20 Jahre später: TEXAS IS THE REASON - Do You Know Who You Are? (Revelation, 1996)

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Vier Typen stehen in einem Keller in New Jersey und schütteln innerhalb von ein paar Minuten ihren ersten gemeinsamen Song aus dem Ärmel. Der Song, der sich laut Gitarrist Norman Brannon in der ersten Probe mehr oder weniger von selbst schrieb, heißt „If it’s here when we get back it’s ours“. Teile des Textes ergeben keinen Sinn, denn Garrett Klahn liest Sätze wie „We hate you all and that’s for free“ von Flyern und Postern ab, die im Keller ihres Schlagzeugers hängen. Eines Abends schlägt man auf einem Konzert mit einer befreundeten Band Zeit tot. Es wird diskutiert, welche Bandnamen ihre Freunde wieder verworfen hätten, bevor sie sich THE VAN PELT nannten. Der Name TEXAS IS THE REASON, der einer Zeile des MISFITS-Songs „Bullet“ entliehen ist, bleibt sofort hängen.

Vieles in der Geschichte der Band wirkt sehr leichtfüßig, spiegelt in gewisser Hinsicht ihre Musik wider: keine Ecken und Dissonanzen, nichts wirkt überflüssig. Man hat es mit Leuten zu tun, die schon damals so etwas wie Veteranen der Hardcore-Szene waren und zuvor bei 108, SHELTER, FOUNTAINHEAD und COPPER spielten. Menschen, die ihre Instrumente beherrschen und seit Jahren befreundet sind. Kein Wunder, dass „Do You Know Who You Are?“ wie aus einem Guss klingt. Verständlich aber auch, wie sehr die Platte bis heute polarisiert und oft, nicht ganz zu Unrecht, als langweilig und kitschig bezeichnet wird.

Für das, was diese nun zwanzig Jahre alte Platte aber gewesen sein soll, gab es neben CHRISTIE FRONT DRIVE und „Diary“ von SUNNY DAY REAL ESTATE damals jedoch wohl kein besseres Beispiel. Als makelloses Emo-Monument der Zeit nach NIRVANA, in der sich die Majors plötzlich für Bands aus dem Underground interessierten. Schon andere gingen damals an Majordeals kaputt: JAWBREAKER wurde nie verziehen, dass „Dear You“ auf Geffen veröffentlicht wurde, SAMIAM hatten ähnlich wenig Glück mit „Clumsy“ auf Atlantic. Letztlich scheiterten auch TEXAS IS THE REASON an den Spannungen, hervorgerufen durch die Angebote der Industrie, die ihre lange Freundschaft auf die Probe stellten.

Ein paar Mal pro Jahr in den Wintermonaten lege ich mir „Do You Know Who You Are?“ auf den Plattenteller. In ihrer völlig kompromisslos glatten Gestalt wird sie nie meine Lieblingsplatte werden, aber ich möchte vor allem Songs wie „Back and to the left“, „The day’s refrain“ oder „A jack with one eye“ nicht missen. Genau wie der Bandname und der Songtitel „The magic bullet theory“ ist der Plattentitel übrigens eine Referenz an ein Attentat. Eine philosophisch anmutende Frage, die in diesem Kontext aber als Routinefrage diente, um das Bewusstsein einer verletzten Person zu überprüfen. Der Satz erscheint damit so doppelbödig und banal wie viele Texte der Band, denn „Do you know who you are?“ sind angeblich die letzten Worte, die John Lennon kurz vor seinem Tod gehört haben soll.