Alte Autos in E-Mobile verwandeln, das ist das Ziel von Nick Zippel. Dass ein Elektroauto nicht immer ein elektrifizierter Neuwagen sein muss, will der Hamburger Tüftler mit seinem Startup Naext beweisen. Aktuell hat sich das kleine Unternehmen auf VW-Busse spezialisiert, wie sie unzählige Bands auf ihren Touren verwenden. Andere Modelle sollen folgen. Zippel hat dabei nicht nur an seine Kunden gedacht, sondern auch an sich selbst. Denn der Hamburger singt bei der Punkband NULLKOMMAFÜNF. Nick Zippel und sein Mitstreiter Henning Behn erzählen uns, wie sie auf die Idee mit dem zukunftsträchtigen Umbau gekommen sind.
Wie ist euer Startup entstanden?
Nick: Wir kennen uns schon seit zwanzig Jahren und machen auch zusammen Musik. Henning als studierter Flugzeugbauer hat im Proberaum immer wieder erzählt, dass der Flugzeugbau gar nicht so schlimm ist, wie Nicht-Flieger denken. Oder Menschen, die Flugzeuge ablehnen, so wie ich. Er hat mir das Prinzip des Refurbishment erklärt, also dass Flugzeuge nach fünfzehn Jahren überholt werden und dann noch mal fünfzehn Jahre fliegen können. Das ist also umweltfreundlicher als bei Autos, die alle fünf bis acht Jahre einfach ausgetauscht werden. Außerdem wird viel auf Gewicht und auf Kerosineinsparung geachtet, wo es nur geht. Das hat dem Auto also einiges voraus. So ist aus einer spielerischen Diskussion zwischen Henning und mir eine Idee entstanden. Ich selbst bin gelernter Handwerker und Umweltingenieur und so haben wir gemeinsam beschlossen, dieses Konzept in die Autowelt zu übertragen. Das ist jetzt zwei Jahre her.
Was habt ihr da genau entwickelt? Einfach erklärt.
Henning: Bei Autos ist es ja bislang total unüblich, dass man Fahrzeuge nach einigen Jahren wieder so aufbereitet, dass sie fast als Neuwagen durchgehen. Zusätzlich haben wir uns überlegt, dass wir den Verbrennungsmotor ausbauen und einen Elektromotor einbauen. Nick hat gesagt, er braucht für seine Familie ein großes Elektroauto, das es so nicht auf dem Markt gibt. Eigentlich ist er ja passionierter Fahrradfahrer, aber manchmal geht es eben nicht anders. Außerdem wollte er sein altes Auto weiterfahren. Vielleicht könnte man das ja einfach umrüsten, dachte er. Dann habe ich gesagt: Lass uns das durchziehen. So haben wir dann Technik mit Umweltschutz perfekt kombiniert. Wir sind sicher nicht die Erfinder dieser Idee, wir haben das Konzept aber mit Ideen aus dem Flugzeugbau verfeinert. Wir haben ein sogenanntes modulares System entwickelt, auf dem sich alle wichtigen Teile befinden, und dieses Modul wird dann von unten in den vorher entkernten Motorraum eingesetzt. Genauso ist es mit den Akkus, die in einer großen Box verdrahtet sind. Dann müssen noch ein paar Stecker eingestöpselt werden, das war’s. Prunkstück ist unser Naext-Kompensator, in dieser Box sitzt die Steuerelektronik, extra gesichert wegen der Hochvolt-Technik. Unser Ziel ist es, dass wir irgendwann nur noch diese Umbausätze liefern, die Umrüstung übernehmen dann freie Werkstätten, mit denen wir zusammenarbeiten. Wir wollen also ein massentaugliches Produkt verkaufen.
Kann ich dann mit egal welchem Modell ankommen und ihr passt euer Modul an mein Auto an?
Henning: Wir haben kein Interesse daran, diesen Individualumbau zu machen. Es gibt schon viele andere, die das machen, und die können das gut. Das hilft der Masse aber nicht. Für uns macht es erst ab zwanzig Fahrzeugen Sinn, dass wir dafür so ein Umrüst-Set entwickeln. Geplant ist es so, dass ein Kunde Interesse hat und wir ihn dann an eine unserer Vertragswerkstätten vermitteln. Wir stellen dann nur dieses Kit zur Verfügung. Natürlich wollen wir auch die Kunden bedienen, die ihr Auto selbst umbauen wollen. Dazu muss man allerdings schon ein bisschen erfahren sein, um das zu machen. Wir sehen uns ein bisschen als die Punks in der Automobilindustrie. Die Automobilindustrie will ja seit Jahrzehnten ausschließlich neue Autos verkaufen. Genauso ist das jetzt bei den Elektrofahrzeugen. Die haben genug Kohle mit den Verbrennern gemacht, jetzt müssen sie umsteigen. Also kassieren sie die dicke Förderung und stellen uns wieder neue Fahrzeuge vor die Tür. Damit steht das nächste Desaster vor der Tür, weil alle Verbraucher jetzt schnell ihre stinkigen Verbrenner loswerden und die Prämien einheimsen wollen. Wir sagen dazu: Das ist alles Blödsinn. Und wir alle beteiligen uns an diesem Irrsinn. Wir brauchen eine komplette Kehrtwende und sagen: Elektro ist die Zukunft, aber die Zukunft muss mit den Dingen funktionieren, die wir jetzt schon haben. Wir könnten mit unserer modernen Technik locker Autos herstellen, die dreißig Jahre lang fahren. Wir haben ja hier keine widrigen klimatischen Bedingungen. Deshalb setzen wir konsequent auf Second-Life-Mobility.
Aktuell kostet euer Umbau-Set 35.000 Euro. Wie kann sich das lohnen?
Henning: Zum einen gibt es diesen VW Multivan, auf den wir uns momentan konzentrieren, noch gar nicht mit Elektroantrieb. Das plant VW auch nicht, soweit wir das wissen. Deswegen setzen wir verstärkt auf diesen Fahrzeugtyp. Zum anderen kostet ein gebrauchter Multivan aktuell fast mehr als ein neuer. Weil er so beliebt ist, sind die neuen Multivans gerade schwer lieferbar. So können wir unseren Preis über den hohen Preis für das Fahrzeug rechtfertigen. Wir hoffen aber auch, dass wir den Preis für unser Umbau-Set noch drücken können, indem wir bei den Herstellern von Motoren und Batterien größere Mengen einkaufen. Außerdem hoffen wir auf die staatliche Förderung, die alle anderen schon bekommen. Da sind wir dran. Wir hoffen also, dass wir irgendwann bei einem Preis von 25.000 Euro landen, dann fängt es langsam an, sich zu lohnen. Eigentlich müssten wir uns aber gegen den Anspruch wehren, kommerziell attraktiv zu sein. Denn im Grunde können wir es uns in unserer Welt gar nicht leisten, dass alle Neu-Fahrzeuge kaufen. Das ist aber sehr schwer in die Köpfe hineinzubringen. Ich denke ja auch oft: Neu ist irgendwie besser. Deswegen hoffen wir, dass die Politik neue Produkte auch irgendwann stärker besteuert, um Upcycling noch attraktiver zu machen.
Wer gehört zu euren Kunden und wie viele Umbau-Sets habt ihr inzwischen schon verkauft?
Nick: Erst zwei. Wir stehen noch am Anfang. 1,4 Milliarden Autos fahren auf der Erde herum. Im Schnitt werden dafür 50 Tonnen Eisenerz und Co. pro Fahrzeug verbraucht. Das sind 70 Milliarden Tonnen Rohstoffe, die schon auf den Straßen unterwegs sind. Wir sparen mit unserer Idee 80 bis 90% davon ein. Außerdem setzen wir auf Sharing-Modelle, denn wir können es uns nicht mehr leisten, dass ein durchschnittliches Bandauto nur 38 Minuten am Tag fährt. Deshalb wollen wir, dass sich die Leute ein Auto zu dritt oder zu viert teilen sollen. Die Klimaforscher sagen, die Elektrifizierung des Weltfuhrparks bedeutet das Reißen aller Klimaziele. Das kann also nur gehen, wenn es Unternehmen wie uns gibt. Wir werden von allen Kaufleuten belächelt, Banken wollen uns kein Geld geben, weil alle sagen: Ihr habt keine Chance gegen die Automobilindustrie. Und trotzdem sagen wir: Wir buttern alle unsere Ersparnisse in dieses Projekt, obwohl die Wahrscheinlichkeit, dass es erfolgreich wird, gerade bei 10% liegt. Aber es fühlt sich einfach super an. Aktuell haben wir 500 Anfragen von Leuten, die unser Produkt kaufen wollen. Es gibt also so viele Ehepaare, die gerade in Rente gegangen sind und 35.000 Euro übrig haben, dass wir momentan gar nicht alle Interessenten bedienen können. Aktuell läuft eine Kleinserien-Zulassung, mit der wir fünfzig Umbausätze in Manufaktur herstellen wollen. Das ist unser Plan für 2022. Und dann wollen wir unser Kit irgendwann für unter 20.000 Euro anbieten. Das ist unser Ziel. Wir haben jetzt vier Partner gefunden, das sind kleine, freie Werkstätten, mit denen wir für die Kleinserie üben können. Naext ist also kein Projekt für konventionelle Kaufleute, sondern für Leute, die ihre Kinder nicht in die Grabstätten der Zukunft treiben wollen. Außerdem bieten wir diesen kleinen Werkstätten eine neue Perspektive. Denn je mehr E-Autos auf den Straßen sind, desto weniger werden Kfz-Werkstätten zu tun haben, denn übliche Wartungs- und Reparaturarbeiten fallen weg.
Großes Problem bei den Elektroautos sind aktuell ja noch die Batterien. Wie geht ihr damit um?
Nick: Zur Zeit arbeiten wir mit B-Ware. Also Batterien, die bei VW oder Daimler ankommen und dann aus Qualitätsgründen nicht angenommen werden. Weil zum Beispiel der Quellcode falsch aufgedruckt ist. Normalerweise gehen diese Batterien an Verwerter, die sie dann verschrotten. Wir haben jetzt mit einem dieser Verwerter einen Deal abgeschlossen, dass wir für fünfzig Umbausätze im Jahr 2022 die erforderlichen Speichermengen sicher haben. Unsere Batterien wollen wir zehn Jahre länger leben lassen als das Auto. Und bis dahin gibt es längst einen neuen Typ Batterien, da sind sich Forscher einig. Wenn es den dann nicht gibt, dann verkacken wir sowieso alle bei der Elektrifizierung der Gesellschaft.
Warum ist eure Idee ideal für Bands, die eure Vorstellung von Nachhaltigkeit, Antikapitalismus und DIY teilen?
Nick: Unsere Idealvorstellung ist ein Proberaum mit drei Bands, die einen Bus zusammen nutzen. Da kann jeder seinen Aufkleber draufpappen, solange es keine faschistische Band ist. Wir haben meinen alten VW-Bus auch immer für Bandtouren genutzt. Genauso wie meinen neuen Elektro-Bulli, den ich schon seit knapp 30.000 Kilometern mit meiner Familie fahre. Mit dem können wir locker unsere Instrumente transportieren, wenn es mit Konzerten wieder anläuft. Und natürlich wäre es cool, wenn die Band, mit der wir uns den Proberaum teilen, das Auto auch nutzt. Man kann außerdem sagen, dass ohne unsere Band diese Idee nie entstanden wäre.
Lasst uns doch gleich mal über eure Band NULLKOMMAFÜNF sprechen.
Nick: Wir haben zwanzig Songs aus den letzten Jahren neu aufgenommen und wollen ein Album veröffentlichen. Aktuell verhandeln wir mit einigen Labels, aufgenommen haben wir es selbst, weil unser Gitarrist Jan in seinem Keller ein eigenes Studio hat. Das Album wird „Sonne“ heißen und neun Songs enthalten. Da sind einige echte Punk-Kracher dabei, aber auch ein paar ruhigere Stücke.
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #160 Februar/März 2022 und Wolfram Hanke