Wie bereits das STOOGES-Debüt von 1969 überzeugt „Fun House“ ein Jahr später zwar ein Minderheitenpublikum, kann jedoch keinen kommerziellen Erfolg verbuchen. Die Platte verkauft sich so schlecht, dass die Band prompt ihren Plattenvertrag bei Elektra verliert und eine Pause einlegt. Letzteres liegt allerdings nicht zuletzt auch an den Drogenproblemen sämtlicher Bandmitglieder, allen voran Frontmann Iggy Pop. Auch bei vielen Kritiker*innen kommt die Platte schlecht weg, der Melody Maker labelt sie damals als eine der schlechtesten Platten des Jahres und nennt sie „eine schlammige Ladung von trägem, einfallslosem Müll“. So kurz nach dem Summer of Love konnte diese Platte die Hörgewohnheiten der Mainstream-Hörer*innen nur überfordern.
Die Siebziger läuten THE STOOGES nämlich mit ohrenbetäubenden Gitarren, den schmutzigen Resten der Sechziger-Psychedelica, atonalem Krach und einem ekstatischen Frontmann ein, der bei jedem Gig ein buntes Potpourri an Substanzen konsumierte. Genau dieses Gefühl will die LP einfangen. Es sollte also ein Live-Album werden, ohne ein Live-Album zu sein. Interessanterweise stehen die anderen Bandmitglieder bei Live-Auftritten meist bewegungslos da, während Iggy Pop mehr einem wilden Tier als einem Menschen gleicht. Klar, dass die Meisten die Band so als Ansammlung asozialer, untalentierter Junkies wahrnimmt (ganz falsch lagen sie damit ja nicht). Einzige Ausnahme: Musikjournalismus-Ikone Lester Bangs lobt die Platte in höchsten Tönen.
Aber wie so oft überlegen es sich auch die Ungläubigen Jahrzehnte später anders. Heute gilt „Fun House“, wie sein Vorgänger „The Stooges“ und die nachfolgende Platte „Raw Power“ (1973), als wichtigster Vorläufer für Punkrock. 2003 stuft der Rolling Stone die Platte auf Platz 191 der 500 besten Alben ein. Als ein Beispiel für die direkte Verbindung zum Punk dürfte das THE DAMNED-Cover von „1970“ auf ihrem 1977er Debüt „Damned Damned Damned“ gelten. Aber auch andere wagen sich an einen Coversong: DEPECHE MODE zollen den Detroiter Rockern Tribut mit ihrem Cover von „Dirt“ auf der „I Feel Loved“-Single. Die Performance von „T.V. eye“ im Glamrock-Film „Velvet Goldmine“, dargeboten von einer Band, bestehend aus STOOGES-Gitarrist Ron Asheton, Mitgliedern von SONIC YOUTH und Ewan McGregor als Iggy-esquem Frontsänger, war übrigens meine erste Berührung mit der Band. Zahllose Künstler*innen bezeichneten „Fun House“ als ihr Lieblingsalbum, darunter Joey Ramone, Buzz Osborne von den MELVINS und Henry Rollins, ex-BLACK FLAG. Höchste Zeit, 36 Minuten mit dem Anhören dieses Proto-Punk-Prunkstücks zu verbringen, falls man es nicht schon längst getan hat.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #150 Juni/Juli 2020 und Julia Segantini