sollten Antikörper mit zwei Songs auf dem zweiten "Hamburger Schmuddelkinder"-Sampler vertreten sein, doch durch diverse Umstände kam es nicht dazu. Folglich schickten sie die beiden bereits aufgenommen Songs an Gott und die Welt. Ein Tape landete auch bei Alge von Amöbenklang auf den Schreibtisch. Der ließ sich nicht lange lumpen und bot ihnen einen Deal an. Ihr Debüt "Raus" ist im Februar 1998 erschienen. Nun zu dem, was danach geschah und demnächst folgen wird.

Momentan bereitet ihr euch schon für die neue Scheibe vor. Was hat sich seit dem Erscheinen von "Raus" musikalisch verändert?

Ritchy: Musikalisch hat sich auf jeden Fall was getan. Als Nico dazu gekommen ist, stand das Material für die Platte schon. Die Songs auf der Platte sind auch schon recht alt. Wenn man sie intensiv hört, merkt man, daß die Songs in verschiedene Richtungen gehen. Mittlerweile haben wir uns als Band gefunden. Den neuen Stücken wird auf jeden Fall eine Weiterentwicklung anzuhören sein. Dieser Entwicklungsprozeß läuft von alleine. Ich habe aber ein persönliches Problem damit, ich kann nicht singen, aber ich möchte es gerne versuchen. Wenn ich dann lauter Kritiken lese, in denen steht, der Sänger hat ´ne tolle Kratzstimme, dann finde ich das zwar sehr nett, es liegt aber nur daran, daß ich nicht singen kann. Trotzdem werde ich bei der nächsten Produktion versuchen zu singen. Wenn es mir nichts gelingt, dann werde ich halt weiter schreien. Ganz einfach, das ist halt ´n Entwicklungsprozeß.

Die Platte ist jetzt schon seit längerer Zeit draußen. Gibt es rückblickend Songs, die ihr in dieser Form nicht mehr aufnehmen würdet?

Nico: Ich würde einiges anders spielen, vor allem mit ´nem anderen Sound, aber im Grunde kann man schon ganz zufrieden damit sein.

Ritchy: Die Songs sind in Ordnung. Bis auf "Tanga Fatale" spielen wir auch alle Songs noch live. Es kommt aber immer darauf an, worauf wir gerade Bock haben, oder was wir gerade geprobt haben. Ich habe manchmal Probleme damit Songs zu spielen, bei denen ich mich textlich extrem reingehangen habe.

Zum Beispiel?

Ritchy: Ach, da gibt´s so einige. Es sind vor allem zwei Songs, die ich eigentlich nicht mehr singen kann, und das tue ich dann auch nicht mehr. "Tanke" gehört zum Beispiel dazu.

Ist doch eigentlich schade, oder?

Ritchy: Ich könnte mich hinstellen und sagen ich bin Profi und rappel den Text einfach runter - aber ich singe Songs von innen heraus! Wenn ich das Gefühl habe, ich kann einen Songs wegen meiner momentanen inneren Stimmung nicht singen, dann lasse ich es bleiben.

Eure Texte sind nicht immer leicht nachvollziehbar, wird sich das bei den Texten der neuen Platte ändern?

Ritchy: Die Texte der neuen Platte werden direkter werden. Allerdings nicht, weil wir glauben, die Leute würden die Texte nicht verstehen oder können für sich nicht genug rausziehen. Im Vergleich zur letzten Platte gibt´s auf der neuen einfach mehr Situationen, die man auch real beschreiben kann, z.B. politische Auseinandersetzungen. Da gibt´s einen speziellen neuen Song, der sehr direkt ist. Der heißt "Geh´ wo du wohnst".

Worum geht´s in dem Song?

Ritchy: Nach dem Fußballspiel Leipzig gegen St. Pauli, meinten die Leipziger Fans, sie müßten Randale machen. Wir haben zwei Fußballfans in der Band - ich mag Fußball allerdings gar nicht - und wir waren auf der Feier danach dabei, und das war so widerlich, daß wir uns dachten, dagegen müssen wir uns aussprechen. Viel helfen wird´s auch nicht, aber es mußte einfach verarbeitet werden.

Ihr wart bereits zweimal auf Tour, wie habt ihr die Tourneen organisiert?

Ritchy: Wir haben die anderen Bands vom Amöbenklang Label kennengelernt und dachten uns, es wäre eine schöne Sache zusammen auf Tour zu gehen.

Nico: Die sind alle total eklig...

Ritchy: Wir haben uns dann viel gestritten... nee, der Pöppel-Markus, der Gitarrist von den EX-PERTEN und ich haben die Tour organisiert. Wir haben die SKEPTIKER als Headliner mitgenommen, damit wir die Hallen voll kriegen... naja. Vor allem hat es uns eine Menge an Erfahrung gebracht. Wir werden die Tour im Herbst 1999 wiederholen, allerdings werden wir nur zu zweit auf Tour gehen, nämlich mit den EX-PERTEN. Wir werden kleinere Clubs nehmen und diese dann hoffentlich auch voll bekommen. Die zweite Tour haben wir mit AURORA aus Ungarn gemacht, daraus hat sich eine Freundschaft entwickelt. Wir werden demnächst eine gemeinsame Platte auf den Markt bringen, auf der wir uns gegenseitig covern. Im März werden wir auch ein paar Gigs im Norden zusammen spielen, und im Juni spielen wir in Ungarn auf einem Festival, das die Auroras organisiert haben.

Wie ist der Kontakt mit AURORA zustande gekommen?

Ritchy: Bevor Nico in der Band war, haben wir mit AURORA einen Gig in Rahlstedt zusammen gespielt, danach im Café Planet in Hamburg. Danach haben wir uns überlegt, daß wir doch mal eine kleine Tour zusammen machen könnten. Die Splitplatte mit AURORA wird übrigens über mein eigenes Label K-Klangträger veröffentlicht. Unsere zweite Scheibe wird aber wieder bei Amöbenklang erscheinen.

Du hast also ein eigenes Label gegründet. Nähere Infos bitte, wieso weshalb, warum?

Ritchy: Ich hab nicht wirklich ein Label gegründet. Ich hatte die Idee für eine befreundete Band, in der Phil übrigens auch Schlagzeug spielt, eine Single zu veröffentlichen. Ich denke, daß es gerade in der Hamburger Szene im Augenblick machbar ist, Bands in kleiner Stückzahl auf Vinyl zu veröffentlichen, da man davon ausgehen kann, daß man die eine oder andere Platte los wird. Deshalb hab ich mir gedacht, ich gründe mal ´n Label. Das war die ursprüngliche Idee. Dazu ist es aber bisher leider nicht gekommen, da es die Band - RIO BENI - leider nicht schafft, ordentlich zu proben und sich mit mir zusammenzusetzen und ein paar neue Songs aufzunehmen.

Aber als wir mit AURORA auf Tour waren, haben wir uns gefragt, was man machen könnte, um es den Menschen einfacher zu machen AURORA zu hören. Die Leute kommen zwar zu den Konzerten, weil sie die Musik gut finden und die Stimmung stimmt, die die Band rüberbringt, aber kaum einer versteht die Texte die sie singen. Da haben wir uns gedacht, es wäre eine gute Idee, die Texte ins deutsche zu übersetzen und uns gegenseitig zu covern. Ich habe mir Gedanken gemacht, wie wir das realisieren, da es im Rahmen des Vertrages mit Amöbenklang nicht möglich ist und ich hab mir gedacht, dann mach ich es eben selbst und gründe ein Label. Die RIO BENI-Single wird aber auf jeden Fall auch noch kommen, irgendwann, aber sie wird kommen.

Es ist zwar schnell gesagt, ich gründe jetzt ein Label, aber damit alleine ist es ja nicht getan.

Ritchy: Ja, stimmt. Ein Label gründen ist ganz einfach. Du nimmt ´n bißchen Geld und druckst einen Labelnamen auf die Platte. Das Problem ist natürlich die Frage, wie wirst du die Platten los, und wie vertreibst du sie. Ich überlege, ob ich es vielleicht in Zusammenarbeit mit Amöbenklang mache oder mit False Insight Records, die auch einen ganz guten Vertrieb haben. Da die Platte mit AURORA streng auf 500 Vinyls auf 10 Zoll und 500 CDs limitiert sein wird, wird es wohl kein großes Problem sein, die Platten los zu werden.

Warum preßt ihr für Deutschland Vinyl und für Ungarn nur CDs?

Ritchy: Die Leute von AURORA haben mir gesagt, daß es in Ungarn keinen Sinn macht eine Platte zu machen, da die keiner mehr kauft. In Ungarn werden nur CDs und Kassetten gekauft. Das liegt vielleicht an dem jüngeren Publikum, die alle keinen Plattenspieler mehr besitzen.

Viele Leute aus der Szene sind am rumjammern, daß Punkrock am Boden liegt und es früher einfacher war, sich zu etablieren. Ist Punkrock eigentlich in der Krise?

Ritchy: Die Musikszene ist im Augenblick allgemein am Rumjammern, und zwar von A bis Z. Es hat sicherlich damit etwas zu tun, daß es heute in Anführungsstrichen einfacher ist, sich selber zu vermarkten. Du kannst dir selber CDs brennen und sie verkaufen, was früher ja nicht möglich war. Heute ist das ja alles nicht mehr teuer. Deshalb jammert jeder der in einem bestimmten Status ist, sprich vor einem Plattenvertrag steht. Es ist halt nicht einfach, sich gegenüber anderen Bands durchzusetzen. Aber mit Punkrock im speziellen hat das nicht viel zu tun, denn Punkrock wird immer wieder totgesagt und immer wieder kommen Bands ans Licht, die es - auch kommerziell gesehen - schaffen.

Ich habe das Gefühl, daß es eine sehr große Spaltung in den Köpfen der Leute zwischen Deutschpunk und anderen Stilrichtungen wie ´77 oder Crossover-Acts wie z.B. DRITTE WAHL gibt, die mit viel Metal-Elementen arbeiten. Ist das wirklich ein Problem, oder existiert dies nur in ganz spezifischen Kreisen des Punkrock?

Ritchy: Nee, gar nicht. Das ist wirklich ein großes Problem, gerade für uns, die wir uns nicht als klassische Deutschpunk Band verstehen und dort auch nicht eingeordnet werden wollen. Natürlich sagt jede Band, wir wollen nicht in eine Schublade gesteckt werden. Wenn die Leute den Bandnamen ANTIKÖRPER hören, heißt es sofort, wir sind Deutschpunk. Wenn sie sich allerdings mit uns auseinandersetzen, stellen viele fest, daß ist ja doch kein Deutschpunk, obwohl die Texte deutsch sind. Wir sehen es auch ein bißchen als unsere Aufgabe an, dieses Feld zu bearbeiten.

Wie würdet ihr euch als Band definieren?

Ritchy: Wir machen deutschsprachigen Punkrock.

Ist die Kategorisierung nicht unglaublich bescheuert?

Ritchy: Sie ist schwierig - aber sinnvoll. Klar, keiner möchte sich irgendwo einordnen lassen, aber es macht auch Sinn sich einzuordnen. Wenn ich jemandem sage, wir machen Punkrock, dann kann er sich vielleicht etwas drunter vorstellen aber nicht das, was es wirklich ist, denn Punkrock kann ja extrem unterschiedlich sein. Man muß Musik halt hören, Musik kann man nicht beschreiben. Aber in dem Augenblick, wo du z.B. über Musik schreiben mußt, mußt du die Musik in Worte fassen. Ich sehe es aber nicht als meine Aufgabe an, unsere Musik zu definieren. Ich weiß, was ich mache, ich weiß, daß ich es gerne mache, und wenn uns jemand definieren will, soll er das tun. Ich sträube mich auch nicht dagegen. Wenn jemand sagt, wir sind Deutschpunk, dann sage ich schon was dazu, was aber nicht heißt, daß ich gegen Deutschpunk etwas habe. Ich höre Deutschpunk sehr gerne.

Habt ihr euch ein Ziel gesetzt, das ihr mit ANTIKÖRPER erreichen wollt?

Ritchy: Ich setze mir immer Ziele. Als wir angefangen haben Musik zu machen, haben wir gesagt, daß wir eine Platte rausbringen wollen, wie auch immer - als Fernziel natürlich. Daß es so schnell geklappt hat, da hat keiner mit gerechnet. Wir waren alle sehr erstaunt darüber. Dann haben wir uns als Ziel gesetzt eine Tour zu machen, die wir dann ja auch gemacht haben. Im Augenblick haben wir uns als Ziel gesetzt, möglichst viel Spaß zu haben. Wir wollen mit der Musik kein Geld verdienen. Kann man gar nicht und ist ja auch nicht Sinn der Sache. Natürlich liegt irgendwo das Ziel, daß man nicht mehr so viel Geld reinstecken muß...

Nico: ...oder zumindest etwas von dem Geld wieder rauskriegt, was man reingesteckt hat.

Von ANTIKÖRPER mal abgesehen, habt ihr euch auch persönliche Ziele im Leben gesetzt?

Ritchy: Ich hab mir als ganz persönliches Lebensziel gesetzt, daß ich mal im Rollstuhl meine Krankenschwester tyrannisieren werde.

Nico: Ich will mich nur weiterentwickeln, zu was Vernünftigem.

Das ist ja langweilig...

Nico: ..aber ´ne Krankenschwester werde ich nicht tyrannisieren.

Ritchy: Ich hab mir auch zum Ziel gesetzt, Menschen die mich interviewen so zu unterstützen, daß sie sich vernünftige Aufnahmegeräte kaufen können.

Wow, danke! (Kurze Anmerkung: Da mein olles Aufnahmegerät beim Interview irre rumgezickt hat, muß ich wohl Mitleid erregt haben) Wollt ihr noch was wichtiges sagen, habt ihr noch was auf dem Herzen?

Ritchy: Nicht wirklich... ich finde, die Leute sollten... nee doof... weiß nicht.

Nico: Guter Schluß mit "nee, doof".

Doc Brille