Irgendwie ist es schon komisch, wenn einer deiner besten Freunde, ich meine jetzt solche, die Mensch schon ewig kennt und zu denen man regelmäßigen Kontakt pflegt, sich als schwul outen... Geschrei... Was ist passiert mit solchen Menschen, die du selbst im Schlafsack neben dir bumsen gehört hast und mit denen du den Weibern nur so nachgejagt bist? Mit denen du die sexistischen und natürlich auch die vorzüglichsten schwulenfeindlichen Witze auf der Schulbank ausgetauscht hast? Keine Ahnung, was einen Mann dazu bringt das andere Ufer aufzusuchen und es dann auch noch mit einem Neger zu treiben?
Es klingt bzw. liest sich schon sehr komisch, aber ihr wißt ja, dass das Leben die besten Geschichten schreibt. Wie sagte Achim noch vor ´n paar Tagen nicht ohne selbstironischen Unterton: "Nichts ist so hart wie das Leben!" - Wirklich passend! Irgendwie hat mich das ganze Thema einfach nicht mehr losgelassen. Nach ein paar mißglückten Anmachversuchen meinerseits, erklärte sich Achim bereit mir ausführlicher Auskunft zu geben und auf seine speziellen Gründe und Vorlieben einzugehen. Nach anfänglicher Skepsis überzeugte ich Achim davon, der sich übrigens auch schon "geoutet" hat, dass auch andere Leute damit wohl heftige Probleme hätten, wenn einer ihrer besten Freund plötzlich schwul werden würde und dass natürlich dringend Aufklärungsbedarf bestehe. Vielleicht brauchte er es auch irgendwie als Selbsttherapie!?
Lange Rede, kurzer Sinn: das offene Gespräch zwischen mir und Armin wurde nach ellenlangen Diskussionen mit beiden(!!!) zur Veröffentlichung freigegeben. Sie haben es auch Korrektur gelesen, und auch einige Passagen, die die Eltern betrafen, rausgestrichen. Mein größter Respekt geht an Achim und Steven, die so offen für diese Idee waren und es allen homosexuellen Menschen dadurch vielleicht leichter machen. Auch wenn in der Szene immer von Freiheit und Individualität geredet wird, gelebt und respektiert wird sie von den Wenigsten! Wer sich nun über irgendwas beschweren möchte, der kann dies gerne tun. Warum ich das schreibe? Nun, einigen von euch werden sich schon von der Überschrift angepisst gefühlt haben. Dabei hat Steven selbst sie vorgeschlagen...
Wie hast du Steven eigentlich kennengelernt?
Achim: "Puh, das ist eine komische Geschichte. So vor´m Jahr zogen wir mal wieder ziellos durch Essen. Wahrscheinlich waren wir auch wieder schon zu besoffen und sahen zu seltsam in unserer Zusammenstellung aus, so dass uns mal wieder kein Türsteher mehr reinließ. Da hatte der Ede wieder einen von seine verrückten Einfällen und meinte, wir sollten doch mal eine von diesen schwulen Bars ausprobieren, anchecken, wie tolerant die denn nun wirklich sind. Wenn ich mir das jetzt so überlege, hatten wir großes Glück nicht richtig einen auf´s Maulzu bekommen... Aber wie gesagt, der Alkohol tat sein übriges und mutig wie wir waren, torkelten wir in´s "Men Only" rein. Die Atmosphäre war recht angenehm und wir beschwerten uns erstmal über die viel zu hohen Bierpreise! Klasse Einstand, nich!? So voll wie wir schon waren, war´s überhaupt ´ne Leistung, dass das Bier überhaupt noch oben drauf passte. Ich mache jetzt mal ´n kleinen Zeitsprung. Irgendwann muß ich wohl anner Theke eingepennt sein und die anderen hatten sich höflich verpisst. Geweckt wurde ich vom Jürgen, das ist der Barkeeper, wie ich heute weiß! Er meinte nur, dass es an der Zeit wäre nach Hause zu gehen. Keine doofen Sprüche nix, kein weiterer Stress. Als ich mich also aufmachen wollte und lässig vom Hocker schwang, fiel ich genau in seine Arme..."
In die von Steven...
Achim: "Genau, hätte er mich nicht gehalten, wäre ich wohl voll mit dem Kinn auf´n Tresen geknallt!"
Steven: "Ich hab ihn mir dann gepackt und aufgerichtet! Der Typ konnte echt nicht mehr auf seinen eigenen Beinen stehen, so stramm war der..."
Der rein körperliche Unterschied ist ja offensichtlich. Achim war schon immer der schlacksige Punker und du siehst ja eher wie´n Schrank aus, Du hasst dir ihn also gekrallt und entführt, bzw. verführt?
Steven: "Nein, absolut nicht! Naja zumindest nicht an diesem Abend. Ich habe ihn nur nach draußen begleitet und an der Wand abgestellt. Aber der sackte direkt wieder in sich zusammen. Da hab ich mir gedacht, was soll´s, fährst du ihn einfach nach Hause."
Sind alle schwulen so sozial?
Steven: "Nein, ich denke mal nicht. Man sollte das auch nicht als Normalität ansehen, in etwa, dass ich jetzt jeden Betrunkenen rumkutschiere. Es war halt dieser Abend. Ohne weitere Erklärungen, was willste machen, mir war einfach danach. Und frag jetzt ja nicht etwa, ob alle Schwulen ´nen Mutterkomplex hätten!"
Nö, hatte ich eigentlich nicht vor, aber man hört ja viel...
Achim: "So eine Frage ist echt typisch für´n Hetero und ich hätte mich gewundert, wenn gerade du sowatt nich angedeutet hättest!"
Steven: "Mal ernst, klar gibt es auch Vergewaltigungen in der Schwulen-Szene und Alkohol macht besonders willig. Das ist aber eher ein gesellschaftliches Problem und nicht gerade ein schwulenspezifisches!"
Wie ging´s dann weiter?
Steven: "Ich konnte ihn da doch nicht liegen lassen, also verfrachtete ich ihn in mein Auto und bevor ich mich versah, war der Kerl einfach eingepennt! Was machen? Rausschmeißen? Taschen durchwühlen? Hätte ich zweiteres gemacht, würde man mir es wohl als sexuelle Nötigung auslegen und damit hätte ich nur wieder komplett alle Vorurteile bestätigt. Mhhh, vielleicht gibt es bei uns Schwulen ja so eine Art Feinfühligkeit oder Schutzmechanismus? Wie auch immer, ich fuhr mit dem betrunkenen Etwas zu mir nach Hause!"
Aber das ist ja noch schlimmer als Fummeln!
Steven: "Im Prinzip hasste ja recht, aber daran dacht ich nicht und die Innenstadt ist wohl ´n bisschen öffentlicher als meine Wohnung. Hähä..."
Achim: "Ich merke, dass es Steven unangenehm ist darüber zu reden. Da könnte man jetzt viel reininterpretieren. Fakt ist, er hat mich ausgezogen - Ja,ja, grins du nur, die Unterwäsche hat er aber angelassen -, mich auf die Couch gelegt und zugedeckt. Punkt! Sonst gar nix! Nothing!"
Der Morgen danach ließ ja denn wohl nicht lange auf sich warten?
Achim: "...und die Zigarette auch nicht!"
Steven: "Das war genau so unspektakulär wie unser Kennenlernen! Ich machte gerade Frühstück, da kam ein noch immer deutlich angeschlagener Achim in die Küche getorkelt..."
Achim: "Das Erste was dieser schwarze Riese zu mir meinte war, ob es mir genau so viel Spaß gemacht hätte wie ihm!"
Klasse, und du hattest wieder voll den Filmrisss...
Achim: "Erraten... Aber was mich noch stutziger machte, waren die ganzen nackten Männer an den Wänden und die Schwulen-Pornos, die ich bei meiner Suche nach ´ner Kippe gefunden hatte! In Verbindung mit dieser Aussage fasste ich mir erstmal an den Arsch!"
Steven: "Mein lautes Gelächter hat ihn dann doch wohl wieder in die Realität zurückgeholt und er stimmte mit ein."
Achim: "Es ist schon komisch, wie sehr du von der Gesellschaft konditioniert wirst. Du denkst immer nur das Schlimmste, so von wegen die Schwulen ficken doch eh alles, was sich nicht mit dem Arsch an der Wand entlangdrückt! Jedefalls stellte sich Steven als sehr angenehemer und offener Zeitgenosse heraus, der mich mit seinem natürlichen Wesen überzeugte. Wir quatschten dann noch ´ne ganze Zeit und ich verlor jedes Vorurteil, das ich mir selber als Schutz vor sogenannten "Abartigkeiten" aufgebaut hatte. Als ich ihn fragte, ob ich duschen könnte, sagte er ja und gab mir frische Handtücher..."
Da ich ja schon weiß was jetzt kommt, erlaubt mir eine Frage vorweg: Ist "Schwulsein" genetisch veranlagt, gelernt, anerzogen, oder was weiß ich auch immer?
Steven: "Ich hab´ da noch nie ernsthaft drüber nachgedacht. Klar merkte ich irgendwann, dass mich Männer mehr anzogen als Frauen. Ich hatte auch die obligatorische Freundin, weil alle Jungs aus meiner Clique mit ihren Fickerlebnissen prahlten. Versteh mich jetzt bitte nicht falsch, ich mochte meine damalige Freundin und das erste Mal war auch schön, aber irgendwas war "falsch", nein nicht richtig, ich war nicht 100% dabei, bei ihr... Schwierig, einem anderen die Gefühle und Gedanken zu vermitteln, von was, was du selbst damals überhaupt nicht verstanden hast. Später ließ ich es einfach laufen und hatte das Glück, an einen sehr lieben und verständnisvollen Freund zu geraten, der mich vorsichtig aufbaute und bereit für die schwule Liebe machte... Ein Tip für alle Unentschlossenen: Versucht es einfach selber herauszufinden. Löst euch von aktuellen Moralvorstellungen. Seid ganz ihr selbst und übernehmt die Verantwortung für euer Leben."
Achim: "Es muß wohl irgendwie in einem drin sein. Vielleicht muß nur der Richtige kommen und den Schalter finden!? Mir hat es mit den Frauen auch, nein nicht auch, mir hat es immer sehr viel Spaß gemacht. Mit Steven ist es anders. Vielleicht ist "Es" zu einfach, dass wir erkennen wie es nun wirklich ist. Zu viele unsinnige Gedanken können den Kern der Sache ganz schön gut verstecken. Man sollte nie aus den Augen verlieren, dass es hier um Menschen und ihre Gefühle geht. Aber zu deiner Frage: Ich denke, dass es immer ganz individuell ist. Bei manchen mag es anerzogen sein, durch z.B. übermäßige Verweichlichung, andere könnnen nicht anders und der Nächste hat Lust mit Frauen und Männern zu schlafen."
Das erste Mal...
Achim: "Ich gehe also duschen... So ein Bad hab ich noch nie gesehen, echt, dass ist ´n Palast. Absolut passend eingerichtet und wirklich stilvoll. Ich ziehe mich aus und fange an zu duschen. Noch immer dröhnt mir der Kopf und aus den versteckten Lautsprechern trällert Marianne Rosenberg. Das halte ich nicht aus und renne klatschnaß und nackt, wie ich bin, aus dem Bad in die Küche! Steven ist aber nicht da. Ich stürme ins Wohnzimmer und da sitzt der und liest gemütlich Zeitung. Ich schreie ihn an, wenn er mich ficken wolle, dann müsse er schon andere Musik auflegen."
Steven: "Ich hatte mir echt nichts dabei gedacht und plötzlich stand der Achim splitternackt vor mir und tropfte den Teppich voll! Ich war so verdutzt, dass ich kein Wort rausbrachte! Wahrscheinlich war das der Augenblick, wo ich wußte, dass ich diesen rauhen, aber herzlich ehrlichen Typ haben wollte. Liebe auf den ersten Blick. Rosa Brille? Weiß nicht, plötzlich hat es Zoom gemacht und glaub´ mir, Klaus Lage fand ich immer schon schlecht!"
Achim: "Es war schon lustig und ich war mir der Situation auch gar nicht richtig bewußt! Wäre ich nicht rausgestürmt, wäre sicher gar nix passiert. Diesen muskelbepackten Kleiderschrank anzufahren war wohl da ungesündeste, was ich mir je geleistet habe..."
Da kenn ich aber noch andere Geschichten...
Steven: "Anstandslos legte ich was Härteres auf. RAMONES! Plötzlich strahlte der Typ über beide Ohren und zog ab... Zufall, dass gerade diese CD oben auf dem Stapel lag?"
Achim: "Auf jeden Fall duscht es sich mit den RAMONES im Ohr ziemlich gut und die Morgenlatte stellte sich schnell ein. Unbewußt holte ich mir einen runter und vergass, dass ich in einer fremden, dazu noch schwulen Wohnung war! Plötzlich dröhnte es im ganzen Bad... Steven war reingekommen und meinte..."
Steven: "... hätte ich gewußt, das die RAMONES so eine Wirkung auf dich haben, hätte ich das Tape schon im Auto laufen lassen!"
Achim: "War mir schon mehr als ein wenig peinlich..."
Steven: "...und ich bekam auch langsam einen Steifen!"
Achim: "Das bemerkte ich auch und war irgendwie... Gerührt!??"
Steven: "Na, um es kurz zu machen ich hab ihm dann einen geblasen und er ist direkt in meinem Mund gekommen. Schockiert?"
Ist schon komisch, wenn man´s hört...
Achim: "Das war so geil, ich hab es nachher erst registriert, dass ein MANN mir einen geblasen hatte!"
Wie ging es weiter? Das große Geschreie und dann aus der Wohnung stürmen?
Achim: "Nein, ich hab mich erstmal angezogen. Irgendwie war ich aber immmer noch geil! So richtig geil! Verstehst du, dieses Kribbbeln im Unterleib, das mit jedem Gedanken an schmutzigen Sex stärker wird. Vielleicht wollte ich auch nur austesten, wie weit Steven geht und provozierte ihn so, dass er mir dann noch mal einen blies! Diesmal lag ich cool auf der Couch und schaute fern. Bestimmt dachte ich in diesem Augenblick gar nicht daran schwul oder ansatzweise ähnliches zu sein, sondern nur an meinen Spaß und wie blöd die Schwulen doch sind."
Heavy Toback! Was hasst du denn dabei empfunden, es war doch sowas wie euer "Erstes Mal"?
Steven: "Ich sah, wie schon gesagt, alles nur durch die rosarote Brille und war froh, dass ich ihm wenigstens einen blasen durfte. An Ficken oder ähnliches hab ich da noch gar nicht gedacht. Ich war so froh, dass ich alles nahm, was er mir bereit war zu geben."
Wann kam es zum ersten "richtigen" Sex, bzw. wann hasst du, Achim, gemerkt, das da noch mehr ist?
Achim: "Das ging relativ schnell! Nachdem ich ein zweites Mal fertig war und an mir herunterschaute, sah, wie ich die Haare dieses liebenswerten Riesens kraulte, wußte ich, dass ich mich voll darauf einlassen wollte."
Steven: "Es ging, wie Achim schon sagte, relativ schnell und in der darauf folgenden Nacht entjungferte ich ihn!"
Achim: "Richtig, ich war so fasziniert, dass ich seine Gesellschaft einfach nur genoss. An Liebe und ähnlichen hab ich damals noch gar nicht gedacht. Ich war einfach nur geil."
Steven: "Wir sind dann schick was esssen gegangen und haben uns noch in verschiedenen Discos und Bars herumgedrückt. Als es dann später wurde, fragte ich Achim, ob ich ihn jetzt nach Hause fahren solle.- Verdutzt schaute er mich an und antwortete: "Ich dachte, wir fahren noch zu dir?" In dieser Nacht hatten wir, wie schon gesagt den ersten richtigen Sex... Es war wunderschön."
Hattet ihr nie Angst vor AIDS?
Steven: Oh Gott, hör mir damit auf! Bis ich mein Ergebnis vom Test hatte, bin ich fast schon gestorben! Es ist unverzeihlich, was wir gemacht haben! Ich weiß auch nicht, wie das mit uns eigentlich rational denkenden Menschen geschehen konnte! ES HÄTTE UNS TÖTEN KÖNNNEN! Das darf man nie vergessen. Zwar wußte ich, dass ich persönlich negativ bin, aber dieser süße Punk hier, der vorher mit allen möglichen Tussies rumgevögelt hat..."
Achim: "Es war und ist unverantwortlich, bei wechselnden Partnerschaften ohne Schutz miteinander zu schlafen. Dabei spielt das Geschlecht und die Praktiken keine Rolle! AIDS ist zu ernst, um es zu verdrängen!"
© by Ox-Fanzine - Ausgabe #38 März/April/Mai 2000 und Carsten Vollmer