ALVERAN RECORDS

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Vom Schulpsychologen zum Tempel der Götter

Das in Bochum ansässige Core-Label Alveran Records bedient seit mittlerweile einer halben Dekade die Hardcore-Szene mit „kurzweiligen“ Hardcore-Knallern der metallischeren Sorte.
Jedoch bietet das Programm inzwischen auch einige Old-School-Kamellen, sowie leisere Töne in Form von fast schon Emo-mäßigem Poppunk. Als kleines Label gestartet, erfreut sich das Label inzwischen auch international eines gewissen Bekanntheitsgrads dank Connections zu Eulogy Recordings und der stetigen Hinzunahme amerikanischer Kapellen ins Label-Repertoire.
Da meine Wenigkeit quasi bei Labelboss Sascha um die Ecke wohnt, ergab es sich, ihn mal zum Frühstück im Bochumer Kneipenviertel Bermuda-Dreieck zu treffen und ein bisschen übers Hardcore-Business zu plaudern.


Vielleicht erstmal ein paar persönliche Eckdaten: Seit wann Hardcore, erstes Konzert, Platte usw.?

Angefangen habe ich 1984 mit Metal und bin dann über Punk zum Hardcore gekommen, das war so Ende der 80er. Seitdem hat sich nicht wesentliches verändert. Mein erstes Metal-Konzert waren zwei Deathmetal-Bands, die an derselben Schule in Duisburg mit mir in der Oberstufe waren. Eine meiner allerersten Platten war ‚Reign In Blood’ von SLAYER.

Also ein klassischer Einstieg sozusagen.

Stimmt, allerdings war es ziemlich ungewöhnlich, dass im zarten Alter von 10 bzw. 11 plötzlich dieser Krach aus meinem Zimmer kam. Das fanden meine Eltern sehr bedenklich. Ich musste sogar deswegen mal zu einem Schulpsychologen, weil das auch für die Schule sehr ungewöhnlich war. Ich hing damals überwiegend mit den Leuten aus der Oberstufe rum und trug auch eine typische Jeanskutte mit SLAYER- und METALLICA-Aufnähern.

Hattest du auch eine richtige Matte?

Nein, nie! Zum Glück kein dunkles Kapitel, über das ich berichten müsste.


Wie kam der Schritt zum eigenen Label zustande?


Das war eigentlich ein permanenter Prozess. Ende der 80er war ich bei der ersten QUICKSAND-Tour, SICK OF IT ALL und solchen Sachen. Da habe ich dann ein paar Straight Edge-Leute aus Duisburg kennen gelernt, mit einem Fanzine angefangen und ein paar Shows veranstaltet. Mitte ’95 hab ich dann versucht, ein paar Bands, die ich gut fand, die aber Schwierigkeiten hatten einen Deal zu kriegen, rauszubringen. Zu der Zeit wurden auch Labels wie Victory immer professioneller und kleinere Bands hatten kaum noch Chancen, da was rauszubringen bzw. so ausgiebig zu touren wie EARTH CRISIS oder INTEGRITY. Also dachte ich mir, mal gucken, wie weit ich mit meinem Label komme.

Hieß dein Label schon immer Alveran?

Ja, von Anfang an. Damals war noch jemand dabei, der bei einigen Sachen beteiligt war und der kam dann mit dem Namen um die Ecke. Alveran stammt aus dem Spiel ‚Das schwarze Auge’ und ist da der Tempel der Götter. Ich fand’s gut, weil der Name nicht einfach aus dem Englischwörterbuch stammt wie z.B. Victory, was man einfach so übersetzen kann.

Kannst du eigentlich von deinen Platten leben?

Ja! Anfangs hatte ich noch einen Job und das Label lief halt so nebenbei in der Freizeit. Aber Anfang 2000 bin ich das finanzielle Risiko eingegangen und hab meinen damaligen Beruf geschmissen, um mich besser auf das Label konzentrieren zu können. Gut, jemand der auch an die 12 bis 16 Stunden am Tag einem normalen Job nachgeht, verdient sicherlich das doppelte oder dreifache von dem, was ich verdiene, aber mir ist es wichtig in den nächsten 40, 45 Jahren einem Beruf nachzugehen, der mir Spaß macht und keine bloße Zeitverschwendung oder Zwang ist.

Würdest du sagen, dass man eine spezielle Vorbildung braucht, um ein Label zu führen?

Hmm, also eigentlich bin ich Verwaltungsfachangestellter, aber das hilft mir nicht so sehr. Ich hab Spaß daran, Platten zu verkaufen, Shows zu organisieren usw., aber das Finanzamt kümmert das reichlich wenig. Es ist ziemlich schwer, sich an all diese ganze steuerrechtliche Scheiße zu halten – und vor allem eine korrekte Buchführung ist unentbehrlich. Lern es oder geh unter, sag ich da nur.

Wie läuft es in Sachen Vertrieb bei Alveran?

In den Staaten werde ich durch Eulogy und Lumberjack vertrieben. In Japan mach ich alles selber und Benelux übernimmt Suburban, wo es sehr gut läuft. Gerade habe ich einen Vertrag mit Bellaphon unterschrieben, für Deutschland, Österreich und die Schweiz, und demnächst kann man dann meine Platten bei Media Markt, WOM usw. kaufen, wodurch Alveran wesentlich bekannter werden dürfte. Der Markt ist da, mal gucken, wie es weiter läuft.

Lass uns mal kurz auf deine Bandvergangenheit mit NYARI zu sprechen kommen: Stimmt es, dass ihr früher eher Emo mit Frauengesang gemacht habt?

Haha, wir haben ganz am Anfang halt sehr viel rumprobiert, u.a. mit einer Sängerin. NYARI war schon immer sehr stark Metal-orientiert, aber durch die Frauenstimme kam dann auch ein kleiner Emo-Anteil hinzu. Das hat aber nicht geklappt und nach einigen Besetzungs-Wechseln kamen wir dann vom ‚Emo-Metal’ zum Metal, was ja im Nachhinein nicht schlecht für uns war.

NYARI haben sich aber vor zwei, drei Jahren aufgelöst.

Ja vor zwei Jahren, nach unserer Tour in England und Spanien. Danach war einfach die Luft raus bei einigen in der Band. Wir haben mit NYARI relativ viel erreicht und ein paar Leute konnten sich nicht mehr dazu motivieren weiterzumachen.

Eines der letzten Releases, die ich richtig wahrgenommen habe, war die NYARI/JANE-Split, was auch gleichzeitig im nachhinein zur JANE VS. SHAFT Split-CD auf Alveran und einigen unschönen Gerüchten führte.

Das Problem war, dass JANE aus ihrem Talent und ihren Möglichkeiten nichts gemacht haben. Sie hätten richtig groß werden können, aber wie einige Mitglieder selber zugegeben haben, waren die Jungs einfach zu faul was Touren, neue Aufnahmen usw. angeht. Ich habe sehr viel Geld in JANE gesteckt, aber sie haben ihre persönlichen Angelegenheiten der Band vorgezogen, und somit hätte es sich für mich aus finanzieller Sicht nicht mehr gelohnt, den Vertrag zu verlängern. Ich stehe aber immer noch mit den Leuten in Kontakt, habe ihnen auch bei der Labelsuche geholfen und einen Deal mit Beniihana ausgehandelt. Der Einzige, der diese Sache persönlich genommen hat, und ein bisschen abgedreht ist, war der Sänger, der die ganze Geschichte in der Öffentlichkeit falsch dargestellt hat.

Wenn ich mir mal das Backprogramm von Alveran ansehe, kommt es mir vor, als wenn der „Prollcore mit dicken Eiern“ einen sehr hohen Stellenwert hat.

Hmm, also die Trennung von JANE oder INANE vom Label hat nichts mit einer Umorientierung von Alveran zu tun. Ich muss mit meinem Label Geld verdienen, um meine Familie zu ernähren, weshalb ich mich dazu entschieden habe, nur mit Bands zu arbeiten, die eine professionelle Einstellung haben. Ich versteh schon, dass man, sobald man zwei, drei Tough Guy-Bands unter Vertrag hat, sofort den Prollcore-Stempel aufgedrückt bekommt, aber andererseits hab ich auch Bands wie DOWNPOUR, LIAR und sogar UNSUNG ZEROS im Programm, die bei weitem nichts mit Prollcore zu tun haben. Es ist wichtig, ein breites Publikum anzusprechen und viele verschiedene Bands zu bieten. Ich muss eine Band nicht privat mögen bzw. hören, um sie zu veröffentlichen. Was ich erwarte, ist, dass die Band permanent auf Tour geht, um so auf sich und ihre Platten aufmerksam zu machen, und solche Bands findet man überwiegend in Amerika. Es gibt nur wenige Bands, die nur aufgrund ihrer Musik Platten verkaufen, die meisten Bands verkaufen Platten durch gute und vor allem regelmäßige Touren.

Was verstehst du eigentlich konkret unter „Full-Length Releases“?


Das ist ein generelles Problem in der Hardcore-Szene. Damit hatte ich auch schon nervende Gespräche mit meinem Vertrieb. Hardcore-Songs werden halt wesentlich schneller gespielt als Metal-Songs, die ja auch in der Regel länger ausfallen. Das liegt ganz bei den Bands, und ich rede denen da auch nicht rein. Viele Bands haben halt nicht das Potential oder die Möglichkeiten, auf mehr als 30 Minuten alles zu geben. Und wenn eine Band wie UNTIL THE END mit elf Liedern auf knapp 25 Minuten kommt, nun gut, take it or leave it.

Wie wichtig ist dir das Design bei deinen Platten?

Sehr wichtig! Ich gebe sehr viel Kohle dafür aus und arbeite auch nur mit Designern zusammen, die ihre Sache auch verstehen und coole Sachen machen. Überwiegend übernimmt Boris die ganze Designgeschichte, der halt die Ideen der Bands umsetzt. Ich versuche auch der Szene für das Geld, was sie mir gibt, auch Qualität zurück zu geben, indem ich z.B. wie im Fall von COPYKILL auch eine limitierte Blechdose veröffentliche oder mir ähnliche Sachen einfallen lasse wie anders designte Digipacks. Viele Leute auf Shows haben sich auch häufiger Platten nur wegen des Layouts gekauft, was mich in meiner Philosophie bestätigt und zugleich ein Kompliment an meine Grafiker ist.

Kommen wir mal zum Alveran-Fest. Bestehen Pläne, das so groß aufzuziehen wie With Full Force oder Bizarre?

Pläne sind schon da und das würde ich auch gerne machen, aber das mit dem Geld stimmt noch nicht. Bei jedem Alveran-Fest, wenn du mich am Tag des Festivals fragst, sag ich immer, dass es das letzte Alveran-Fest ist. Du wirst halt richtig unruhig in den 48 Stunden davor, weil du dich fragst, ob das Wetter gut ist, ob genügend Leute kommen, ob die PA in Ordnung ist usw. Aber nachdem alles gelaufen ist, kommen schon die Pläne fürs nächste Alveran-Fest. Mal gucken, wie groß es noch werden kann, dabei setze ich mir kein Limit.

Du bist ja Familienvater, was würdest du sagen, wenn dein Kind auf einmal mit Britney Spears ankommen würde?

Das wird nie passieren!