ALEXANDER KÜHNE

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Düsterbusch City Lights - Popkultureller Widerstand in der DDR

Lugau, das war tiefste Provinz in der ehemaligen DDR. Doch Alexander Kühne gründete dort Anfang der Achtziger-Jahre den Club „Extrem“ und machte ihn zu einem Hotspot des Undergrounds. Sein Roman „Düsterbusch City Lights“ erzählt diese Geschichte von der Generation der Gleichgültigen auf dem Land, die sich schon emotional aus dem System verabschiedet hatte.

Wie hast du Punk und New Wave in der DDR erlebt?

Ich stamme als Jahrgang 1964 eigentlich noch aus dieser Siebziger-Jahre-Generation. Aber dann schwappte New Wave aus England herüber zu uns oder zumindest das, was wir in den westdeutschen Radiostationen gehört haben. 1981 habe ich dann eine Stern-Ausgabe in die Hände bekommen. Das Heft war zwar schon ein halbes Jahr alt, aber es war ein Bericht über den Blitz-Club in London drin. Das hat mich total geflasht. Ich war ja für das System kaum gemacht, habe mich immer verweigert. Da kamen mir New Wave und Punk gerade recht: Was selber machen, improvisieren, es muss nicht gut sein – Hauptsache, man macht es. Das hat mich so fasziniert an der Szene.

Wie durchlässig war die Mauer für kulturelle Einflüsse aus dem Westen?

Wir konnten alles empfangen – ARD, ZDF und die dritten Programme – es war ja nicht so weit weg von Berlin. Und Platten hatte fast jeder, zum Beispiel von der West-Oma oder aus Tauschbörsen. Es gab natürlich Ostbands wie die PUHDYS und KARAT, aber das haben nur wenige gehört – und wenn sie es gehört haben, haben sie sich nicht getraut, es zu sagen. Ich hatte wenig Kontakt zu Jugendlichen, die wirklich überzeugt waren von der DDR. So bin ich eigentlich mit Westmusik und diesem Freiheitsgedanken dahinter groß geworden.

Du hast dann einen Club gegründet und Konzerte veranstaltet. War das Protest gegen das System?

Es gab natürlich diese Gängelei in der Schule und der Lehre. Da war ich der letzte Dreck, also habe ich mich in die Musik geflüchtet. Diesen Club zu gründen, war erst einmal etwas, das mit Mode und Musik zu tun hatte – und natürlich mit einer Form von nicht klar definierter Rebellion. Ich habe die Veranstaltungen bei der Polizei angemeldet, etwa als Hochzeitsfeier meiner Schwester. Weil ich dachte, da passiert sowieso nichts, die muss man halt ein wenig belügen. Aber das System hat natürlich mit Verboten zurückgeschlagen und umso mehr ist man dann zum Staatsfeind geworden. Ich wäre ja in dem Sinne gar keiner gewesen, wenn die uns hätten machen lassen. Aber dadurch, dass man ausgegrenzt wurde, wurde man dann auch ein Stück weit politisch.

In deinem Buch klingt das ein wenig wie ein Spiel. War das System der DDR in dieser Hinsicht nicht viel gefährlicher?

Absolut! Deswegen habe ich auch immer versucht, nicht zu weit zu gehen. Anfang der Achtziger-Jahre hat ein Spruch wie „Wählt die Grünen“ an der Turnhallenwand zu Stasi-Knast geführt. Ich habe selbst erlebt, wie jemand wegen so etwas aus der Schule abgeholt wurde. Deswegen habe ich versucht, mit dem Protest der Popkultur andere Wege zu gehen. Aber das Katz-und-Maus-Spiel hat die Sache auch reizvoll gemacht. Man hatte einen Feind, der immer irgendwie präsent war – und man musste versuchen, ihn auszutricksen.

Wie sah das konkret aus?

Wir haben mal eine West-Band reingeschleust, die WALTONS. Das war 1988, als die DDR langsam zusammenbrach, das haben die Behörden ja schon gespürt und umso rigoroser sind die damals vorgegangen. Wir haben den Bandmitgliedern Pässe von meinen Kumpels gegeben, und wenn man sie erwischt hätte, wären sie nur zurückgeschickt worden. Gefährlich war das für mich als Veranstalter, weil ich das illegal durchgezogen habe. Wir hatten die Band TINA HAS NEVER HAD TEDDYBEAR aus Ostberlin ins Programm geschrieben, aber allen war klar, dass die WALTONS kamen. Mittags lungerten bei uns im Dorf schon hunderte Leute herum, es war brechend voll.

Wie ging es nach der Wende weiter?

Ganz nahtlos. Viele Booking-Agenturen wussten, dass bei uns immer volles Haus ist, und da haben wir auch gute Bands bekommen. SLAPSHOT, AGNOSTIC FRONT, NAPALM BEACH waren zum Beispiel da.

Welche Bedeutung hat die Zeit von damals heute noch für dich?

Wir hatten eine Scheiß-PA, meist schlechte Instrumente und trotzdem war es irgendwie gut, weil einfach ein Gefühl von Aufbruch da war. Das ist das Gefühl, das ich mir bewahrt habe. Deswegen konnte ich auch dieses Buch schreiben. Das war in mir drin. Die Musik ist natürlich immer noch da, aber sie spielt nicht diese vordergründige Rolle. Es geht um die Idee.