Warum „24 Hour Revenge Therapy“ und nicht „Bivouac“, das zwei Jahre zuvor erschien? Warum nicht das Debütalbum „Unfun“ von 1990? Und warum nicht das umstrittene „Dear You“ (1995)? Warum nicht einfach alle vier! Während ihrer Abwesenheit waren JAWBREAKER und ihre Musik fast schon so etwas wie ein Fetisch, die Bandgeschichte taugte mustergültig zur Legendenbildung. 1986 beginnen Blake Schwarzenbach (gt) und Adam Pfahler (dr), die sich seit ihrer Highschool-Zeit in Santa Monica kennen, zusammen mit Chris Bauermeister (bs) und wechselnder Besetzung am Mikro an der New York University ihre gemeinsame Kariere. Man einigt sich auf den Namen RISE, zieht nach Los Angeles, nimmt ein Demo auf, merkt, dass Schwarzenbach als Sänger bestens funktioniert und macht zu dritt als JAWBREAKER weiter. Mehr Demos, Sampler-Beiträge und (Split-)Singles, dann „Unfun“. Eingängig, aber räudig genug, wird das auf Shredder veröffentlichte Debüt überall geliebt. Die Band geht auf Tour, löst sich danach aufgrund dysfunktionaler Stimmung kurzzeitig auf, zieht dann nach San Francisco und findet im Mission District und der dortigen Szene ein Zuhause. Zusammen mit Billy Anderson wird „Bivouac“ eingespielt, das bei Tupelo beziehungsweise Communion erscheint. Auf der folgenden Tour wird ein Polyp auf den Stimmbändern des Sängers festgestellt. Nach der OP klingt die Stimme erst mal seltsam. Hier würde ich erwähnen, wie prägnant sich der Gesang, schon vor und auch nach der Genesung, weigert, der smarten Poesie in den Texten zu schmeicheln. Gewöhnungsbedürftig ist das, und wahrscheinlich macht das den Charme aus. „24 Hour Revenge Therapy“, bis auf drei Songs von Steve Albini aufgenommen, wirkt kompakter als die Vorgänger. Ob das Wort Emo zutrifft, können andere diskutieren. Punkrock, zu gleichen Teilen in Herzblut getränkt und verkopft. Intellektuelle mit Gefühlen und einer Hardcore-Vergangenheit. Für viele war diesbezüglich 1994 der Höhepunkt erreicht. Danach wird das Album „Dear You“ auf DGC veröffentlicht. Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern? Man sollte sich auf Konzerten nicht zu Aussagen und Beteuerungen hinreißen lassen, die auch noch gefilmt werden, einen im Zweifelsfall lange verfolgen und einem vorgeworfen werden können. In Folge gekränkte Gefühle, die sich in Tränen und Boykott äußern. Auf der anderen Seite für ein großes Label zu wenig abgesetzte Einheiten. All das sorgt bandintern erneut für Stress und führt 1996 zur Auflösung. Danach verschiedenste Tätigkeiten, erwähnenswert: JETS TO BRAZIL, SHOREBIRDS, FORGETTERS. 2017 die Reunion, beruhigte Gemüter und unbestätigte Gerüchte um ein fünftes Album.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #176 Oktober/November 2024 und Lars Koch