30 Jahre später: CLUTCH

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Transnational Speedway League: Anthems, Anecdotes And Undeniable Truths (CD/MC, EastWest, 1993)

CLUTCH, gegründet in Germantown, Maryland, rocken nun schon grundsolide in Originalbesetzung – Neil Fallon (voc), Tim Sult (gt), Dan Maines (bs), Jean-Paul Gaster (dr) – seit dreißig Jahren und dreizehn Alben vor sich hin. Genauso lange bin ich nun auch schon Fan, nämlich seit ich sie 1993 live sah im Vorprogramm von BIOHAZARD. „Nanu“, werden sich Spätgeborene fragen, was das denn für eine Kombination ist. Wer die Band nur anhand der neueren Sachen kennt, wird sich wundern, was für ein räudiges Stück Krach die erste EP „Passive Restraints“ und dieses Debütalbum darstellen, denn die Stoner- und Bluesrock-Einflüsse tauchten erst ab dem selbstbetitelten zweiten Platte von 1995 zunehmend dominant auf. Auf „Transnational ...“ herrscht noch ein harter, noisiger und treibender Sound vor, der sich jeglicher Kategorisierung widersetzt und den ich stilistisch am ehesten noch beim Amphetamine Reptile-Label verorten würde. Doch nicht nur die Musik klingt ruppiger: Neil Fallon – eigentlich ein begnadeter Sänger – röhrt hier durchgehend, als hätte er ketterauchend mit Ameisensäure gegurgelt. Die erste Single „A shogun named Marcus“ ist gar ein derartiges Brett, dass die Band aufhörte, es live zu spielen, weil das im Publikum immer in extrem aggressiven Slamdance ausartete. Was die offensichtliche Aggressivität der Musik jedoch konterkariert, sind die ebenfalls von Neil Fallon verfassten, völlig abstrakten, intelligenten, mit allerlei Querverweisen und Anspielungen gespickten Texte. Laut Fallon ein spontaner „stream of consciousness“, schwingt in ihnen ein guter Teil Monty Python-Humor mit, was sie zu einem Alleinstellungsmerkmal erhebt. Dazu warten sie mit allerlei zitierwürdigen Zeilen auf wie „Coca-Cola and Armageddon / We like it, like it, yes we do!“. Neben schnelleren Stücken mit dem Band eigenen Drive (vor allem das zitierte „12 ounce epilogue“ mit seinem mörderischen Basslauf) gibt es auch ruhigere wie das sinistre „Binge and purge“, dessen „Motherfucker“-Refrain CLUTCH auch den meines Wissens einzigen Parental-Advisory-Sticker ihrer Laufbahn eingebracht hat. Lobend zu erwähnen wäre noch, dass sich die Band trotz der stilistischen Neuausrichtung nie von ihrem Frühwerk distanziert hat, sondern immer noch alte Songs in modifizierter Form in ihr Live-Set übernimmt (diese Neubearbeitungen kann man auch auf der Compilation „Weathermaker Vault Series Vol. 1“ von 2020 hören). Mag sein, dass sich auf den letzten drei Alben bisweilen öde Routine eingeschlichen hat, für mich war das Debüt mit dem superben Artwork mit 19 der Beginn einer andauernden Liebe ... auch wenn es sich mittlerweile nach „altem Ehepaar“ anfühlt.