POISON RUÏN

Foto© by Cecil Shang Whaley

Kein Tolkien

Wenn man an Fantasy in der Musik denkt, wird man zwangsläufig mit Bands wie BLIND GUARDIAN oder Mittelalter-Rock wie von FEUERSCHWANZ und Co. konfrontiert. Dass das aber auch ganz anders aussehen kann und warum Fantasy auch ein gutes Vehikel für andere, moderne Themen sein kann, erklärt uns Mac, Kopf der Band aus Philadelphia.

Die Texte auf „Härvest“ sind stark von Fantasy-Welten beeinflusst – warum denkst du, dass dies deine Botschaft gut transportiert?

Fantasy-Geschichten sind gut für Allegorien. Die meiste Fantasy enthält Symbolik, die mit einer Moral zusammenhängt. Und den Fans von Heavy-Musik sind Fantasy- und archaische Bilder nicht fremd, sie sind also bereits an diese Art von Texten und Bildern gewöhnt. Ich fülle diese vertrauten Symbole einfach mit Bedeutungen aus, die persönlichere Gedanken und Gefühle illustrieren.

Wie funktionieren Fantasy-Motive als Metapher für moderne Themen und Probleme?
Wir verwenden typischerweise Bilder aus dem „dunklen Zeitalter“ im Gegensatz zur High Fantasy. Der Bauer oder Sklave steht für den modernen Lohnarbeiter. Ein Kreuzzug kann für staatlich sanktionierte Gewalt stehen usw.

Hast du das Gefühl, dass es dir in diesem Fantasy-Setting leichter fällt, deinen Standpunkt zu vermitteln?
Es kann eine Herausforderung sein, eine kohärente Aussage zu treffen, aber ich hoffe, dass es die Ideen für den Hörer schmackhafter macht.

Wenn ich mit „Fantasy“-Texten in der Musik konfrontiert wurde, dann meist von Bands wie BLIND GUARDIAN oder deutschen Folk-Metal-Bands, die im Grunde genommen Tolkien oder mittelalterliche Geschichten auf die eine oder andere Weise nacherzählen – was ist dein Standpunkt zu diesen „Fantasy-Lyrics“?
Wie schon gesagt, geht es darum, Fantasy-Tropen neu zu bearbeiten und sie als Allegorie zu verwenden, um zeitgenössische und zeitlose menschliche Kämpfe zu diskutieren. Ich bin ein Fan von Fantasy in Literatur, Filmen und Spielen, aber eskapistisches Märchenerzählen ist nicht das Ziel von POISON RUÏN.

Fantasy selbst hat sich in den letzten Jahrzehnten verändert – ich erinnere mich noch, als „Dungeons & Dragons“ etwas war, das man mit dem Teufel in Verbindung brachte, heute ist es Teil der Popkultur. Wie denkst du über Fantasy in der modernen Popkultur?
Ich finde, das ist im Allgemeinen eine gute Sache – natürlich kommt es immer darauf an, wer die Geschichte erzählt. Jedes Genre kann sowohl brillante Kunstwerke als auch totalen Müll hervorbringen!

Das Fantasy-Genre scheint in Filmen und Videospielen sehr präsent zu sein – in der Musik noch nicht so sehr. Woran liegt das deiner Meinung nach?
Fantasy war schon immer in der Underground- und Heavy-Musik präsent, aber nicht oft in der Art und Weise, wie POISON RUÏN sie einsetzt. Ich glaube, die Leute gehen – manchmal zu Recht – davon aus, dass von Fantasy inspirierte Musik nichts Vorausschauendes hat. Die Leute mögen Musik, die sie direkt anspricht oder ihre Gedanken und Gefühle wiedergibt. Vielleicht gehen sie davon aus, dass fantasie­orientierte Musik zu weit außerhalb ihrer persönlichen Erfahrungen liegt.