25 Jahre später: LAGWAGON - Duh (Fat Wreck Chords, 1992)

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Es wirkt heutzutage absurd, gar lächerlich, aber in der ersten Hälfte der Neunziger Jahre sah man sich häufiger dazu gezwungen, Position zu beziehen zum kalifornischen Punkrevival, dem bald eine schwedische Welle folgen sollte. Die Grenze war klar definiert, Begeisterung oder maximale Ablehnung. Die Vorwürfe: Ausverkauf, Verrat, Untergang des Punk. Also Altbekanntes. Die Konfliktlinie folgte zumeist den Generationsgrenzen und damit hätte der Melodycore – eine etwas aus der Mode gekommene Genrebezeichnung – schon mal eines der Kernanliegen des Punks erfüllt: Abgrenzung der Jugend vom Establishment, von den alten Damen und Herren, die einem erklären, was denn nun korrekter Punk sei.

LAGWAGON waren nicht die Pioniere dieses neuen Sounds, der sich in seinen besten Momenten nie allzu weit vom melodischen, kalifornischen Punk der vorherigen Dekade entfernte, lieferten mit ihrem Debüt aber nicht nur das erste Album-Release von Fat Wreck, sondern erzielten auch beachtliche Verkaufszahlen. Ein kleines Vorbeben zum endgültigen Durchbruch einiger kalifornischer Bands in den Mainstream rund zwei Jahre später, der dem Punk wieder Superstars schenkte. Ein ungebetenes Geschenk, da fortan zu viele Bands mit bescheidenem Können und unter massivem Einsatz von zuckersüßen Uhs, Ohs und Ahs, holprigen Ska-Anleihen und mit weichgespülter Produktion versuchten, den nächsten Sommerhit (bekannt aus der jährlichen Highschool-Abschluss-Coming-of-Age-Klamotte in den Kinos) zu landen, was man aber nicht LAGWAGON anlasten kann.

Die lassen sich weder die geschilderten musikalischen Grausamkeiten zuschulden kommen, noch raue Kanten, aggressive Parts oder Griffigkeit vermissen. Ihr Debüt zeigt dabei eine Vielseitigkeit, die zwar stellenweise noch nah an der Suche einer Band nach ihrem eigenen Sound ist, aber gerade durch Joey Capes prägnanten Gesang bereits zusammengehalten wird, und die Band deutlich vom sich fix etablierenden Einheitsbrei abhebt. Dazu zählt bei LAGWAGON auch immer der ausreichende Platz für melancholische Töne, die auf „Duh“ besonders im Song „Angry days“ in Höchstform vorgetragen werden. Das macht ihre Alben zu mehr als einer musikalischen Begleitung der Jugend, die einen in dem Glauben wiegt, die Welt sei nur für dich selbst und dein Skateboard geschaffen und es gelte, sie einfach zwischen ersten Drogenerfahrungen, naivem Aufbegehren und tapsigen, sexuellen Gehversuchen ungestüm zu erobern. „Duh“ klingt auch heute noch frisch und ist keine peinliche Eskapade, bei der man sich fragt, wie dies jemals so eine große Rolle im eigenen Leben spielen konnte. Und hey, Punkpolizisten von damals, LAGWAGON sind immer noch dabei, ich auch, also fuck off!