Ob der Bandname nur für das angloamerikanische Ohr teutonisch klingen soll oder ob hier irgendeine Art von Wortspiel vorliegt, das sich mir aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht erschließen wollte, beschäftigte mich sporadisch über viele Jahre. „DIE“: Artikel, sterben oder gar stirb? Das Dilemma beginnt schon ganz am Anfang und welchen Sinn könnte KREUZEN ergeben, wenn man es wie ein Amerikaner ausspricht (der sich deutsch anhören möchte?)? Auf dem Cover mit Richard Kohl, herausragend aus einem Meer von Hardcore-Klischees, ist wiederum auch ein Kreuz zu sehen ... geknackt habe ich das Rätsel nie, denn es gab keins. Eine schnöde falsche Pluralbildung kreierte DIE KREUZEN. The Crosses, enttäuschend banal. Aber ungeniert mit dem harten Zungenschlag der deutschen Sprache den Bandnamen dahinsagen, das geht nun.
Zur Musik: DIE KREUZEN brauchen nur wenige Takte, um den manischen Sog ihres Hardcore-Sounds zu etablieren. Auch der dankenswerterweise nicht in den Hintergrund gemischte Bass darf ähnlich wie das meist im hohen Tempo galoppierende Schlagzeug prägnant hervortreten. Dafür drängen sich die Gitarrenriffs in den kaum die Zwei-Minuten-Marke streifenden Songs fast nie auf und bleiben immer ohne große Gesten. Dabei hat Brian Egeness hier so manches Glanzstück eingespielt, wofür andere schon in den Olymp der Hardcore-Gitarristen gehoben wurden. Das Resultat ist ein sehr verdichtetes, intensives Hörerlebnis, das nicht nur als einzelnes Break, als melodisches Riff oder catchy Refrain in Erinnerung bleibt und nach dessen Ende man sich – trotz einer Spielzeit von nur dreißig Minuten – auch körperlich erschöpft nur behutsam wieder zu entspannen beginnt. Als ob man aus einem Windkanal stolpern würde, in dem man mit feinem Sand beschossen wurde. Wofür vor allem auch das sich durch die Songs raspelnde Gekreische von Dan Kubinski verantwortlich ist, der Heuschrecken in Gehörgänge schicken kann, von wo aus sie sich unaufhaltsam bis in Hirn fräsen, dort langsam einzelne Schichten abtragend. In seiner Intensität den BAD BRAINS ebenbürtig, sonst aber viel düsterer und deutlicher Pfade zum Thrash und bis zum Grindcore oder auch Bands wie VOIVOD und BOTCH etablierend. Und das langsamere, ruhigere „All white“ greift nicht nur den späteren Alben voraus, die Intensität nicht mehr nur über Schnelligkeit und Härte erreichen wollten, sondern entfaltet auch ein Gefühl von roher Düsternis, wie es sonst vor allem Black-Metal-Bands gelingt und in reduzierter Dosierung auf dem ganzen Album zu finden ist.
Ein Meilenstein, den man nur einmal einspielt. Alles danach kommende, was das gleiche Ergebnis anstrebt, kann nur unnötige Wiederholung sein.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #172 Februar/März 2024 und Simon Brüggemann