30 Jahre später: DIE LOKALMATADORE

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Heute ein König ... Morgen ein Arschloch (LP, Teenage Rebel, 1994)

Im Jahre 1982, als ein Herr aus Oggersheim die Macht im Lande an sich riss, tauchten DIE LOKALMATADORE aus Mülheim an der Ruhr auf. Und als die Mauer fiel, erschien deren erste Single. Bedenkt man, dass Helmut Kohl noch vier Jahre Kanzler war, als die hier besprochene LP der Jungs erschien, fühle ich mich plötzlich doch recht alt. Denn was habe ich sie nicht in Endlosschleife abgefeiert, diese frivole, immer „etwas drüber“ seiende Spaß-Platte.War die Debüt-LP „Ein Leben für die Ärmsten“ von 1991, mit dem an SLADE angelehnten Cover, noch nicht so mein Ding, war das 1992 folgende Album „Arme Armee“ dann einfach zum Verlieben – für die Ohren und Denkweise der damaligen Zeit. Und dann kam „Heute ein König ... Morgen ein Arschloch“ mit dem Song „Whitney aus Surinam“: das lebte ich in den 1990er Jahren ja selbst auch. Punk, Bier, Fußball und horizontale Damen stellten einen wesentlichen Teil des Freizeitvergnügens dar. Das mag ich mit heutigen „jungen Leuten“ um die zwanzig aber nicht mehr wirklich diskutieren. Die denken, ich (wir!) seien irgendwie Außerirdische, und Sexisten gleich dreifach ... In „Hans Uwe Koch“ wird ein ehemaliges Bandmitglied „gewürdigt“ und „Barbara“, na logisch, war von Chris Roberts, auch wenn das Lied da etwas anders hieß. Und nach jedem Song ertönt ein (oft sehr gequälter) Rülpser – auf der Vinylscheibe wie auch in meinem Wohnzimmer, wenn das Bier mit den Kumpels bisweilen über den Teppich kippte. Das Cover und Backcover waren eine Persiflage auf eine sehr populäre Bier-Werbung einer westfälischen Brauerei. Sänger Fisch wohlig angelehnt zwischen zwei Damen, während auf der Rückseite das „wahre“ Leben derb zurückwinkte. Mit dem freundlichen Hinweis „... Morgen ein Arschloch“. Der Sound oder besser: die Frische war von der streng genommen dritten Punk-Welle (aus den USA) von Bands wie NOFX, LAGWAGON und Co. beeinflusst, wobei sie stets auch früheren Legenden huldigten. So wird „Herz aus Gold“ mit COCKNEY REJECTS-Riffs eingeleitet. Es war die Zeit, als sich Punk-Sänger auf der Bühne komplett entkleideten (Fisch, Willi Wucher von PÖBEL & GESOCKS, dessen damaliger Gitarrist Bubba bekanntlich bei LOKALMATADORE spielt) und Bands wie SMEGMA eine „Oben ohne“-Lady ins Live-Set einbezogen. Wie war das noch gleich, T-Shirts auf Konzerten ausziehen verboten? Mit „Mülheim/Ruhr“ widmeten „Lokal“ ihrer Stadt noch eine galante Hymne, die ich heute noch sehr mag. Sänger El Fisch sagte einmal in etwa, dass Menschen, die „unsere Texte ernst nehmen“ eh nicht mehr zu helfen sei. Doch die Liebe zu Mülheim, den Pott, den Zweitligaverein aus Ückendorf und ihrem Heimatverein VfB Speldorf, die ist seriös gemeint. Schöne alte, unwiederholbare Zeit!