35 Jahre später: NOMEANSNO

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Wrong (CD, Alternative Tentacles, 1989)

Würde man in der Punk- und Hardcore-Community eine Umfrage starten, welches NOMEANSNO-Album das beste sei, würden wahrscheinlich 90% mit „Wrong“ antworten. Und ich wäre sicher dabei. Denn das vierte Album der 2016 aufgelösten Band aus Kanada zeigt sie auf dem Höhepunkt ihres künstlerischen Schaffens. „Wrong“ vereint in Perfektion alles, was NOMEANSNO auszeichnete: treibende Beats, unnachahmliche Bassläufe, Breaks bis zum Abwinken, Harmonien, die einem eine Gänsehaut über den Rücken jagen, Energie, Intelligenz, Freude, Wut, Power. Vorgetragen mit einer Leichtigkeit und Souveränität, die ihresgleichen sucht. Schon der Opener „It’s catching up“ ist einer meiner All-time-Faves in der Geschichte von NOMEANSNO, gefolgt vom Biest „The tower“. Die folgenden drei Tracks „Brainless wonder“, „Tired of waiting“ und „Stocktaking“ mögen in der allgemeinen Wahrnehmung ein Schattendasein fristen, doch gerade letzterer hält das Energielevel extrem hoch und leitet perfekt zum nächsten „großen Song“ über, nämlich „The end of all things“. Treibend und hardcorig, um dann in zwei fast sphärische Breaks mit Harmoniegesang überzugehen, die mir die Tränen in die Augen treiben. Unter den folgenden Songs finden sich mit „Two lips, two lungs and one tongue“ und vor allem „Rags and bones“ und „Oh no! Bruno!“ absolute Klassiker aus dem NOMEANSNO-Kosmos. Die 1989 erschienene LP-Version enthält insgesamt elf Tracks, die CD bietet mit „Life in hell“ und „I am wrong“ noch zusätzliches Material. Verrückte Zeiten damals, als die CD gerade populär wurde. Heute wäre es wohl genau umgekehrt. Auf dem bandeigenen Label Wrong Records erschien 2004 eine remasterte CD-Version, die neben den 13 Songs der Original-CD auch „State of grace“ und „End of the world“ von Mr. Wrong enthält (ein Pseudonym des Bassisten Rob Wright, unter dem er unter anderem eine 7“ mit diesen beiden Stücken veröffentlichte). Im Jahr 2010 erschien auf Wrong Records zudem eine Doppel-LP mit genau dieser Tracklist. Unnötig zu erwähnen, dass diese Edition zu horrenden Preisen gehandelt wird und schwer zu bekommen ist, denn alle Veröffentlichungen von NOMEANSNO sind längst gesuchte Klassiker. Ich kann mir allerdings kaum eine andere Band vorstellen, die diesen Kultstatus mehr verdient hätte, standen NOMEANSNO doch mit ihrem einzigartigen Stil für alles, was Punk und Hardcore ausmachte, inklusive der Tatsache, dass es in diesem Genre kaum je eine bessere Live-Band und Rhythmussektion gegeben hat. Die gute Nachricht ist, dass aktuell der gesamte NOMEANSNO-Backkatalog auf Alternative Tentacles wiederveröffentlicht wird. Und welches Album macht den Anfang? Natürlich: „Wrong“!