Ob sein auf Wolverine veröffentlichtes Debütalbum „Live’n’Loud“ genauso erfolgreich sein wird wie die Platten, die Adriano Batolba als Gitarrist von DICK BRAVE & THE BACKBEATS aufgenommen hat, darf bezweifelt werden. Hingegen steht ohne Zweifel fest: Der Mann zieht mit dem Rockabilly-Swing des ADRIANO BATOLBA ORCHESTRA sein Ding konsequent durch und hat als studierter Jazzer durchaus Ahnung von Musik. Im Gespräch mit dem Ox redet er über seinen Einstieg in den Rock’n’Roll, erzählt von fliegenden Tetrapacks und sagt, was ihn an der Rockabilly-Szene stört.
Adriano, mit Dick Brave hast du schon die ganz großen Bühnen bespielt – im Gegensatz zu den Läden, in denen du mit deinem Orchester derzeit auftrittst. Da passen ja häufig nicht mehr als 300 Zuschauer rein.
Stimmt, mit Dick Brave waren wir zum Beispiel 2004 und 2012 bei Rock am Ring und haben am Nachmittag vor 75.000 Zuschauern gespielt.
Das dürfte für dich das größte Publikum aller Zeiten gewesen sein. Wie hat sich das angefühlt?
Wir waren alle total nervös, und zu Beginn unseres Auftritts haben auch viele Leute im Publikum gebuht: Wir waren eben kein echter Rock-Act für die. Zudem hatten uns der Tourmanager und der Veranstalter Marek Lieberberg vor dem Auftritt noch davor gewarnt, was die Zuschauer so alles auf die Bühne schmeißen, wenn sie unzufrieden sind ...
Was denn?
Na ja, Glas- und Plastikflaschen sind ja auf dem Festivalgelände verboten. Also werden gerne mal Tetrapacks geworfen, in denen mitunter recht seltsame Sachen sind ... Da haben wir uns schon so unsere Sorgen gemacht. Aber umso schöner war es dann, als die Stimmung sich während unseres Auftrittes komplett gewandelt hat. Am Schluss waren wir dann die erste Band des Tages, die eine Zugabe geben musste. Das war schon geil!
Rock am Ring, Gold- und Platinplatten mit Dick Brave, Wok-Weltmeister bei Stefan Raab – man könnte beinahe sagen, du hast alles erreicht, was es zu erreichen gibt. Du bist zuletzt sogar bei den Jazztagen in Leverkusen aufgetreten. Hatte das noch gefehlt in deiner Vita?
Genau so ist es, hahaha. Aber im Ernst, es war einfach eine große Ehre, dass wir mit dem Orchestra bei einem Festival wie diesem dabei waren – in einer Reihe mit vielen tollen Musikern. Ich meine, Sonny Rollins war da, das ist eine Legende am Saxofon! Oder Tommy Emmanuel – was für ein Gitarrist! Mit dem habe ich sogar mal gejammt, ohne zu wissen, wer er ist.
Du hast zwar Jazzgitarre studiert, kommst aber eigentlich – musikalisch wie optisch – aus dem Rock’n’Roll. Ist das nicht eine seltsame Konstellation?
Ach, in der Musik gab es ja immer schon Überschneidungen, überall. Ich meine, die STRAY CATS, als Ikonen des Rockabilly, hatten auch Punk-Einflüsse in ihrer Musik. Und als Miles Davis seine Platte „The Man With The Horn“ gemacht hat, war das für viele auch kein Jazz mehr, sondern Fusion. Außerdem: ich habe mich immer schon auch für Jazz interessiert. Da ist mein Gitarrenlehrer dran schuld.
Meinte der, dir unbedingt Jazz beibringen zu müssen?
Er hat mich zu vielen Konzerten mitgenommen und mir so die Augen für die Vielfalt der Musik geöffnet. Ich wollte nämlich irgendwann immer ganz genau wissen, was da vorne auf der Bühne zwischen den Musikern passiert. Vor allem im Jazz ist das ja wichtig. Und irgendwann habe ich dann eben in Amsterdam Jazz studiert.
Und wie bist du als Jugendlicher zum Rock’n’Roll gekommen?
Das kam durch die Plattensammlung meiner Mutter. Die hat sich in den Fünfzigern die ganzen Rock’n’Roll-Platten gekauft. Ich bin dann später also automatisch mit dieser Musik aufgewachsen. Mit acht habe ich mir dann meine erste Elvis-Platte gekauft. Irgendwann lernte ich die STRAY CATS kennen – und so kam eins zum anderen.
Wie stark bist du in der Rock’n’Roll- respektive Rockabilly-Szene verwurzelt?
Tja, ich kenne natürlich viele Leute aus der Szene und war früher regelmäßig in den entsprechenden Läden im Ruhrgebiet unterwegs, um Konzerte zu sehen. Aber ich fand mich eigentlich nie zugehörig zu irgendeiner Gang oder so.
Was ja schon irgendwie seltsam ist, denn gerade im Rock’n’Roll oder Rockabilly wird der Szenegedanke doch – ähnlich wie im Punk – sehr groß geschrieben.
Ja. Aber in vielen Szenen geht es mir zu sehr um die äußere Form, nicht um die Inhalte. Es ist doch letztlich so: Wer da nicht mindestens 15 Kippen am Tag raucht und überall am Körper tätowiert ist, der ist nicht „real“, nicht authentisch. Und damit kann ich absolut nichts anfangen.
Hast du heute trotzdem noch Kontakt in die Rockabilly-Szene des Ruhrgebiets, wo du ja aufgewachsen bist?
Es gibt da verschiedene Berührungspunkte und da die Szene ja nicht endlos groß ist, läuft man sich immer mal wieder über den Weg – wie zum Beispiel vor einigen Tagen beim ersten Geburtstag des Elvis-Museums in Düsseldorf, als ich spontan für zwei Songs bei DANNY AND THE WONDERBRAS eingestiegen bin. Oder als die WINTER DANCE PARTY im Hapa Haole in Witten Station gemacht hat.
Auf welche Idee hin hast du nun das ADRIANO BATOLBA ORCHESTRA gegründet?
Das ergab sich 2009, als ein großer Instrumentenhersteller mich bat, für die Musikmesse in Frankfurt doch mal etwas in Richtung Big Band zu machen. Ich sagte sofort zu – unter der Voraussetzung, eigene Songs dafür verwenden und mir die Musiker selbst aussuchen zu können. Also habe ich drei Arrangements geschrieben und das Orchestra zusammengestellt. Und dann kam 2009 die Wirtschaftskrise ...
Und?
Da wurden dann vom Hersteller alle Live-Konzerte für die Messe abgesagt. Ich hatte aber in die Songs schon soviel Zeit und auch Geld gesteckt, dass ich es zu schade fand, die Sache nun auf sich beruhen zu lassen. Wir haben dann mit der Band einen Test-Gig in Köln gespielt. Der lief super und machte so viel Spaß, dass damit der Stein ins Rollen kam.
Mal das weltbekannte BRIAN SETZER ORCHESTRA des ehemaligen STRAY CATS-Frontmannes ausgenommen: Hat das ADRIANO BATOLBA ORCHESTRA international Konkurrenz?
Wir sind meines Wissens nach die einzige Rockabilly-Big-Band in Europa und haben mittlerweile auch Anfragen aus Italien und der Schweiz, weil es da so etwas eben nicht gibt.
Bei den meisten Rock’n’Roll-Bands stehen nicht mehr als vier Leute auf der Bühne: Sänger, Gitarrist, Bassist, Schlagzeuger. Wie viele Leute machen bei deinem Orchester mit?
Auf der Bühne sind wir 13. Und alle sind Profimusiker. Ach ja, alle stehen zu Beginn des Konzertes noch im Bowling-Shirt auf der Bühne, ehe es gegen Ende dann meist sexy wird ...
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