VALIENT THORR sind Verrückte, Getriebene, eine Maschine von Band. 2001 in Chapel Hill, NC gegründet, also entgegen der selbstgestrickten Legende nicht venusianischer, sondern durchaus irdischer Herkunft, veröffentlichte die Band um Frontmann Valient Himself seit 2003 bereits fünf Alben, und „Stranger“ ist der neueste Output des dauertourenden Fünfers. Auf den ersten Blick beeindrucken die Alben der Alien-Rocker nur mäßig mit einem eher konservativen Hardrock-Sound, bei genauerem Hinsehen allerdings erkennt man jenseits von THIN LZZY- und DEEP PURPLE-Anleihen auch eine TURBONEGRO ähnliche Zitierfreudigkeit sowie jene rotzige Attitüde, die man einst auch bei ZEKE und den HOOKERS schätzte. Und liest man sich die Texte von Valient Himself mal durch, ist man überrascht: Komplex und reflektiert wird da in einer Weise über den Zustand der Welt philosophiert, dass man meint, es hier mit einer engagierten Hardcore- oder Punkband zu tun zu haben.
Valient, vervollständige den Satz: VALIENT THORR ist ...
... ein Mann und eine Band aus dem Inneren des Planeten Venus. Sie stürzten vor vielen Jahren hier ab und entschieden sich dafür, den Rock’n’Roll als Katalysator zu benutzen, um die Erde vor sich selbst zu schützen.
Euer Logo hat einen klassischen Metal-Look. Wie wichtig ist es ein wiedererkennbares Logo zu haben?
Ich glaube, es ist ziemlich wichtig. Sicher, es ist nicht nötig, was zählt, sind deine Musik und dein Inhalt, aber es hilft sicherlich, damit sich die Leute an dich erinnern.
Was sind, außer eurem eigenen, deine drei Lieblings-Bandlogos und was gefällt dir an ihnen?
Die von IRON MAIDEN, BAD BRAINS und PUBLIC ENEMY. Sie alle haben sehr einprägsame Logos. IRON MAIDEN haben einen unglaublichen Schriftfont, in dem fast alles super aussieht. PUBLIC ENEMYs ist sehr einfach, aber hat diesen Typen im Fadenkreuz. Klassisch. Einmal habe ich eine Band gesehen, die hieß BAD BRIANS, mit dem BAD BRAINS-Logo. Ich fand das sehr witzig. Ich hatte wochenlang den Sticker und dachte, er wäre von den BAD BRAINS, aber dann merkte ich, dass es die Band war, in der alle Typen Brian heißen. Immer wieder ein Augenschmaus.
Auf eurem letzten Album „Immortalizer“ habt ihr einen Songs, der „Parable of Daedalus“ heißt, und für die Band habt ihr euch den Namen Thor(r) geliehen. Das erweckt den Eindruck, dass ihr von der griechischen Mythologie beeinflusst seid.
Das Lied ist von einem Trip nach Griechenland inspiriert, runter ans Kap Sounion, und meiner Entscheidung, meinem Vater eine Niere zu spenden. Thor ist aus der nordischen Mythologie, was aber mit uns nichts zu tun hat. Wir sind von der Venus. Es gibt vielleicht einen Grund, warum diese Leute ihren „Gott“ Thor nannten. Ich nehme an, dass damals ein steinaltes venusianisches Raumschiff auf der Erde landete. Und weil jeder Nachname auf der Venus Thorr ist, dachten die Erdenbewohner, die Venusianer wären Götter.
Für einige Leute ist Jack Endino ein Heiliger, einfach weil er so viele großartige Platten produziert hat und auch selbst in exzellenten Bands spielte. Wie habt ihr ihn für euch entdeckt und was macht das Arbeiten mit ihm besonders?
Wir trafen Jack durch unseren Freund Jamie Lynn, mit dem er in der Band KANDI CODED spielt. Wir haben sie vor ein paar Jahren auf Tour getroffen und sind gute Freunde geworden. Er ist ein smarter, fantastischer Kerl, mit dem man gut arbeiten und rumhängen kann, und ich weiß es zu schätzen, Typen zu treffen, von denen ich eine Menge lernen kann. Das ist der Grund, warum er uns für eine weitere Platte am Hals hatte.
Was ist der Hintergrund deines Songs „Tomorrow Police“ – schlechte Erfahrungen mit Polizisten?
Also, wir hatten definitiv einige Auseinandersetzungen mit dem Gesetz, meistens wegen irgendeinem Bullshit auf Seiten der Polizei oder schwachsinnigem Trara an den Grenzen. Aber, um dir die Wahrheit zu sagen: Wir haben viele gute Freunde und Fans, die Polizisten sind, die diesen Song lieben. Ich bin Science-Fiction-Fan und ich liebe Phillip K. Dick und Geschichten über Polizisten, die in der Zukunft spielen. Davon gibt es tausende ... auch Filme, oft sehr furchtbare, man denke da nur an „Runaway“ mit Tom Selleck und Gene Simmons. Der Song ist nun mein Beitrag zu dem Thema.
Ein anderer, sehr kritischer ist Song „Red flag“. Wurde der unter dem Eindruck der Weltwirtschaftskrise geschrieben? Und glaubst du, dass es in den USA, wo diese Tea-Party-Idioten Obama als „Sozialisten“ darstellen, je eine starke Linke geben wird?
Der Song entstand schon vor ein paar Jahren und handelt eigentlich von den ultrakonservativen neuen „Jakobinern“ hier. Aber er könnte genauso gut von der aktuellen Finanzkrise in Amerika handeln, von der ja Leute auf der ganzen Welt betroffen sind. Jemanden wie diese Ausgeburt der Hölle Sarah Palin als Kandidatin ins Rennen zu schicken, wäre vermutlich der einzige Weg, die Linke wieder nach vorne zu bringen. Die Leute in den USA machen mir aktuell richtig Angst, da gibt es einige, die nur so strotzen vor Dummheit.
Warum sind deine Texte wichtig für dich? Viele Sänger schreien bedeutungslosen Mist und viele Bands drucken ihre Texte nicht einmal ab.
Jedes einzelne Wort ist für mich wichtig, denn es sind nicht nur Phrasen. Manchmal möchte ich damit eine bestimmte Botschaft vermitteln, manchmal sollen sie die Leute motivieren, manchmal sind es Gleichnisse. Wir haben immer darauf geachtet, dass hinter unserer Musik eine Aussage steht. Welche Aussage? Wie heißt es immer so schön in den Time/Life-Werbesendungen, in denen sie den Leuten diese fetten Coffee-Table-Schinken über Verschwörungen anzudrehen versuchen: „Lesen Sie dieses Buch!“
Du hast Philip K. Dick erwähnt, euer Song „Future humans“ hat ebenfalls einen sehr düsteren Touch. Ich mag besonders Ray Bradbury und seinen Dystopie-Klassiker „Fahrenheit 451“. Deshalb: Welches Buch würdest du auswendig lernen, wenn du müsstest?
Die Wahl ist einfach, einfach zu bewerkstelligen leider nicht. Ich wäre froh, wenn ich Passagen von „Blood Meridian“ von Cormac McCarthy rezitieren könnte. Es ist ein geniales Werk von einem unglaublichen Schriftsteller.
Auf dem Backcover eures neuen Albums sieht man euch alle in in hübschen Jacken mit Patches auf dem Rücken. Und ich sehe Tiere: Drachen, Löwe, Adler, Wolf. Sind das eure individuellen Totems?
Ja, und das sind längst nicht alle. Wir nennen sie „Spirit Animals“ und jeder von uns hat ein paar. Manchmal verkörpern wir Tiere, die nicht hier auf der Erde existieren. Meine „Spirit Animals“ sind zum Beispiel ein Greif und ein Löwe mit drei Augen, sechs Beinen, Flügeln, und er ist blau. Die Band hat auch ein „Spirit Animal“, die Tigereule.
Apropos Tiere: „Animals, eat ’em!“ oder „Meat is murder“?
Ich esse Tiere, aber ich kann die Grausamkeiten, die ihnen angetan werden, nicht stillschweigend hinnehmen. Und ich jage sie nicht. Ich esse bloß leckere Dinge und in manchen Kulturen gehört das Essen von Tieren eben dazu.
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