Mit seiner nicht zu bändigenden Stimme navigiert Tom Waits auf „Swordfishtrombones“ mitten ins Delirium, viel weiter noch als auf den sieben bei Asylum Records veröffentlichten Vorgängern. Seine Lyrics über die menschlichen Abgründe und Bedürfnisse sind von einem großartigen Detailreichtum. Sie neigen zu einer solchen Dichte, dass man beim wunderbaren Liebeslied „Shore leave“ nicht nur an die unstillbare Sehnsucht, sondern genauso an ein Oberteil mit Pferdemotiv denkt. Die Spoken-Word-Verneigung vor „Frank’s wild years“ fasst zwar eine Vielzahl von unerträglichen Lebensumständen zusammen und doch findet man Franks Hass auf einen blinden Köter mit Hautkrankheit am nachvollziehbarsten.
Auch wenn seine Lieder schon immer deutlich vielschichtiger waren und sich nicht allein auf die Rauf- und Sauf-Romantik reduzieren ließen, um die sein konventionelleres Frühwerk kreiste, emanzipiert sich Tom Waits spätestens auf „Swordfishtrombones“ von Heldengeschichten aus der Taverne und tauscht diese ein gegen eine liebe- und respektvolle Auseinandersetzung mit dem Scheitern und mit berührenden Bildern von individuellem Versagen und Schuld. Dass es ihm darüber hinaus gelingt, mit derart einfachen, literarischen Pinselstrichen düstere und gleichzeitig hoffnungsvolle Gefühlswelten zu erschaffen, ist von genauso immenser Bedeutung für seine Musik, wie seine Arrangements umgekehrt für seine Erzählungen notwendig sind. Denn nicht nur bei seinen besungenen Figuren, auch in den Stücken von „Swordfishtrombones“ muss einiges schiefgelaufen sein, damit sie als Album überhaupt funktionieren können.
Der Opener „Underground“ nimmt sich genau zwei Minuten Zeit, klemmt sich eine E-Gitarre zwischen die arthritischen Finger und kommt von einem monotonen Marschrhythmus halb zertrampelt zu der Einsicht: „There’s a world going on underground“. Und vor dieser Welt verneigt sich Waits. Trotz all der in ihr wohnenden Einfalt und Bösartigkeit ringt er ihr Stück für Stück auch die trostspendenden Seiten ab. „Swordfishtrombones“ ist ein Rausch, karnevalesk, komödiantisch und tieftraurig, experimenteller Jazz, Blues und Rock’n’Roll gleichermaßen und dabei auf instrumentaler und textlicher Ebene immer herausfordernd. Nach mehr als einem Jahrzehnt des Musizierens in dem sicheren Wissen, dass da Menschen sind, die ihm zuhören, packt Waits sie alle rüde am Kragen und zieht sie mit hinein in seine Welt, hinein in impulsive Songskizzen, hinein in unzureichend ausgeleuchtete, dreckige und feuchte Nebenstraßen. Auf „Swordfishtrombones finden 15 Lieder in vierzig Minuten zusammen, die bei aller Verschrobenheit zu allererst eins sind: perfekt.