Sie gehören schon längst zum deutschen Heavy-Metal-Inventar. Inklusive diverser schöpferischer Pausen lärmen die Siegener Thrasher nun schon seit weit mehr als dreißig Jahren durch die Lande. Nun bringt die Truppe das zwölfte, selbstbetitelte Studioalbum an den Start. Wir sprechen mit Frank Thoms, dem einzig verbliebenen ACCU§ER-Gründungsmitglied, über die schwere Corona-Zeit und die Zukunft des Thrash.
Welches Gefühl überwiegt aktuell bei euch: Die Vorfreude auf den Release oder der Frust, die neue Scheibe in den kommenden Monaten wohl kaum bis gar nicht live präsentieren zu können?
Natürlich die Vorfreude auf den Release! An der derzeitigen Live-Situation kann man nichts ändern. Da hilft es nicht, frustriert zu sein. Wir sitzen alle in einem Boot und sollten aufeinander achten und durch Disziplin und Konsequenz versuchen, die „Saure-Gurken-Zeit“ zu verkürzen. Mich persönlich ärgert, dass manche Menschen die Pandemie augenscheinlich ignorieren und wir wegen überflüssiger Urlaubsreisen noch länger mit dieser Situation leben müssen.
Schlägt sich die aktuelle Ungewissheit, was Live-Shows angeht, nicht auch auf eure kollektive Motivation nieder?
Normalerweise bereitet man sich auf Shows vor und geht regelmäßig in den Proberaum. Das ist nach den Aufnahmen des neuen Albums komplett weggefallen. Ein paar Tage vor dem Lockdown stand ich noch im Studio und habe die letzten Vocals eingesungen. Dann bin ich mit dem Zug Ende Februar 2020 nach Hause gefahren, und ab da war Feierabend. Wir sind brav zu Hause geblieben, was die erste Zeit okay war, aber jegliche Motivation geht wirklich in den Keller. Glücklicherweise war das dann nach einer Weile vorbei und wir standen wieder im Proberaum. Der Antrieb war schnell zurück, man musste nur erst mal seine Finger und die Stimme sortieren, haha.
Ihr seid schon lange im Geschäft und habt so ziemlich alles erlebt. Woraus zieht ihr in der aktuellen Situation Kraft und Optimismus?
Die aktuelle Situation erleben wir alle das erste Mal, und anfangs war es nicht leicht. Ich nutze jede Gelegenheit, um mit dem Bike in den Wald zu kommen, denn da kann ich Kraft tanken und mich entspannen. Ein schöner Abend mit dem Partner ist auch hilfreich. Ich finde, es ist außerdem wichtig, mal abzuschalten und die Situation für eine gewisse Zeit zu vergessen. Hirnurlaub durch ein Buch, einen Film oder in meinem Fall durch eine Runde „Fallout 76“. Nach wie vor proben wir jetzt regelmäßig. Ob etwas auf dem Plan steht oder nicht, spielt keine Rolle. Die kleine Normalität tut einfach gut.
Die aktuelle Krise hat vor allem die Kulturbranche schwer getroffen. Wie hart ist die Situation für euch persönlich? Welche Schicksale in eurem Umfeld haben euch aktuell besonders bewegt?
Da muss ich nicht lange suchen. Unser Gitarrist René führt einen kleinen Musikladen. Zum Lockdown musste auch er dichtmachen, obwohl er kein hohes Kundenaufkommen auf einmal hat. Das verteilt sich über den ganzen Tag. Jedenfalls stand er kurz vor der kompletten Pleite und ist momentan noch damit beschäftigt, diese Zeit aufzuarbeiten. Die anderen Jungs sind eigentlich im Lockdown so weit klargekommen, und ich konnte durch Homeoffice ganz gut weiterarbeiten. Todesfälle oder eine schwere Erkrankung haben wir in unserem Umfeld nicht erlebt. Bewegend waren die Bilder in den Medien, die völlig überforderte Krankenhäuser zeigten. Die Interviews mit den Ärzten und dem Personal waren erschreckend. Ein Alptraum!
Da ihr schon so ziemlich alles erlebt habt – helfen euch eure Erfahrung und Routine, die aktuellen Geschehnisse und Schwierigkeiten besser wegzustecken?
Es wird Ereignisse geben und in Zukunft werden immer Probleme auftauchen, die einen trotz einer gewissen Reife umhauen. Jedoch versucht man, besonnen zu bleiben und lösungsorientiert zu denken. Man ist mit den Jahren ein guter Beobachter geworden und wundert sich kaum noch über Fehlentscheidungen oder Fehlverhalten der Menschheit. Kreidet man etwas an, weil es sich nicht richtig anfühlt, dann sollte man aber auch in der Lage sein, Alternativen anzubieten. Eine Lösung, um die aktuelle Situation zu mildern, hätte sich jeder aus dem Ärmel schütteln können.
Seit Monaten wird hitzig über die deutsche Corona-Politik gestritten und diskutiert. Wie ist die Krise hierzulande eurer Meinung nach gemanagt worden?
Ich finde, Merkel hat wirklich gut und besonnen gehandelt. Durch den Föderalismus jedoch haben die Politiker in den Bundesländern ihr eigenes Süppchen gekocht und nicht die besten Entscheidungen getroffen. Bei uns in NRW sah es wirklich gut aus mit den Zahlen und wir waren wieder auf dem Weg zur Normalität. Die momentane Entwicklung zeigt uns jedoch, dass das Corona-Virus wieder auf dem Vormarsch ist und uns noch länger beschäftigen wird. Was uns um die Ohren fliegt, haben wir absoluten Fehlentscheidungen zu verdanken. Ab in den Urlaub und wieder ab in die Schule! Krass.
Zurück zur Musik. Zwölf Alben sind eine Menge Holz. Seid ihr als Musiker manchmal doch ein bisschen beeindruckt davon, was ihr in eurer Karriere erreicht habt?
Ja, definitiv! Es sind wirklich ein paar Stunden Musik, die wir geschrieben, entwickelt und aufgenommen haben. Mit jedem Album und jedem Song verbinde ich eine Geschichte, sei es im Entstehungsprozess, bei den Aufnahmen oder Zeit und Raum, in dem wir uns damals befunden haben. Ich kann dann wieder nachvollziehen, wie ich drauf war, was ich gerne gehört und am liebsten gemacht habe. Verrückt und für mich echt eine Zeitreise!
Thrash wird gern einmal als aussterbendes Genre bezeichnet. Was macht diese Musik für euch so reizvoll – und was ist dem Genre in Zukunft noch zuzutrauen?
Ich glaube, ein Genre wird nicht aussterben, es wird immer bedient. Vielleicht mal mehr und mal weniger. Es gibt Wellen und Trends, die eine gewisse Art von Musik eine Zeit lang in den Himmel heben. Dann wird es wieder weniger. Das liegt meist an Bands, die eine wirkliche Erscheinung darstellen und viele Menschen mit auf ihre Reise nehmen. Im Thrash wird noch eine Menge gehen. Ich mache das nun schon so lange, bin aber immer noch auf diese Musik neugierig. Und ich denke, diese Neugier, die in vielen Musikern schlummert, mischt die Karten immer wieder neu.
Welche Hoffnungen habt ihr für das kommende Jahr?
Wir hoffen, wie wahrscheinlich alle Menschen, dass wir langsam wieder zur Normalität kommen. Das kann man aber nur, indem man mitdenkt und mitmacht. Meine Hoffnung ist, dass man, wenn hoffentlich bald alles wieder normal ist, die Dinge, die man zurück hat und früher selbstverständlich waren, auch zu schätzen weiß und dass diese Wertschätzung der kleinen Dinge sehr lange Bestand in unseren Köpfen hat. Bleibt gesund!
© by Fuze - Ausgabe #85 Dezember/Januar 2020 und Anton Kostudis
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