ALTE HACKEREI

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NEVER MIND THE SCHLACHTHOF, HERE’S THE ...

Die Alte Hackerei in Karlsruhe bereichert nun seit bald einem Jahr das Karlsruher Nachtleben. Klein, aber fein – dieses Motto passt bei dieser Punkrock-Kneipe wie die Faust aufs Auge. Trotz des relativ kleinen Raums gaben sich in der kurzen Zeit ihrer Existenz bereits zahlreiche Punkrock-Größen wie STEAKKNIFE, KICK JONESES, TURBOSTAAT, TREND oder die HARD-ONS ein Stelldichein und brachten den Laden zum Kochen. Nach bereits einigen selbstzerstörerische Wochenenden in Karlsruhe, die zu später Stunde in der Hackerei endeten, und da ich natürlich auch Abende komplett dort ver- bracht habe, war es Zeit, sich mal mit Inhaber Plüschi zu unterhalten und zu erfahren, wie das so ist als Punkrock-Gastronom in Karlsruhe. Here we go!

Plüschi, woher kam die Idee, im alten Schlachthof eine Punkrock-Kneipe aufzumachen?

Ich mache seit 1989 Konzerte in Karlsruhe und die Betreiber der Hackerei, das sind Jan, Gunnar und ich, haben über das Veranstalten von Konzerten zusammengefunden. Wir hatten irgendwann die Gelegenheit, in einem Schweinestall des Schlachthofs ein Konzert zu machen. Das war eine etwas skurrile Aktion: Die Schweine wurden rausgebracht, das Konzert ging über die Bühne und am nächsten Tag kamen da die Schweine wieder rein. Klar, dass es beim Konzert entsprechend gerochen hat. Wir kamen auf diese Weise in Kontakt mit der Gesellschaft, die das ganze Gelände verwaltet. Wir kannten dort auch schon das leer stehende Metzgerbistro, weil dort auch der ehemalige "Schlachthof" war, ebenfalls ein Veranstaltungsort, wo öfter Konzerte stattfanden und wo ich oft die Technik gemacht habe. Dieser Schlachthof war so ein bisschen der Vorgänger von der Hackerei. Irgendwann, nachdem der Schlachthof zugemacht hatte, entstand dann die Idee, hier eine neue Musikkneipe zu eröffnen, was dann 2007 auch umgesetzt wurde.

Gab es in Karlsruhe bis dato nichts in der Richtung?

Nee, in Karlsruhe gibt es tatsächlich in dieser Richtung nichts. Wir haben jahrelang in Kneipen rumgesessen, in die wir unser Geld getragen haben und die aber nie unsere Musik gespielt haben. Da lief dann nur schlechter Techno oder ähnlicher Müll. Das war auch ein Grund, die Hackerei aufzumachen.

War das nicht auch mal anders? Das besetzte Haus, die Steffi, spätere Ex-Steffi, ist ja als Szenetreff bundesweit bekannt.

Die alte Steffi war tatsächlich anders. Zwischen 1990 und 1997 haben wir ein riesengroßes besetztes Haus gehabt, da war extrem viel los. Da gab es auch ein angenehm gemischtes Publikum. Dann wurde daraus die Ex-Steffi - das ging dann aber hauptsächlich nur noch in eine Richtung: Crustpunk. Und das hat mich zum Schluss nicht mehr angesprochen. Nachdem wir da nicht mehr hingegangen sind, sind wir eigentlich nur noch in Kneipen gewesen, wo Freunde von uns gearbeitet haben, und nur deswegen ist man da auch hingegangen.

Du bezeichnest deine Kneipe auf deinen Flyern als "gepflegte Punkrock-Bar". Was erwartet den Kneipengänger, wenn er zu euch kommt? Keine Anarchie, keine Bierpfützen und keine Pissbecken, die aus der Wand fallen?

Das heißt einfach, dass ich eine Kneipe haben will, in der Punk-Musik läuft. Eine Kneipe, die wir so gestaltet haben, wie das uns gefällt. Also auf jeden Fall punkrockmäßig, aber mit dem Unterschied, dass ich da ein gemischtes Publikum haben will. Das soll einfach nicht nur Crustpunks ansprechen. Da soll auch jemand was trinken und sich wohl fühlen können, der relativ normal ist. Trotzdem wird es natürlich für so einen immer noch was anderes sein als eine normale Gaststätte. Die Hackerei soll den Flair haben von einer angenehmen Kneipe, in die viele Leute gehen können. Früher sind wir aus Kneipen rausgeschmissen worden, weil wir abstehende Haare und Punk-Klamotten hatten. Bei mir sollen die Leute kommen, wie sie sind und wenn einer eben ganz normal und nicht nach Punk aussieht, dann ist der genauso willkommen wie einer, der bunte Haare hat. Das meine ich letzten Endes mit "gepflegte Punkrock-Bar". Es geht dabei auch darum, dass man "gepflegte" Getränke bekommt. Es gibt bei uns zum Beispiel guten Whiskey oder auch einen guten Wein und eben keinen Lambrusco.

Du bist ja, soweit ich weiß, schon sehr lange immer in irgendeiner Form aktiv und spielst zum Beispiel auch in Bands und bist Mischer bei OMA HANS beziehungsweise KOMMANDO SONNE(N)MILCH. Erzähl mal ein bisschen was über dich.

Zum Punk bin ich 1982 mit 15 gekommen, jetzt bin ich 40. In Karlsruhe gab es damals nicht viel, wo man hingehen konnte. Da gab es eigentlich nur das Populär. Wir sind damals viel weggefahren zu Konzerten, zum Beispiel nach Freiburg, aber eben auch in der ganzen Weltgeschichte. Die erste richtig relevante Band für mich war 6000 CRAZY mit Gunnar von SO MUCH HATE, der mit mir ja heute auch die Hackerei macht. Diese Band haben wir acht Jahre lang betrieben und sind viel unterwegs gewesen. 1989 habe ich angefangen, Konzerte zu veranstalten in Karlsruhe, und zwischendurch mal Zivildienst in Essen gemacht. Man hat sich halt so als Punkrocker durchs Leben geschlagen über die Jahre. Seit 2006 spiele ich bei BLITZTRUMPF, mit denen wir letztes Jahr eine Single rausgebracht haben und auch ziemlich fleißig am Spielen sind.

Du hast vorhin schon Jan und Gunnar erwähnt, betreibst du mit den beiden die Hackerei?

Der Inhaber der Alten Hackerei bin ich, Gunnar ist bei mir angestellt. Der ist eigentlich immer da und macht die Kneipe gemeinsam mit mir. Und Jan, mein Mitbewohner und Gitarrist bei BLITZTRUMPF, macht das Band-Booking.

Habt ihr bei den Bands, die ihr zu euch holt, einen Schwerpunkt? Oder gibt es etwas, was ihr stilistisch gar nicht macht?

Der Schwerpunkt liegt schon auf Punk und Garagenpunk, Hardcore gelegentlich mal. Wir wählen einfach das aus, was uns gefällt. Wichtig sind mir dabei auch lokale Bands hier aus der Gegend.

Was kannst du aktuell empfehlen an lokalen Bands aus Karlsruhe?

Ich finde zum Beispiel DIEGO ganz gut, das geht in Richtung JOY DIVISION. Dann gibt es natürlich hier noch die ROYAL TURDS, ehemals REAL TURDS, wo Jan auch mitspielt.

Wie läuft denn die Hackerei bis jetzt? Welche Bilanz ziehst du nach dem ersten Jahr Kneipenbetrieb?

Der Zuspruch ist gut, aber es könnte schon noch mehr sein. Unsere Lage ist auf der einen Seite vorteilhaft, weil es auf dem Schlachthofgelände wirklich niemanden stört, wenn du da Konzerte machst. Auf der anderen Seite ist es aber relativ weit ab vom Schuss und der Karlsruher an sich ist träge. Das heißt, dass das reine Kneipengeschäft schon eher mau läuft. Man muss eigentlich immer ein Event bieten, damit die Leute kommen. Das finde ich ein bisschen schade, da es auf die Dauer anstrengend sein kann, sich immer Anreize überlegen zu müssen. In unserem Fall heißt das - neben Konzerten - möglichst oft Plattenversteigerungen, Punkrock-Disco oder Ähnliches zu veranstalten.

Ich hatte mir das etwas anders vorgestellt und dachte, dass wesentlich mehr Leute auch mal einfach so vorbeikommen, da es ja in Karlsruhe die einzige Punkrock-Bar ist.

Hast du noch andere Jobs nebenher?

Ja, klar. Von der Kneipe alleine können wir bisher nicht leben. Ich bin selbstständiger Tontechniker und Gunnar arbeitet nebenher noch auf dem Bau. So eine Kneipe mit Konzertbetrieb ist schon allein viel Arbeit. Ob ich jetzt ein Konzert mit 100 Leuten mache oder mit 250 ist im Prinzip egal - der Aufwand ist der Gleiche.

Was sind die nächsten Pläne für die Alte Hackerei?

Mit dem Plänemachen ist das so eine Sache, da wir momentan immer nur Halbjahresmietverträge bekommen. Es war mal seitens der Stadt geplant, aus diesem Schlachthofgelände einen Kulturpark zu machen. Bisher sind wir aber der einzige Kulturbetrieb da und ansonsten gibt es dort noch ein paar fleischverarbeitende Betriebe. Geschlachtet wird da aber auch nicht mehr. Vermutlich fehlt der Stadt momentan schlicht das Geld für einen solchen Kulturpark.

Das klingt aber ganz nach drohendem Abriss, oder? Meiner Erfahrung nach läuft das in vielen Städten mit alten Industriegeländen so.

Nein, diese Gefahr besteht nicht, da der ganze Schlachthof unter Denkmalschutz steht. Ich denke, dass momentan einfach gewartet wird, ob sich Investoren finden, die da Geld reinpumpen und einen großen Gastronomiebetrieb daraus machen wollen. Das wird aber wohl nicht so einfach sein, weil man da sehr viel renovieren müsste. Jedenfalls liegt die Vermutung nahe, dass ich deswegen keine längerfristigen Mietverträge bekomme. Sobald ein Investor kommt und sagt: "Ich kaufe das ganze Gelände!", dann sind wir ziemlich sicher draußen. Allerdings bin ich momentan auch in Verhandlung mit der Verwaltungsgesellschaft bezüglich einer Vergrößerung der Hackerei. Das würde dann heißen, dass wir noch einen zweiten Raum hätten, wo man auch Konzerte mit 200 Leute machen kann. Momentan fasst die Hackerei bei Konzerten offiziell 99 Leute. Mit einem Raum für 200 Leute könnte man auch mal Bands buchen, die größer sind. Außerdem könnte man den großen Raum dann gelegentlich an Veranstalter komplett vermieten und nebenher trotzdem die Punkrock-Bar aufmachen. Momentan sind wir von der Räumlichkeit her schon etwas beschränkt.

Willst du noch etwas loswerden?

Ja, eine Sache: Als wir unsere Punkrock-Kneipe aufgemacht haben, hatten wir auf einmal Diskussionen am Hals von wegen "Kommerzkneipe" und Leute meinten, da könne man deswegen nicht hingehen. Es ist halt nun mal so, dass unsere Preise für Getränke und Konzerte nie so niedrig sein können, wie in einem Juze oder einer ähnlichen Location. Wir haben noch verschiedene Dinge wie GEMA und Finanzamt am Hals, die einfach Geld schlucken. Und ich persönlich habe halt irgendwann gesagt, dass ich nicht mehr in irgendeinem Juze Konzerte machen will, nur damit es billiger wird. Ich will an einem Ort ein Konzert machen, der mir auch wirklich zusagt. Das ist dann vielleicht teurer, aber ich habe dann eine Location, die einfach passt. Das ist ja auch einer der Gründe, warum wir diese Kneipe machen. Die Hackerei ist genau so, wie wir sind. Und wir sind älter gewordene Punkrock-Leute, die aber immer noch wichtig finden, dass es so eine Szene gibt. Dann ist das natürlich anstrengend, wenn man sich noch Kommerzgenörgel anhören muss. Die Leute, die da nörgeln, das sind dann meistens welche, die überhaupt keine Ahnung haben, wie viel Arbeit man in so eine Kneipe stecken muss und wie lange es dauert, bis sich das überhaupt mal finanziell trägt.