7 YEAR BITCH

In Ox #14 vom April '93 stieß ich auf Joachims äußerst wohlwollende Besprechung des 1992 bei C/Z erschienenen Debüts "Sick 'em" dieser reinen Frauenband aus Seattle. Rückblickend betrachtet ist "Sick 'em" tatsächlich ein etwas untergegangener ungeschliffener Diamant, beherrscht von einem rohen kompromißlosen Sound, der schon damals nicht in die Kategorien von Grunge oder des Riot Grrrlism passen wollte. Überschattet wurde die Veröffentlichung des Albums damals vom Tod der Gitarristin Stefanie Sargent, an deren Stelle später Roisin Dunne trat. Das zweite 7 YEAR BITCH-Album "Viva Zapata" von 1994 enstand unter nicht wesentlich fröhlicheren Umständen, da kurz vorher eine Freundin der Band, die GITS-Sängerin Mia Zapata, ermordet wurde. Mit der aktuellen, von Billy Anderson (u.a. NEUROSIS) produzierten Platte "Gato Negro" sind 7 YEAR BITCH jetzt beim Major Atlantic gelandet, weshalb ich im ersten Moment nicht ganz sicher war, ob nicht doch noch versucht werden sollte, hier aus irgendwelchen Riot Grrrl- oder Seattle-Klischees etwas verspätet Profit zu schlagen. Nach wenigen Minuten konnte man aber schon Entwarnung geben, denn "Gato Negro" ist zwar wesentlich zahmer und Rock-orientierter als die Vorgänger geworden, kann aber immer noch als überdurchschnittlicher Zeitlupen-Noise-Rock bezeichnet werden.

Bei Bands wie TRIBE 8 oder BIKINI KILL kann man ähnliche Tendenzen feststellen, da die sich ebenfalls mit Erfolg bemühen, aggressive Agitation in gutes Songwriting zu verpacken, was vor allem der musikalischen Virtuosität zugute kommt. Generell könnte man sich natürlich fragen, was denn spezifisch weibliche Musik eigentlich genau ausmacht, wenn in Zukunft darauf verzichtet wird, konkrete feministische Thesen über plakative Lyrics transportieren zu wollen. Die eigens für einige Interviewtermine nach Deutschland gereiste Bassistin Elizabeth Davis ließ deshalb auch keinerlei Zweifel daran aufkommen, daß sie mit dem ganzen Riot Grrrls-Unsinn nach Möglichkeit nichts zu tun haben will. Natürlich sind 7 YEAR BITCH "girls with attitude", haben es aber nicht nötig mit prä-pubertären "Schwanz ab"-Platitüden hausieren zu gehen. Da hat man ganz andere Probleme, z.B. mit dem Hause Atlantic...


Mich hat sehr erstaunt, daß ihr bei einem Major seid, aber dennoch diese Promogeschichte für Deutschland mehr oder weniger aus eigener Tasche bezahlt. Wie kommt's?

Atlantic meinen, daß es wichtiger für uns ist, daheim in den Staaten zu bleiben, als nach Europa zu fahren. Damit es sich für sie lohnt, etwas für eine amerikanische Band in Europa zu tun, muß man mindestens 100.000 Platten verkaufen. Deshalb sehen wir es gewissermaßen als Akt der Rebellion an, trotzdem hier zu touren. Der Hauptgrund, warum wir überhaupt bei einem großen Label unterschrieben haben, war, damit das Touren für uns leichter würde. Wir sind eine Live-Band und wollen nach Möglichkeit überall spielen. Weshalb wir auch ziemlich enttäuscht sind, denn bei Atlantic ist es wirklich nicht besser, als bei einem kleinen Label. Selbst der Vertrieb von Atlantic in Europa ist nicht besonders gut. Ich weiß zum Beispiel nicht, ob sie überhaupt Werbung für die Platte machen oder ob man sie überall bekommen wird. Unsere ersten beiden Platten waren bei C/Z und besaßen keinen richtigen deutschen Vertrieb.

Das war die wichtigste Erfahrung, die wir bisher gemacht haben. Bevor du bei einem großen Label unterschreibst, solltest du über dessen internationalen Vertrieb informiert sein. Wir dachten, Atlantic würde unsere Platte überall vertreiben und unterschrieben einen weltweiten Vertrag. Rückblickend hätten wir lieber nur für die USA unterschreiben sollen und hätten uns dann ein europäisches Label gesucht. Aber wir wählten den steinigen Weg. Ein Majorlabel ist in Ordnung, wenn du von deiner Musik leben willst, aber im Grunde ist es "a pain in the ass".

In einer alten Ox-Ausgabe habe ich eine recht positive Besprechung eurer ersten Platte gefunden. Einziger Kritikpunkt war, daß keine Texte abgedruckt waren.

Zwischen der ersten und der neuen Platte ist natürlich ein großer Unterschied, insofern bin ich gespannt, wie die neue abschneiden wird. Zu den Texten kann ich nur sagen, daß wir sie grundsätzlich nie abdrucken. Ich weiß, es ist blöd, aber Selene (Vigil) will es nicht, weil sie ihr zu persönlich sind. Sie ist da etwas gehemmt, sie empfindet das so, als wenn ein riesiges Porträt von ihr da hängen würde. Dabei sind ihre Texte wirklich gut, besonders bei der neuen Platte. Bei mir funktionieren Texte eigentlich nur, wenn sie witzig werden sollen. Selenes Texte dagegen sind oft sehr schockierend, und sie teilt diese Erfahrungen mit Menschen, die ihr total fremd sind. Aber das ist wohl auch deine Aufgabe, wenn du Sängerin bist.

Wir haben übrigens ein Video für "24.900 miles per hour" gemacht, was ein gutes Beispiel dafür ist, wie konservativ und langweilig MTV in den Staaten ist. Sie fanden unseren Song anstößig und haben deshalb sieben Worte aus unserem Video geschnitten. Es klingt jetzt, als ob ein Sprung in der Platte wäre. Ich könnte noch verstehen, wenn sie "Fuck" herausnehmen, aber ich weiß nicht, was an "Gun" so schlimm sein soll.

Wie verhält es sich denn mit einem Song wie "Dead men don't rape" von eurer ersten Platte? Das scheint nun wirklich kein Witz zu sein.

Ja und nein! Er ist sicherlich ernst gemeint, aber es steckt auch viel Humor darin, da er sehr übertrieben ist. Es ist auch der einzige Song, der in diese Richtung geht. Die meisten Typen mögen ihn komischerweise, denn die Ernsthaftigkeit des Themas Vergewaltigung geht nicht nur Frauen etwas an. Wir hatten vor vier Jahren auch einige Kontroversen deswegen, wobei auf "Gato Negro" keine Texte mehr mit dieser sozialen Dimension sind. Ich denke aber, es ist gut, über dieses Thema und seine diesbezüglichen Gefühle zu reden, aber wegen dieses einen Songs hält man uns für eine besonders politische oder feministische Band. In der Band sind insgesamt vier Leute mit sehr unterschiedlichen Ansichten über Feminismus. Nur zwei davon würden sagen, daß sie überzeugte Feministinen sind. Die anderen beiden haben keine Lust, sich dieser Gruppenmentalität unterzuordnen. So entstehen selbst innerhalb der Band viele Diskussionen über Feminismus.

Ich habe manchmal den Eindruck, daß feministische Debatten oft nur auf den Tatbestand der Vergewaltigung reduziert werden. Was denkst du darüber?

Das macht auch Sinn, denn Vergewaltigung besitzt für Frauen eine ähnliche Dimension, wie es das Lynchen für Schwarze besitzt. Für Schwarze ist es das ultimative Symbol für Rassismus, und für Frauen ist Vergewaltigung die physische Manifestation von Sexismus in seiner extremsten Form. Deshalb ist es natürlich, daß man es als Hauptthema bzw. als Ziel der Wut betrachtet, um Leuten bewußt zu machen, wie übel die Situation ist.

Glaubst du denn, daß das eine gute Basis ist, damit Männer und Frauen über ihre geschlechtsspezifischen und sozialen Probleme reden?

Die beste Art für Frauen, mit Vergewaltigung umzugehen, ist, sich nicht auf Männer zu verlassen oder darauf, daß Männer ihre Meinung darüber ändern könnten. Frauen hilft nur ein gesunder Pragmatismus: sie müssen sich bewaffnen und für sich selbst kämpfen. Dir wird beigebracht, bei einer Vergewaltigung um Hilfe zu schreien und zur Polizei zu gehen. Und Männer sollten eine Therapie machen, wenn sie diese Probleme haben. Ich kann das alles mittlerweile nicht mehr hören und halte es für völligen Bullshit. Die beste Art ist, Frauen beizubringen, sich selber zu schützen. Ich weiß, daß man in Deutschland nicht so einfach eine Waffe bekommt, dennoch erscheint es mir eine machtvollere und logischere Lösung zu sein.

Was hältst du von Bands wie TRIBE 8, die in sehr drastischer Form ihre feministischen Ideen formulieren?

Wir sind gute Freunde und haben schon oft zusammen gespielt. Wir haben zur selben Zeit angefangen; sie in San Francisco und wir in Seattle. Zu Beginn hatten wir deshalb dieselben Probleme - die Probleme, die man hat, wenn man das erste Mal in einer Band spielt. So konnten wir gut beobachten, wie sich alles entwickelt und verändert. Deshalb ist es interessant zu sehen, daß TRIBE 8 eine so gute Band - vor allem live - geworden sind. Sind auch ziemlich verrückt und extrem, was viele Leute erschreckt. Da ich sie gut kenne, weiß ich, daß sie ziemlich viel Humor besitzen und sehr lustig sein können, was bei einigen Leuten scheinbar nicht ankommt. Natürlich machen sie viel Unsinn, wie mit diesem Gummipimmel, den dann jemand aus dem Publikum abhacken muß. Entweder lachst du darüber oder du verläßt den Raum. Sind sind auf ihre Art einzigartig und ich kenne auch keine andere Band, die so weit geht. Das müssen sie aber auch, damit die Leute sie verstehen und ihnen zuhören.

TRIBE 8 mögen mit Feminismus auf eine relativ humorvolle Art umgehen. Was aber ist mit einer Person wie Kathleen Hanna, die in dieser Hinsicht einen recht psychotischen Eindruck hinterläßt und momentan als das feministische Aushängeschild von Undergroundmusikkultur gilt?

Ich kenne sie, aber so richtig verstehe ich dieses ganze Riot Grrrl-Ding auch nicht. Es ist nicht mein Stil und ich kann mit dieser feministischen Lebenseinstellung wenig anfangen, die ich außerdem für sehr reaktionär halte. Ich mag BIKINI KILL, aber ich stimme nicht mit ihren Vorstellungen überein. Ihre neue Platte finde ich trotzdem sehr gut, da ich den Eindruck habe, daß sie erwachsener geworden sind. Die Platte ist sehr politisch, aber das Spektrum ist breiter geworden. Es geht nicht nur um Riot Grrrls und wie Frauen behandelt werden. Unsere Band ist ja sehr oft mit der Riot Grrrl-Bewegung in Verbindung gebracht worden, was uns mit der Zeit ziemlich frustriert hat. Ich bin eine Frau und habe damit keine Probleme. Riot Grrrls scheinen in ihrer Entwicklung vor der Pubertät steckengeblieben zu sein. Sie kleiden sich wie 12jährige und ihre Fanzines sind voller Ikonen kleiner Mädchen. Für mich ist die Vorstellung schrecklich, wieder 12 Jahre alt zu sein! Es mag in Ordnung sein, wenn die Riot Grrrl-Bewegung die Kameradschaft zwischen Frauen stärkt und sie stolz macht, eine Frau zu sein. Aber ich bin irgendwie zu alt dafür.

BIKINI KILL haben ja teilweise auch Gigs nur für Frauen gespielt.

Genau solche Sachen interessieren mich überhaupt nicht. Es ist doch blödsinnig, Männer auszuschließen, weil sie die Frauen vor der Bühne zu sehr herumschubsen. Man schubst sich vor der Bühne nun mal herum, das ist ein Teil von Rockkonzerten. Wenn du mit dieser Situation nicht klarkommst, mußt du dich halt woanders hinstellen. Ich hasse die Vorstellung, daß Frauen ganz behutsam behandelt werden müssen. Für Frauen ist es doch großartig, wenn sie stark sind und gleichberechtigt auftreten können.

Aber es scheint in der Musikszene nach wie vor etwas besonderes zu sein, in einer All-Girl-Band zu spielen. Diese Erfahrungen werdet ihr sicherlich auch gemacht haben.

Ja klar, besonders was die Presse angeht. Und du kannst das natürlich ausnutzen, wenn du willst. Oder du übergehst diese Tatsache einfach, was wir in den meisten Fällen tun. Wir nutzen es nicht aus, indem wir uns besonders sexy für die Bühne aufmachen oder sowas. Es wäre aber natürlich sehr leicht und würde viele Leute bestimmt ansprechen.

Ihr werdet trotz allem nicht verhindern können, daß ihr in diese Riot Grrrl-Szene geschoben werdet.

Es ist schade, daß Journalisten meinen, sie müßten uns als Riot Grrrls bezeichnen. Es stört mich nicht, wenn sie betonen, daß wir eine reine Frauenband sind, aber wir haben inzwischen drei CDs gemacht und unseren eigenen Stil entwickelt. Es müßte eigentlich genug über die Musik und die Texte zu schreiben geben. Das ist genauso ein Blödsinn wie mit Grunge. Wenn wir Grunge sein sollen, dann ist alles Grunge, was aus Seattle kommt. Wir haben uns kurz vor diesem Seattle-Hype gegründet und hatten eigentlich nie die Absicht, eine Platte aufzunehmen oder auf Tour zu gehen, weil wir gar nicht richtig spielen konnten. Ich bin eigentlich Französischlehrerin, Valerie Agnew ist Homöopathin und sehr interessiert an chinesischer Heilkunde. Selene arbeitet in einem Reformhaus, außerdem schauspielert sie ein wenig, unter anderem in einem Independent-Film namens "The Year Of My Japanese Cousin", und Roisin arbeitet als Kamerafrau in Hollywood. Unsere Freunde spielten alle in Bands und hatten die ganzen Instrumente rumstehen, weshalb wir auch zu spielen anfingen - nur um mit ihnen zusammen spielen zu können. Was danach passierte, war ziemlich verrückt und hätte auch niemand vorhersagen können. Erst nach Stefanies Tod begriffen wir, daß sich uns eine wirklich rare Gelegenheit bot, aus der wir möglichst viel machen mußten. Nicht jede bekommt die Gelegenheit, mit seinen Freundinnen in einer Band spielen zu können und damit auch noch seinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Ihr habt euch zu Beginn also keine großen Gedanken gemacht, was ihr eigentlich für Musik machen wolltet.

Schwer zu sagen, was genau wir darstellen. Einige unserer Songs sind schneller Punkrock, andere nicht. Die erste Platte klingt so roh, weil wir erst sechs Monate vorher zu spielen begonnen hatten. Diesen naiven Rocksound kriegen wir natürlich nicht wieder hin. Die neue Platte klingt sicherlich anders, ist aber für Atlantic immer noch eine seltsame Platte. Sie verstehen die Platte nicht. Und weil kein großer, hervorstechender Hit darauf ist, wissen sie nicht, was sie damit machen sollen. Es gibt aber musikalisch einige Punkte, die für uns sehr charakteristisch sind: wir sind sehr rhythmusorientiert und eher aggressiv als melodisch. Ein großer Einfluß waren sicherlich JESUS LIZARD, GIRLS VS. BOYS oder FUGAZI, die einen sehr schrägen Rhythmus besitzen. FUGAZI haben etwas wirklich anderes gemacht, was ich sehr inspirierend fand. Im Grunde ist es mitreißender Rock, aber in jedem Song haben sie eine Wendung, die du nicht erwartest und jeden Song zu etwas besonderem macht. Was uns betrifft. so bringt jede ihre persönlichen Einflüsse mit: Selene mag Patti Smith und Henry Rollins. Unsere Schlagzeugerin Valerie mag AC/DC und MOTÖRHEAD, weshalb sie meistens irgendwann die ganzen komischen Rhythmen satt hat und darauf besteht, zur Abwechslung mal wieder einen straighten Rocksong zu machen. Unsere Gründe Musik zu machen sind aber immer noch die gleichen, nämlich etwas zu tun, von dem wir glauben, daß es cool ist. Wenn es Leute mögen, gut, wenn nicht, well, then fuck off!