NAGEL

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Irgendwo angekommen

Was macht eigentlich Nagel? Diese Frage stellte ich mir Anfang des Jahres, und so fragte ich Nagel, der früher mal ein Fanzine namens Wasted Paper machte und bei einer Band sang, die sich MUFF POTTER nannte. Nagel antwortete, er sei demnächst in Köln, Ausstellungseröffnung in einer kleinen Hinterhofgalerie, man könne sich da ja treffen, und so geschah es. Mitaussteller Hendrik Otremba von MESSER saß auch mit dabei, als wir in der Kölner Vegankneipe Trash Chic heiß und fettig aßen und uns nebenbei darüber unterhielten, was Nagel heute als Künstler – er musiziert, er schreibt, er macht Linolschnitte – so treibt.

Die BOXHAMSTERS spielen heute Abend im Gebäude 9, du bist aber in anderer Mission in Köln unterwegs ...


Ja, als bildender Künstler, wie es so schön heißt. Um 19 Uhr wird die Ausstellung von Hendrik und mir in der „Baustelle Kalk“ eröffnet. Eigentlich müsste ich heute nicht zwingend da sein, ich trete ja nicht selbst auf. Aber natürlich bin ich gerne bei der Vernissage dabei. Das Schöne an dieser Art von Kunst ist, dass man an zwei oder mehreren Orten gleichzeitig sein kann. Meine Bilder bleiben an den Wänden, ein Teil davon hängt gerade in Wiesbaden, und ich fahre weiter nach Frankfurt und spiele zwei Konzerte.

So anders war das früher aber auch nicht, deine Platten waren zu tausenden im Land verteilt, Menschen hörten eure Musik, deine Stimme zu Hause in ihrem Zimmer.

Das stimmt, und mit den Büchern ist das natürlich auch so. Aber das sind eben in Massenproduktion gefertigte Artikel, während meine Bilder alle von mir von Hand gedruckt wurden, jeweils nur zwölf Stück. Da habe ich eher das Gefühl, dass ein Teil von mir da an der Wand hängt.

Bei Nagel denken wahrscheinlich die meisten, obwohl die Band sich schon im Dezember 2009 aufgelöst hat, immer noch an MUFF POTTER. Von deinen Romanen haben sicher auch schon viele gehört, aber dass du nun Linoldrucke machst und ausstellst, ist nicht so bekannt. Wie hat sich das alles in den letzten Jahren entwickelt?

Das ging alles ineinander über. Ich habe das erste Buch geschrieben, als es MUFF POTTER noch gab. Mit dem zweiten habe ich 2009 angefangen, im letzten Jahr von MUFF POTTER, und 2010 erschien „Was kostet die Welt“. Ein Jahr darauf kam dann die 10“, wo ich zu elektronischer Musik Texte aus dem Buch gesprochen habe. Inspiriert war das von Gil Scott-Heron, also Spoken Word-Performances mit Musik unterlegt. Das Cover von „Was kostet die Welt“ wiederum sollte an ein Weinflaschenetikett erinnern, das Buch spielt ja an der Mosel. Alles, was mir der Grafiker an Ideen angeboten hat, gefiel mir nicht, und so ging ich in einen Laden für Kunstbedarf und besorgte mir Linolplatten sowie das nötige Werkzeug.

Viele kennen das wahrscheinlich aus dem Kunstunterricht.

Das höre ich immer wieder. Ich hatte das nicht in der Schule. Mein allererster Linoldruck war tatsächlich das Cover von „Was kostet die Welt“. Es hat mir Spaß gemacht, also blieb ich dran, und so entstanden dann bald die ersten Bilder meiner Raucher-Serie. Ich porträtiere Freunde und Menschen, die mich inspirieren, beim Rauchen. So ging alles ineinander über: Das erste Buch entstand aus der Band, aus dem zweiten Buch entstand das mit dem Linoldruck, und die aktuellste Neuerung ist meine neue Band, die so heißt wie ich und die es auch deswegen gibt, weil ich das Musikmachen vermisst habe und Linolschneiden und Schreiben auf Dauer doch sehr einsame Tätigkeiten sind. Außerdem sitze ich gerade an einem neuen Buch und jetzt gibt es eben diese Ausstellung.

So viel Kunst ... ist das noch Punk?

Ich denke, ich habe eine gesunde Distanz zu dem Business, in dem ich mich jeweils bewege. Ich hatte nie das Gefühl, zum Musikgeschäft wirklich dazuzugehören, bei Literatur ist das genauso, bei Kunst erst recht. Vielleicht hat das was damit zu tun, dass ich in allen Bereichen Autodidakt bin, ich habe nichts von all dem, was ich da mache, wirklich gelernt. Bei Kunst bin ich wohl am weitesten von dem ganzen Kunstbetrieb weg, ich stelle ja nicht in großen Galerien aus, sondern wenn überhaupt in Off-Galerien. Es geht mir weniger darum, irgendwo anzukommen, sondern eher darum, unterwegs zu sein. Und ob irgendwas „Punk“ ist, interessiert mich schon lange nicht mehr. Das war vor 15 Jahren mal meine Schablone. Punk ist das, was ich mache, vielleicht noch in der Herangehensweise. Also dass man irgendwas einfach ausprobiert, obwohl man das eigentlich gar nicht kann. Ich bin Musiker, ich bin Autor, ich bin Künstler – aber nur weil ich das einfach mache, nicht weil ich das unbedingt werden wollte. Das Finanzamt allerdings sieht das anders, für die bin ich Schriftsteller und Musiker.

Bewegt man sich bei einer Karriere wie deiner nicht von einer prekären Lebenssituation in die nächste?

Ich bin schon das Bilderbuchbeispiel eines prekär lebenden Künstlers. Ich sehe diese Situation auch durchaus kritisch, ich halte nichts davon, das romantisch zu verklären, von wegen unabhängig und D.I.Y., denn ich habe das Gefühl, dass das, was in der Punk-Szene als D.I.Y. glorifiziert wird, letzten Endes oft die Blaupause einer FDP-Vorstellung davon, wie wir alle leben sollten: als unternehmerisches Selbst, ohne Absicherung, mit minimalen Rentenansprüchen. Gleichzeitig ist das aber auch der einzige Lebensentwurf, der für mich funktioniert.

Also maximale Freiheit und Unabhängigkeit in Verbindung mit vollem Risiko?

Ja. Ich hätte nichts gegen ein regelmäßiges Einkommen oder dass ich nach einem Herzinfarkt nicht zum Sozialfall werde, weil ich arbeitsunfähig bin. Aber das sind letztlich ja politische Fragen und nichts, wofür ich mein Leben ändern will.

Tom Hazelmyer von Amphetamine Reptile macht wie du Linolschnitte, doch sein Zugang war ein anderer: er kam nach einem Koma über eine Reha-Maßnahme dazu und blieb der Technik nach seiner Genesung treu. Wie empfindest du das Arbeiten mit Linol?

Es hat etwas sehr Kontemplatives. Wie jede kreative Arbeit kann das Linolschneiden aber auch eine sehr frustrierende Erfahrung sein: man ist eigentlich fertig, will nur noch eine Kleinigkeit an der Pupille machen, rutscht ab – und das Auge ist weg. Da kann man nicht nachbessern, das ist dann futsch. Oder man bekommt etwas technisch einfach nicht hin: neulich habe ich einen Freund porträtiert, der hat einen Dreitagebart. Der sah bei mir aus wie der frühere iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad. Also musste ich eine ganze Nacht damit verbringen, den Bart zu bearbeiten. Ich arbeite sehr gerne nachts, rauche viel, trinke Wein. Und dabei dann schnitz, schnitz, schnitz ... Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass das als Reha-Maßnahme taugt.

Was fasziniert dich an dieser Technik, und wie erlernt man sie? Man muss ja schon ein Händchen dafür haben, ich beispielsweise kann überhaupt nichts zeichnen außer Strichmännchen.

Ich kann auch nicht gut zeichnen oder malen. Ich mache fotorealistische Porträts anhand von Fotovorlagen. Das ist eigentlich total bescheuert, denn das Material taugt überhaupt nicht dazu, fotorealistisch zu arbeiten, es ist viel zu anfällig für Fehler. Das wiederum reizt mich aber auch daran. Wenn man ein Foto als Vorlage hat, muss man sich sich sehr genau in das Motiv hineindenken: Welches sind die ein zwei Gesichtszüge, die die Mimik ausmachen? Es gibt keine Graustufen, nur schwarz und weiß. Man kann nicht alles wiedergeben, sondern muss sich auf markante Stellen beschränken. Das Porträt von Gil Scott-Heron zum Beispiel, der ist zwar schwarz, aber natürlich nicht so schwarz wie Linoldruckfarbe. Also muss man sich was überlegen, wie man das hinbekommt, und genau das macht so viel Spaß.

Deine Porträtserie zeigt Menschen, die rauchen. Wie ist das zu verstehen – auch als Protest gegen die ach so bösen Nichtrauchergesetze, die ich sehr begrüße?

Ich begrüße die nicht und halte sie für eine schwierige politische Entwicklung, die mehr mit Kontrollgesellschaft und Gesundheitsdiktat zu tun hat als mit Nichtraucherschutz. Ich will allerdings meiner Serie nicht nachträglich eine größere Bedeutung verleihen, im Grunde zeige ich nur Freunde im Moment des Rauchens. Ich fand das als verbindendes Thema interessant. Eine Zigarette kann für einen Raucher in ganz vielen verschiedenen Momenten wichtig sein: Erschöpfung, Euphorie, die Zigarette danach, Sucht, Genuss ... Diese Stimmungen auszudrücken reizt mich, da geht es dann oft gar nicht so sehr um die dargestellte Person. Rezipiert werden die Bilder allerdings oft so, wie von dir. Das war nicht geplant, es ist mir aber durchaus recht, wenn das als subversives Statement gegen eine meiner Meinung nach fragwürdige Entwicklung gesehen wird. Die Gesundheitspolitik geht immer mehr dahin, dass man nicht mehr das Recht haben soll, sich selbst und damit dem „Volkskörper“ zu schaden. Oder nimm ganz generell die Drogenpolitik in Deutschland, die ich für sehr bedenklich halte.

Hast du schon einen Termin für ein Porträt mit dem Kettenraucher Helmut Schmidt vereinbart?

Nee, aber den finde ich auch so ungeil, den will ich nicht porträtieren. Dasselbe gilt für Günther Grass. Auch Stalin wäre politisch schwierig, haha. Immerhin habe ich aber schon die Marlboro-Cowboys gemacht.

Wirst du gesponsort von der Tabakindustrie?

Leider nicht, aber deren Geld würde ich nehmen.

Hast du alle von dir Porträtierten selbst ausgesucht oder waren da auch Vorschläge von anderen dabei?

Es gibt bislang nur eine Auftragsarbeit, und das ist Shirley Temple, das „Mädchen mit Zigarette“. Den Druck habe ich für Renke Ehmke und sein Label Zeitstrafe gemacht, für einen Labelsampler. Der Deal war, dass ich eine Zigarette in das Bild einbauen darf. „My First Candy Cigarette“ also. So hatte er sein Cover und ich einen weiteren Druck für meine Raucher-Serie. Jemand mit Schokoladenzigarette fehlte sowieso noch.

Du verkaufst deine Bilder, es sind Drucke. Welche Auflagen machst du, was muss man dafür ausgeben?

Ich habe anfangs jeweils sieben Stück gemacht, die waren aber teilweise schnell weg. Und Nachdrucken geht nicht, die sind schließlich nummeriert. Mittlerweile mache ich je zwölf Drucke und die kosten zwischen 150 und 250 Euro.

Welchen Wert misst man so einem Druck bei? Bei Schallplatten gibt es dazu recht klare Ansichten – zehn, zwölf Euro ist billig für eine LP, 25 ziemlich teuer.

Das ist im Kunstbetrieb völlig hypothetisch und pervers. Kunst stellt oft ja nur ihren Preis aus. Da geht es um Statussymbole und Geldanlagen, aber von dieser Welt bin ich weit entfernt. Ich kann deine Frage ehrlich gesagt nicht wirklich beantworten. Meine ersten Drucke waren günstiger, die haben neunzig Euro gekostet, doch bei meiner ersten Ausstellung in Hamburg während des Reeperbahn-Festivals merkte ich, dass ich zu billig bin. Jemand wollte einen Druck haben, und als er den Preis hörte, hat er gleich drei genommen. Bela B hat auch einen gekauft und mich irgendwie komisch angeschaut, als ich neunzig Euro als Preis nannte. Und dann kamen ein paar andere Linoldruck-Künstler, die haben mich sogar wegen Preisdumping angeschissen, ich sei viel zu billig. Manche Drucke sind ausverkauft, von anderen habe ich noch keinen verkauft, was vielleicht daran liegt, das der Porträtierte keine bekannte Person ist. Oder sie sind nicht so gut, keine Ahnung. Man darf auch nicht vergessen, dass das Herstellen von Kunst viel Geld kostet, also das Papier, die Rahmen und so weiter – allein die Rahmen, die ich ja für die Ausstellungen brauche, haben mich mittlerweile fast 5.000 Euro gekostet. Und es braucht viel Zeit. Ich drucke alles selbst, in Berlin im Bethanien. Das ist so ein Künstlerhaus und Kulturzentrum mit Druckwerkstatt, die man nutzen kann.

250 Euro sind eine Menge Geld ...

Ich habe eine Serie von Drucken auf alten Buchseiten aufgelegt, die kosten nur zwanzig Euro. Die sind etwas kleiner und nicht limitiert.

Wie hat sich dein Leben in den letzten Jahren verändert? Vom Leben eines Musikers hat man ja eine Vorstellung, aber Schriftsteller und bildender Künstler? Da umweht einen ja gleich der Hauch der Hochkultur.

Dieser Unterschied zwischen E-und U-Kultur ist ein besonders in Deutschland sehr ausgeprägtes gesellschaftliches Konstrukt. Als ungebildeten Teenager hat es mich tatsächlich oft davon abgehalten, mich mit vermeintlicher E-Kultur zu beschäftigen. Punk war viel attraktiver, da konnte man einfach mitmachen. Im Prinzip räche ich mich heute für diese Erfahrung, indem ich diese Trennung einfach nicht anerkenne. Deshalb versuche ich auch, meine Lesungen so unterhaltsam wie möglich zu gestalten, natürlich soll da Bier getrunken werden und man darf auch zwischendurch aufstehen und pinkeln gehen. In Dresden hat mal jemand bei Lesungsbeginn in der ersten Reihe telefoniert. Einerseits unverschämt, andererseits eine gute Steilvorlage, die den Abend schön aufgelockert hat. Meine Horrorvorstellung ist diese Szene einer Lesung in Loriots „Pappa ante Portas“ – genau so soll es eben nicht sein. Wenn es nach den „Regeln“ ginge, hätte ich ja nicht mal eine Band gründen dürfen: Ich konnte ja nix, ich bin das klassische Beispiel für jemand, der die Aufforderung „Here’s a chord, here’s another chord – now form a band!“ wörtlich genommen hat. Ich hatte das Gefühl, wenn ich „Mother“ von DANZIG und „Bullenschweine“ von SLIME auf der Akustikgitarre draufhabe, dann kann ich auch in einer Band spielen. Und warum sollte das nur bei Musik so sein?

Dennoch klingt das, was du heute machst, verglichen mit vor zehn Jahren doch ganz schön erwachsen und arriviert.

Das kann ich nicht beurteilen. Wie du siehst, sitzen Hendrik und ich hier ganz schön verkatert rum und trinken schon wieder Wein. Ausstellungen oder Lesetouren sind nicht ruhiger als Bandtouren. Mir ist es aber auch egal, ob das, was ich mache, seriös wirkt, ich habe damit kein Problem. Und natürlich mache ich das alles auch nicht nur zum Spaß, sondern will etwas erreichen. Ich habe gewisse Ansprüche an mich selbst, versuche das Beste rauszuholen, mir ist ja nicht alles egal. Und ich möchte mit dem, was ich mache, ernstgenommen werden, was aber damals mit der Musik nicht anders war. Die Außenwirkung dessen, was ich mache, mag heute anders sein, aber für mich fühlt es sich nicht anders an. Ich habe mich immer in erster Linie als schreibender Mensch gesehen, das war immer meine größte Leidenschaft. Ich war kein geborener Sänger, sondern der in der Band, der gesungen hat, weil er die Texte schrieb. Und das ist ein Unterschied zu einem, der Sänger ist, weil er technisch gesehen gut singt. So was finde ich natürlich völlig okay, ich bewundere außergewöhnliche musikalische Fähigkeiten, aber mein Zugang ist ein anderer. Schreiben ist das Wichtigste für mich, deshalb habe ich mein Fanzine gemacht, und wegen des Wasted Paper hat mich dann jemand angesprochen, ob ich nicht ein Buch machen will. Ich schreibe bis heute Songtexte, ich schreibe ab und an Artikel für Zeitschriften, arbeite an einem neuen Buch ... Der Umgang mit Sprache ist für mich der rote Faden in meinem Leben. Außerdem mag ich es, in verschiedene Rollen zu schlüpfen, und da ist das fiktionale Schreiben natürlich am allerbesten. Der Typ in „Was kostet die Welt“ hat einiges von mir, aber auch viele Seiten, die mit mir nichts zu tun haben. Es macht mir Spaß, mich in diese Person und alle anderen Akteure hineinzudenken. Und da ist dann wieder die Verbindung zum Linolschnitt, denn auch da muss ich mich mit anderen Persönlichkeiten beschäftigen. Es geht nicht nur darum, sich selbst auszudrücken, sondern auch darum, mal von sich selbst loszukommen. Das Ich, das ein wahnsinniger Ballast sein kann, auch mal abzuwerfen.

Wie weit ist dein neues Buch schon gediehen?

Es gibt eine erste Version, die lesen gerade ein paar Leute meines Vertrauens. Es geht um Fotos und Storys, wie bei meinen Lesungen. Parallel arbeite ich noch an einer anderen Buch-Idee. Viel mehr kann ich ich dazu an dieser Stelle aber noch nicht sagen.

Du bist regelmäßig mit John Niven und Bela B auf Lesetour. Wie hat sich diese Verbindung ergeben?

DIE ÄRZTE haben MUFF POTTER 2008 als Support eingeladen, so lernten wir uns kennen. Dann hat Farin einen Teil meines Hörbuchs gelesen, und Bela das Hörbuch zu John Nivens Roman. Etwas später hatte ich ein paar Lesungen mit Niven, wir sind ja Labelmates beim Heyne-Verlag, und so kam das alles zusammen. Uns verbindet, dass wir alle mit Punkrock aufgewachsen sind, in Bands spielen oder gespielt haben – auch John Niven –, und so haben wir trotz unterschiedlichen Alters viel gemeinsam. Wir können zum Beispiel bestimmt alle drei die „Never Mind The Bollocks“-LP von den SEX PISTOLS auswendig.

Der Punk lässt dich nicht los ...

Soll er auch gar nicht, aber Punk ist keine Kategorie, anhand derer ich etwas beurteile oder die meinen Horizont bestimmt. Ich bin mit Eighies-Pop aufgewachsen, war als Fünfzehnjähriger großer Fan von NEW ORDER, THE CURE, TALK TALK, COCK ROBIN und so weiter – die gehören bis heute zu meinen Lieblingsbands. Aber natürlich war Punkrock wichtig für mich und wird es auch bleiben, nur rein musikalisch oder als hermetisch abgeschlossene Szene hat das für mich keine Bedeutung mehr.

TERRORGRUPPE spielen im Mai auf dem Ruhrpott Rodeo. Wann sind MUFF POTTER reif für die Reunion? Alles nur eine Frage des Preises?

Nee. Das wäre, als ob man nach der ersten gescheiterten WG wieder bei Mama einziehen würde. „Niemals“, haben natürlich schon viele Musiker gesagt, bis auf Morrissey glaubt man das ja sowieso keinem. Ich habe durchaus Momente, wo mir die Band sehr fehlt. Und ja, wir werden immer wieder nach einer Reunion gefragt. Das kommt oft von den Leuten, die mir nach der Auflösung gesagt haben, jetzt müsse direkt die Soloplatte kommen, und die dann nicht verstanden haben, dass ich erst mal den zweiten Roman machen wollte. Nach dem Roman hieß es dann, jetzt müsse direkt das nächste Buch kommen, ich habe stattdessen Linoldrucke gemacht und die neue Band gestartet. Ich kann nicht so planvoll arbeiten, ich bin nicht so strukturiert, ich muss auf Ideen und Inspiration immer warten.

Wie arbeitest du? Hast du bestimmte „Rituale“ und Zeiten?

Lustigerweise habe ich gestern erst ein Buch von Mason Currey namens „Daily Rituals“ ausgelesen. Da geht es um die Arbeitsweise verschiedener Künstler, darunter Ernest Hemingway, Mark Twain, Sylvia Plath oder Francis Bacon, um deren Tagesabläufe und Rituale. Auffällig fand ich, wie normiert der Alltag vieler Schriftsteller zu sein scheint. Fast alle dort Porträtierten stehen früh auf, arbeiten sehr diszipliniert, haben feste Rituale, gehen früh zu Bett. Wohingegen jemand wie Francis Bacon literweise Wein trinkt und nachts malend im Atelier steht, was irgendwie eher meiner Arbeitsweise entspricht. Die Linolschnitte entstehen alle nachts, beim ersten Stich dürfte ich meist schon nicht mehr Auto fahren. In den letzten zwei Monaten habe ich allerdings sehr konzentriert an dem Buch gearbeitet, und da muss ich bestätigen, dass es Sinn macht, sich ein Ritual zu schaffen: Zur Zeit schreibe ich morgens nach dem Aufstehen, noch bevor ich Mails gelesen, das Radio eingeschaltet oder mit irgendwem gesprochen habe. Nachmittags oder abends überarbeite ich das dann. So kamen in letzter Zeit die besten Sachen zustande.

Nagel, besten Dank. Und ich bin gespannt auf das Buch.