Aus Cleveland, Ohio kommen die AMERICAN WEREWOLVES, die schon seit 2004 aktiv sind und aus THE PLAN hervorgingen. Man tendiert ja mittlerweile dazu, jede Band, die mit hymnischen Chören in MISFITS-Manier arbeitet, als „Horrorpunks“ zu titulieren, aber das würde den Werewolves nicht gerecht. Die MISFITS-Einflüsse sind da, aber da ist auch Streetpunk zu hören und SOCIAL DISTORTION, also ein Rundumschlag in Sachen gröligen, mitsingtauglichen Punkrocks, der auf Schminke verzichtet. Die 13 Songs des neuen Albums „Wanderers Forever“ sind ein sehr kurzweiliges Vergnügen – und ein weiterer Beweis, dass Cleveland auch 2010 noch eine sehr gute Quelle für exzellenten Punkrock ist. Ich stellte Trevor Moment und Brendan Moore ein paar Fragen.
Wer oder was sind die AMERICAN WEREWOLVES?
Trevor: Hier in Cleveland hat sich unsere Band immer stark von den anderen in der Stadt unterschieden. Cleveland ist bekannt für sehr metallastige Hardcore-Bands, wie INTEGRITY, ONE LIFE CREW/OLC und RINGWORM. Wir mussten uns den Respekt in der Stadt erkämpfen. Wir spielten hart, wir sind niemals vor jemandem oder etwas zurückgewichen und haben uns so einen Namen gemacht. Von daher würde ich sagen, dass AMERICAN WEREWOLVES echte Individualisten sind. Ich denke, dass es im Punkrock darum geht, zu tun, was du willst, nicht was cool oder angesagt ist. AW war immer eine energiegeladene, brutale Punkband und der Name spiegelt das wider.
Brendan: Trevor hat Recht, wir sind Individualisten im wahrsten Sinne des Wortes, weil wir immer gemacht haben, was sich für uns richtig anfühlt, und es ging am Ende für uns immer besser aus, als es begonnen hatte. In Cleveland ist es einfach, das zu mögen, was gerade angesagt ist, besonders wenn eine lokale Band gerade etwas Label-Aufmerksamkeit bekommt. Wir haben für so was nichts übrig. Wir lieben, was wir tun und ich glaube, dass sich das in der Musik zeigt. Jeder, der mal bei den AMERICAN WEREWOLVES war, weiß, was es bedeutet, in dieser Band zu spielen und was es braucht, um in dieser Band zu sein. Ich will nicht arrogant wirken, denn darum geht es nicht. Es geht eher um ein Gefühl oder eine Verbindung der involvierten Personen. Wenn du dir alle Alben nacheinander anhörst, kannst du Veränderungen in der Musik erkennen, aber irgendwie klingt es immer nach den AMERICAN WEREWOLVES.
Was fasziniert euch denn in diesem Zusammenhang am Werwolf-Mythos?
Trevor: Gar nicht mal so viel, es war ein cooler Name. Ich denke, der beste Aspekt daran ist die Dualität des Menschen, vom Menschen zum Monster werden, wie eine ruhige, gewöhnliche Person wirken, aber in der Lage zu sein, sich in etwas wirklich Hässliches und Brutales zu verwandeln.
Brendan: Darüber hinaus ist der Werwolf-Mythos interessant, weil er einen Instinkt berührt, den der Mensch zwar besitzt, aber oft versucht zu ignorieren, und es im Grunde so ist, dass – wie weit die Menschen auch entwickelt sein mögen – wir immer noch Tiere sind.
Dieser Mythos wurde schon auf unterschiedlichste Weise miss- und gebraucht, negativ ist etwa seine Verwendung in der deutschen Nazi-Bewegung. Welche positiven Aspekte möchtet ihr hervorheben?
Trevor: Ein Individuum zu sein, im Leben den steinigen Weg zu nehmen. Wenn du anders bist oder einen starken Sinn für Individualismus hast, kannst du gehasst und gefürchtet werden, aber als Individuum auch eine Menge Macht und Respekt erhalten.
Brendan: Neben der Idee von Individualität, sehe ich nichts zwingend Gutes oder Schlechtes am Werwolf-Mythos. Hauptsächlich jagen und töten Werwölfe und haben, wenn sich zurück in einen Menschen verwandeln, wenig oder gar keine Erinnerung an das Geschehene. Ich denke nicht, dass es angebracht ist, etwas Negatives an einem Tier zu sehen, das tut, was von einem Tier erwartet wird.
Eure Musik ist eine Mischung aus Punkrock, Oi! und Death/Horror-Punk. Welche Elemente dieser Szenen faszinieren euch, welche Bands haben euch beeinflusst?
Trevor: Ich möchte der ganzen Musik, die mich inspiriert, immer Anerkennung zollen. Also versuche ich Elemente unterschiedlicher Musik in AW zu verbinden – Elvis, Roy Orbison, CLASH, RAMONES, BAD BRAINS, COCK SPARRER, MISFITS ... All das Zeug, das vor uns war, das uns zum Musikmachen inspiriert hat. Die alten Klassiker sind die Besten, alter Rock’n’Roll, früher Hardcore, Roots-Punkrock. Die meiste moderne Musik ist ein Witz.
Brendan: Die ersten paar Jahre des Punks sind in jeder Hinsicht sehr faszinierend für mich. Es war eine so starke Reaktion auf das, was zu der Zeit passierte. Ich war vielleicht gerade erst auf der Welt, als es passierte, also kann ich nicht aus Erfahrung sprechen, doch es wirkte so ehrlich auf mich. Manchmal wünsche ich mir, so etwas würde jetzt passieren. Wenn ich mir eine Band wie die ADOLESCENTS anhöre, fühle ich mich, als bekäme ich einen Einblick in die Dinge, wie sie damals wirklich waren. Punk scheint eine Spiegelbild davon zu sein, wie es ist, ein verwirrter, wütender und hässlicher Jugendlicher zu sein. Ich bin neidisch auf die Menschen, die BLACK FLAG oder die GERMS oder die BAD BRAINS damals live sehen konnten. Wie aufregend es gewesen sein muss, 16 und in der Highschool zu sein und diese spannende, neue Musik zu haben, die nur du und eine Handvoll Menschen kannten. Ich rede hier vermutlich über eine ziemlich verklärte Sichtweise des Ganzen, doch glaube ich, dass ich eine ziemlich gute Vorstellung davon habe, wie es gewesen sein könnte. Natürlich sind Oi! und Deathrock nur Ableger von Punkrock, aber jeder hatte seine eigene Kraft. Es gibt einige gute Bands aus dem Oi!- und Deathrock-Bereich, aber viele waren am Ende nur noch eine Parodie ihrer selbst. Ein paar der Bands, die mich beeinflussen, sind CLASH, COCK SPARRER, ADOLESCENTS, Billy Bragg, Desmond Dekker, SAMHAIN/MISFITS und die Liste ist noch länger. Trevor hat mir Sam Cooke nahegebracht. Ich mag auch eine ganze Menge an Stax-Records-Zeug. Oh, und ich liebe Reggae und Ska, denn Bassisten hören gern anderen Bassisten zu.
Cleveland hat eine große Punkrock-Tradition.
Brendan: Mein Wissen über irgendeine Szene hier ist ein ziemliches Außenseiterwissen. Soweit ich sagen kann, gibt es zwei Szenen. Metal und „Anderes“. Früher probten wir in einem Fabrikgebäude im Westen von Cleveland und ich wage zu behaupten, dass 94% der Bands dort Metal-Bands waren. Metal. Überall. Typen aus Metal-Bands, die Nebenprojekte mit Typen aus anderen Metal-Bands haben. Es gab mal eine Zeit, in der die Cleveland-Musikszene vielschichtiger war. Es gab einige tolle Bands hier, wie THE PAGANS und THE GC5, von denen die meisten Leute niemals erfahren werden. Ich finde das wirklich traurig, denn den Leuten entgeht wirklich gute Musik.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #93 Dezember 2010/Januar 2011 und Joachim Hiller
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